Bei einer Verfahrensverzögerung im Rechtsbeschwerdeverfahren greift die vom BGH entwickelte Vollstreckungslösung – auch bei der Kompensation eines Fahrverbots, so das Oberlandesgericht Hamm, 4 RBs 13/21:
- Die Grundsätze der vom Bundesgerichtshof (BGHSt 51, 124 ff.) entwickelten Vollstreckungslösung bei einer festgestellten rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung sind entsprechend im Bußgeldverfahren anwendbar.
- Eine nach Erlass des erstinstanzlichen Bußgeldurteils eingetretene rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung (hier: rund neun Monate) kann vom Rechtsbeschwerdegericht im Rahmen einer Entscheidung nach § 79 Abs. 6 OWiG dahingehend kompensiert werden, dass ein Teil des verhängten Fahrverbots (hier: eine Woche) als vollstreckt gilt.
So führt das OLG insbesondere aus:
Allerdings war wegen einer nach Erlass des angefochtenen Urteils eingetretenen rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung eine Woche des verhängten Fahrverbots für vollstreckt zu erklären. Grundsätzlich ist zwar eine Verletzung des Beschleunigungsgebotes nur auf eine entsprechende Verfahrensrüge hin zu überprüfen. Für Verzögerungen nach Urteilserlass ist ein Eingreifen des Rechtsmittelgerichts von Amts wegen aber dann geboten, wenn der Betroffene diese nicht frist- und formgerecht rügen kann, weil die Verzögerung erst nach Ablauf der Rechtsmittelbegründungsfrist eingetreten ist (…) Nach der vom Bundesgerichtshof (BGHSt 51, 124 ff.) in Strafsachen entwickelten Vollstreckungslösung wird bei einer festgestellten rechtstaatswidrigen Verfahrensverzögerung zur Entschädigung für die überlange Verfahrensdauer ein bezifferter Teil der verhängten Strafe als vollstreckt ausgesprochen.
Der Ausgleich für einen Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot wird dabei aus dem Vorgang der Strafzumessung herausgelöst, bleibt aber Teil des Rechtsfolgenausspruchs im weiteren Sinne. Die notwendige Kompensation für rechtsstaatswidrige Verzögerungen des zugrunde liegenden Verfahrens bildet einen eigenständigen, allein an den Maßstäben des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK orientierten Prüfungsvorgang, der Unrecht, Schuld- und Strafhöhe unberührt lässt. Diese Grundsätze sind auf das Bußgeldverfahren übertragbar (OLG Hamm a.a.O.) In entsprechender Übertragung dieser Grundsätze auf das Bußgeldverfahren hat sich der Senat in Anwendung von § 79 Abs. 6 OWiG unter Abwägung oben aufgeführter Umstände veranlasst gesehen, das Fahrverbot zur Kompensation der eingetretenen Verfahrensverzögerung in der Weise zu reduzieren, dass eine Woche des angeordneten einmonatigen Fahrverbotes als vollstreckt gilt.
Eine darüber hinausgehende Kompensation hielt der Senat im Hinblick auf die geringere Eingriffsintensität des Bußgeldverfahrens nicht für erforderlich.
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