Vorwurf Vergewaltigung: Beweiswürdigung in Aussage-gegen-Aussage-Konstellationen

Anforderungen an die Glaubhaftigkeit der Zeugenangaben beim Vorwurf der : Der (BGH) hat mit Beschluss vom 28. August 2024 (Az. 4 StR 197/24) eine Entscheidung getroffen, die die Anforderungen an die Beweiswürdigung in Fällen von Aussage gegen Aussage präzisiert. Die Entscheidung ist von erheblicher Bedeutung für die Praxis, insbesondere bei Vorwürfen schwerwiegender Straftaten wie Vergewaltigung, bei denen häufig keine objektiven Beweise vorliegen.

Im Mittelpunkt des Verfahrens stand die Frage, ob die Verurteilung eines Angeklagten wegen Vergewaltigung allein auf die Aussage der Nebenklägerin gestützt werden durfte, obwohl diese widersprüchlich war und das Verfahren hinsichtlich weiterer Tatvorwürfe eingestellt worden war. Der BGH hob das Urteil des Landgerichts Aachen teilweise auf und verwies die Sache zurück. Die Entscheidung hebt hervor, dass die Gerichte in solchen Fällen besonders strenge Maßstäbe an die Glaubhaftigkeit der Zeugenaussagen anlegen müssen.

Sachverhalt

Der Angeklagte war vom wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit vorsätzlicher zu einer von drei Jahren und drei Monaten verurteilt worden. Zudem wurden ihm die entzogen und eine für deren Neuerteilung angeordnet. Die Verurteilung stützte sich maßgeblich auf die Aussagen der Nebenklägerin, die schilderte, der Angeklagte habe sie in ihrer Wohnung misshandelt und vergewaltigt.

Bemerkenswert war, dass die Nebenklägerin in ihrer polizeilichen Vernehmung angegeben hatte, der Angeklagte habe lediglich versucht, vaginal in sie einzudringen. In der sprach sie hingegen von einem vollendeten vaginalen Eindringen. Trotz dieses Widerspruchs hielt das Landgericht die Aussage für glaubhaft. Darüber hinaus war ein weiterer Tatvorwurf der versuchten Erpressung gemäß § 154 Abs. 2 eingestellt worden, ohne dass das Gericht dies in seiner Urteilsbegründung näher erläuterte.

Der BGH hob die Verurteilung teilweise auf, weil die Beweiswürdigung des Landgerichts erhebliche Lücken aufwies.

Rechtliche Bewertung

1. Beweiswürdigung bei Aussage gegen Aussage

Der BGH betonte, dass bei -Konstellationen besonders hohe Anforderungen an die Beweiswürdigung zu stellen sind. Das Tatgericht müsse erkennen lassen, dass es alle Umstände sorgfältig abgewogen habe, die für oder gegen die Glaubhaftigkeit der Aussage sprechen. Dazu gehören insbesondere:

  • Eine genaue Analyse der Aussageinhalte,
  • Die Prüfung der Entstehungsgeschichte der Aussagen,
  • Die Bewertung möglicher Aussagemotive,
  • Die Überprüfung der Konstanz, Detailliertheit und Plausibilität der Angaben.

Zentral ist dabei die Frage, ob die Aussage der Nebenklägerin als einzige Grundlage für eine Verurteilung ausreicht. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH genügt die Aussage eines einzigen Belastungszeugen zwar grundsätzlich, sie muss jedoch besonders sorgfältig geprüft werden, wenn keine weiteren Beweismittel vorliegen.

Im vorliegenden Fall kritisierte der BGH, dass das Landgericht die widersprüchlichen Aussagen der Nebenklägerin zum vaginalen Eindringen zwar erkannt, aber nicht hinreichend gewürdigt habe. Die Begründung, die Nebenklägerin habe mit dem Begriff „Versuch“ lediglich ausdrücken wollen, dass der Geschlechtsverkehr „komplikationsbehaftet“ gewesen sei, reiche nicht aus, um den erheblichen Widerspruch plausibel zu erklären.

2. Bedeutung der Teileinstellung nach § 154 Abs. 2 StPO

Besondere Bedeutung hatte im vorliegenden Fall die Einstellung des Verfahrens hinsichtlich eines weiteren Tatvorwurfs wegen versuchter Erpressung. Der BGH stellte klar, dass in Aussage-gegen-Aussage-Konstellationen auch die Gründe für die Teileinstellung des Verfahrens in die Glaubhaftigkeitsprüfung einfließen müssen.

Die Entscheidung, diesen Tatvorwurf gemäß § 154 Abs. 2 StPO einzustellen, hätte vom Landgericht näher begründet werden müssen, um deutlich zu machen, dass diese Einstellung keine Rückschlüsse auf die Glaubwürdigkeit der Nebenklägerin zulässt. Der BGH kritisierte, dass die Urteilsgründe keine nachvollziehbare Erklärung dafür enthielten, warum die Teileinstellung nicht auch die Glaubhaftigkeit der Aussagen zum Hauptvorwurf beeinträchtigte.

Durch die unzureichende Begründung sah der BGH die Möglichkeit, dass das Gericht unbewusst von der mangelnden Glaubwürdigkeit der Nebenklägerin ausgegangen sein könnte, ohne dies ausdrücklich zu thematisieren. Da nicht ausgeschlossen werden konnte, dass die Verurteilung hierauf beruhte, war die Aufhebung des Urteils unausweichlich.

3. Konstanz und Detailliertheit der Aussage als Glaubwürdigkeitskriterien

Ein weiterer Kritikpunkt des BGH betraf die Konstanz und Detailliertheit der Aussage der Nebenklägerin.

Die Abweichungen zwischen der polizeilichen Vernehmung und der Aussage in der Hauptverhandlung betrafen zentrale Punkte des Tatgeschehens. Gerade in solchen Fällen sei eine besonders sorgfältige Analyse der Aussage erforderlich. Der BGH bemängelte, dass das Landgericht die Widersprüche als bloße sprachliche Ungenauigkeiten abgetan habe, ohne den erheblichen Bedeutungsgehalt dieser Abweichungen zu würdigen.

Insbesondere sei die Erklärung, die Nebenklägerin habe wegen ihrer Persönlichkeit Hemmungen gehabt, über die Einzelheiten zu sprechen, nicht ausreichend plausibel begründet worden. Damit habe das Landgericht die Bedeutung der Aussagekonstanz für die Glaubhaftigkeitsprüfung verkannt.

Rechtsanwalt Ferner zum Vorwurf Vergewaltigung: Beweiswürdigung in Aussage-gegen-Aussage-Konstellationen

Die Entscheidung des BGH ist von erheblicher Bedeutung für die strafrechtliche Praxis. Sie verdeutlicht, dass die Anforderungen an die Beweiswürdigung in Aussage-gegen-Aussage-Konstellationen hoch sind, insbesondere wenn keine weiteren objektiven Beweise vorliegen.

Fazit

Der BGH hat mit seiner Entscheidung klare Maßstäbe für die Beweiswürdigung in Aussage-gegen-Aussage-Konstellationen gesetzt. Die sorgfältige Prüfung von Widersprüchen und die transparente Begründung von Teileinstellungen sind unverzichtbar, um die Rechte des Angeklagten zu wahren und die Urteile revisionsfest zu machen.

Die Entscheidung betont die Verantwortung der Gerichte, Aussagen umfassend und kritisch zu würdigen und auch die Gründe für die Einstellung von Teilen des Verfahrens transparent darzulegen. Damit stärkt der BGH die Rechte von Angeklagten in Verfahren, die allein auf Belastungszeugen gestützt sind, und sorgt zugleich für mehr Rechtsklarheit.

Fachanwalt für Strafrecht & IT-Recht bei Anwaltskanzlei Ferner Alsdorf
Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht mit Schwerpunkt Cybersecurity & Softwarerecht. Ich bin zertifizierter Experte für Krisenkommunikation & Cybersecurity; zudem Autor sowohl in Fachzeitschriften als auch in einem renommierten StPO-Kommentar zum IT-Strafprozessrecht und zur EU-Staatsanwaltschaft.Als Softwareentwickler bin ich in Python zertifiziert und habe IT-Handbücher geschrieben.

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Unsere Kanzlei ist spezialisiert auf Starke Strafverteidigung, seriöses Wirtschaftsstrafrecht und anspruchsvolles IT-Recht inkl. IT-Sicherheitsrecht - ergänzt um Arbeitsrecht mit Fokus auf Managerhaftung.
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