Landgericht Aachen: Unternehmer bei 54 Bewertungen und 29 Verkäufen in 12 Monaten

Auch wenn jemand kein Gewerbe angemeldet hat und (vermeintlich) als Verbraucher gebrauchte Sachen verkauft, kann er als Unternehmer im Sinne des §14 BGB gelten. Wenn man nämlich nur oft genug bzw. mit gewisser Stetigkeit zumindest gleichartige Waren verkauft, wird man plötzlich Unternehmer im Sinne des BGB und hat zum einen diverse Informationspflichten, muss ein Widerrufsrecht einräumen aber ist auch bei der Möglichkeit verwendeter AGB stark eingeschränkt. Beim (41 O 60/14) ging es um die Frage, wann jemand als Unternehmer einzustufen ist und es kam zum Ergebnis, dass dies bei 54 Bewertungen und 29 Verkäufen in 12 Monaten der Fall sein kann.

Beachten Sie dazu unsere Gesamtdarstellung: Wann ist man Unternehmer auf eBay?

Das LG hatte zum Verkäufer festgestellt

Der Beklagte ist seit dem 20.01.2002 als Mitglied bei f angemeldet. Zum maßgeblichen Zeitpunkt des Angebots der Kugellager bzw. der fanden sich zu dem Benutzernamen des Beklagten ausweislich des von der Kläger vorgelegten Bewertungsprofils insgesamt 471 positive Bewertungen Dritter auf der Internet-Plattform. Darunter mit ca. 50 Bewertungen auch ein hoher Anteil an Bewertungen von Käufern, welche in der Vergangenheit Waren vom Beklagten gekauft haben. Innerhalb eines Zeitraums von 6 Monaten vor dem Verkaufsangebot über die zwei Kugellager hat der Beklagte 28 positive Bewertungen von Dritten erhalten, innerhalb von 12 Monaten vor dem maßgeblichen Zeitpunkt waren es insgesamt 54 positive Bewertungen. Die große Anzahl der Bewertungen und die Anzahl der getätigten Verkäufe können nicht mehr mit rein privaten Gelegenheitsverkäufen im Allgemeinen erklärt werden.

Der letzte Satz ist natürlich schon speziell: In 12 Jahren 471 Bewertungen macht 39 Bewertungen pro Jahr, also etwa 3 Verkäufe im Monat. Wenn das eine „große Anzahl“ sein soll stellt sich schon die Frage, wie eine normale Kellerentrümpelung aussehen soll. Abgesehen davon, dass Familien mit Kindern, die gerne gebrauchte alte Sachen bei anbieten statt sie wegzuwerfen, solche Zahlen problemlos toppen. Alleine aus der Zahl lässt sich hier rein gar nichts rückschliessen. Soweit dies klar zu stellen war, ist aber im Übrigen auf die saubere und nicht zu beanstande Argumentation des Gerichts hinzuweisen:

Er handelte dabei als Unternehmer im geschäftlichen Verkehr.

Unternehmer ist, vgl.; § 14 I BGB, eine Person, die bei Abschluss eines Rechtsgeschäfts in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbstständigen beruflichen Tätigkeit handelt. Eine gewerbliche Tätigkeit setzt ein selbstständiges und planmäßiges, auf eine gewisse Dauer angelegtes Anbieten entgeltlicher Leistungen am Markt voraus (BGHZ 167, 40 Tz. 14).

Ob ein Anbieter von Waren auf einer Internet-Plattform im geschäftlichen Verkehr oder im privaten Bereich handelt, ist aufgrund einer Gesamtwürdigung der relevanten Umstände zu beurteilen. Kriterien, die eine gewerbliche Tätigkeit nahelegen sind beispielsweise eine wiederholte Anbietung gleichartiger insbesondere auch neuer Gegenstände, Verkaufsaktivitäten in großem Umfang, eine Konzentration auf wenige Produktbereich sowie eine große Anzahl der von Dritten erhaltenen Bewertungen auf der Internet-Plattform (BGH vom 04.12.2006, I ZR 3/06). Indes ist nach Ansicht des BGH, der sich die Kammer anschließt, an das Merkmal des Handelns im geschäftlichen Verkehr keine hohen Anforderungen zu stellen (BGH vom 4.12.2006, I ZR 3/06; BGH vom 19.04.2007, I ZR 35/04).

Eine Gesamtwürdigung aller relevanten Umstände kommt hier aufgrund der hohen Anzahl von Bewertungen Dritter, der Art der angebotenen Artikel sowie der Anzahl der getätigten Verkäufe auf der Internet-Plattform zu dem Ergebnis, dass der Beklagte gewerblich bzw. als Unternehmer gehandelt hat.

Das Handeln des Beklagten lässt zunächst eine gewisse Planmäßigkeit und Dauerhaftigkeit erkennen, denn er hat wiederholt mit gleichartigen Gegenständen gehandelt. Der Beklagte hat in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit den beanstandeten Verkaufsangeboten über die zwei Kugellager noch 27 weitere Kugellager unterschiedlicher Marken über die Internet-Plattform f zum Verkauf angeboten. Bei den Kugellagern handelte es sich um ungebrauchte und im Original verpackte Lager. Dieser Umstand spricht auch für eine Gewinnerzielungsabsicht des Beklagten.

Zudem spricht die Art der angebotenen Artikel, hier die Kugellager u.a. für den Einbau in Kraftfahrzeugen, für eine Konzentration auf einen bestimmten Produktbereich. Für eine derartige Konzentration spricht zudem, dass der Beklagte mit dem Verkauf der Kugellager nach seinem eigenen Vorbringen dazu beitragen wollte, das ehemalige Geschäftslager seines verstorbenen Vaters aufzulösen.

Dieses Lager hat aber nie zum Privatbereich des Vaters gehört, so dass auch seine angestrebte Auflösung über die Plattform f dem gewerblichen Aktivitäten des Beklagten zuzuorden ist.

Eine gewerbliche Tätigkeit des Beklagten liegt auch deshalb nahe, da es sich bei den angebotenen Kugellagern und den anderen angebotenen Artikeln aus dem Kfz-Bereich nicht um Gegenstände handelt, die typischerweise dem privaten Gebrauch zuzuordnen sind.

Weiterhin lassen auch die große Anzahl von Bewertungen Dritter aus früheren Auktionen unter dem Benutzernamen des Beklagten und darunter die nicht geringe Anzahl an Käuferreaktionen auf ein Handeln im geschäftlichen Verkehr bzw. eine Verkaufsaktivität in größerem Umfang schließen.

Es ging hier um einen Spezialfall, wobei der Satz mit den „vielen Bewertungen“ aufhorchen lässt und etwas Sorge bereitet, dass weiterhin Mütter die „zu viele Kindersachen“ (ihrer eigenen Kinder) verkaufen (ich erinnere insoweit an LG Berlin vom 05.09.2006 – 103 O 75/06) plötzlich als Unternehmer eingestuft werden, nur weil jemand hier die Lebenswirklichkeit verkennt. Im Übrigen aber sei hiermit nochmals daran erinnert: Wer regelmäßig auf eBay verkauft, der muss damit rechnen als Unternehmer eingestuft zu werden und läuft das Risiko, wettbewerbsrechtlich abgemahnt zu werden, wenn er die entsprechenden Pflichten nicht einhält.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

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