Beim Bundesgerichtshof (4 StR 378/10) lag mal wieder eine Sache, die einen aus dem Staunen nicht wieder herauskommen lässt: Auf der Richterbank kam eine Richterin dem Verteidiger gleich namentlich so bekannt vor. Irgendwas war da doch mal in der Vergangenheit – und in der Tat erinnerte er sich auch später. Beim BGH liest sich das dann so:
Im Rahmen ihrer damaligen Tätigkeit als Staatsanwältin bei der Staatsanwaltschaft München I hat die jetzige Richterin am Landgericht mit Verfügung vom 28. August 2007 dem Vertreter des Geschädigten R. , Rechtsanwalt Sch. , auf dessen Antrag Akteneinsicht gewährt, eine Frist für eine eventuelle Stellungnahme eingeräumt und den Zeitpunkt der Wiedervorlage bestimmt (Bd. I Bl. 68 d.A.).
Immerhin, auch mal was neues: Da hat die Dame zuerst die Anklage als Staatsanwältin (zum Teil) bearbeitet und sitzt später in der Sache auf der Richterbank. Der Laie weiss (hoffentlich), dass Ankläger und Richter in einer Person sich irgendwo beissen, deswegen schreibt die StPO im §22 auch ausdrücklich:
Ein Richter ist von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen […] wenn er in der Sache als Beamter der Staatsanwaltschaft, als Polizeibeamter, als Rechtsanwalt des Verletzten oder als Verteidiger tätig gewesen ist
Die Richterin scheint hier kein Problem gesehen zu haben, der BGH am Ende schon: Zu Recht wird darauf verwiesen, dass der Begriff „Tätigkeit“ beim oben zitierten §22 StPO weit auszulegen ist und jede amtliche Handlung ausreichend ist, die „geeignet ist, den Sachverhalt zu erforschen oder den Gang des Verfahrens zu beeinflussen“. Auf Wesentlichkeit oder Bedeutung kommt es nicht an. Ganz am Rande verweist der BGH darauf, dass dies schon seit gut 30 Jahren feststeht. Nun darf sich ein anderes Gericht um die Sache kümmern
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