Personenbeförderungsrecht: Unzuverlässigkeit eines Taxiunternehmers

Das Verwaltungsgericht Neustadt (3 L 1063/14.NW) hat sich mit der Annahme der Unzuverlässigkeit eines Taxiunternehmers beschäftigt und festgestellt:

  • Die Genehmigungsbehörde darf trotz vorgelegter Bescheinigungen des Finanzamts aufgrund eigener, originärer Prüfungskompetenz der Frage nachgehen, ob ein Taxiunternehmer die Buchführungspflicht erfüllt.
  • Nach § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Buchst. d PBZugV können schwere Verstöße gegen abgabenrechtliche Pflichten die Annahme der Unzuverlässigkeit eines Taxiunternehmers rechtfertigen.
  • Die umsatzsteuerrechtlichen Pflichten eines Taxiunternehmers werden durch die Führung und Vorlage von Schichtzetteln, auch wenn sich dieses Gebot nicht unmittelbar aus dem Personenbeförderungsgesetz, sondern aus steuerrechtlichen Vorschriften ergibt, erfüllt.
  • Übrigens: Auch dass vorher ein wegen Verstosses gegen die Vertraulichkeit des Wortes nach §153 StPO eingestellt wurde, wurde vom Gericht negativ herangezogen.


Aus der Entscheidung:

Entscheidend spricht hier für eine Unzuverlässigkeit des Antragstellers, dass er seinen abgabenrechtlichen Pflichten nicht nachgekommen ist und wohl auch in Zukunft nicht nachkommen würde.

In § 1 Abs. 1 Satz 1 PBZugV werden beispielhaft und nicht abschließend verschiedene Anhaltspunkte für die Unzuverlässigkeit des Unternehmers genannt, so auch schwere Verstöße gegen die abgabenrechtlichen Pflichten, die sich aus unternehmerischer Tätigkeit ergeben (§ 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Buchst. d PBZugV). Diese haben deshalb nicht allein das Finanzamt zu interessieren, insoweit setzt das Personenbeförderungsrecht keine Verurteilung voraus (Umkehrschluss aus § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 PBZugV). Zweifel an der Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten bestehen aufgrund der sich aus den Erklärungen des Antragstellers ergebenden Buchführung, die ohne Schichtzettel der beschäftigten Fahrer erfolgt. Denn der Antragsteller hat nicht nur gegenüber der Antragsgegnerin erklärt, in seinem Betrieb würden keine Schichtzettel geführt, sondern hat auch in der Antragsschrift vom 2. Dezember 2014 (s. S. 5) unter Berufung auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (Beschluss vom 25. Oktober 2012 – X B 133/11) ausgeführt, solche Unterlagen müssten nicht zwingend geführt werden und könnten demzufolge nicht zur Überprüfung vorgelegt werden.

Die Führung und Vorlage derartiger Belege ist gesetzlich geboten, auch wenn sich dieses Gebot nicht unmittelbar aus dem Personenbeförderungsgesetz, sondern aus steuerrechtlichen Vorschriften ergibt. Gemäß § 22 Abs. 2 Nr. 1 Umsatzsteuergesetz – UStG – sind von Unternehmen, die – wie der Antragsteller – mehrere Fahrer beschäftigen die vereinnahmten Entgelte aufzuzeichnen. Nach § 22 UStG i. V. m. §§ 63 ff. -Durchführungsverordnung – UStDV – müssen die Aufzeichnungen dabei so beschaffen sein, dass es einem sachverständigen Dritten innerhalb einer angemessenen Zeit möglich ist, einen Überblick über die Umsätze des Unternehmens und die abziehbaren Vorsteuern zu erhalten. Dieser Vorgabe wird durch „Schichtzettel“ genügt, aus denen sich der Name des jeweiligen Fahrers, des Datums der Schicht, des Schichtbeginns, des Schichtendes, der „Total- und Besetztkilometer“, der Touren, des Fahrpreises, des Tachostandes, der Fahrten ohne Uhr, der Gesamteinnahme, der Lohnabzüge und der sonstigen Abzüge, der verbleibenden Resteinnahme und der an den Unternehmer abgelieferten Beträge entnehmen lässt (so BFH, Urteil vom 26. Februar 2004
XI R 25/02 –, juris, Rn. 33). Der Antragsteller führt unstreitig Schichtzettel mit einem solchen Inhalt nicht.

Nach der auch von dem Bevollmächtigten des Antragstellers zitierten Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, Beschluss vom 25. Oktober 2012 – X B 133/11 – (juris, Rn.9 m. w. Nachw.) genügen im Bereich des Taxigewerbes – als Erleichterung gegenüber der grundsätzlich bestehenden Pflicht zur Einzelaufzeichnung der Betriebseinnahmen – die Schichtzettel in Verbindung mit den Angaben, die sich auf dem Kilometerzähler und dem Taxameter des einzelnen Taxis ablesen lassen, den Mindestanforderungen an die Aufzeichnungspflicht. Durch diese Erleichterung wird – so der Bundesfinanzhof – den branchenspezifischen Besonderheiten dieses Gewerbes ausreichend Rechnung getragen. Die Aufbewahrung – vorausgesetzt wird also die Führung – der Schichtzettel als Einnahmeursprungsaufzeichnung ist nur dann ausnahmsweise nicht erforderlich, wenn deren Inhalt unmittelbar nach Auszählung der Tageskasse in das in Form aneinandergereihter Tageskassenberichte geführte Kassenbuch übertragen wurde.

Die Buchführung des Antragstellers genügt diesen Anforderungen nicht. Schichtzettel existieren in seinem Betrieb nicht. Nach den Angaben des Antragstellers werden nicht täglich je Fahrzeug die einzelnen Bareinnahmen erfasst und abgerechnet unter Angaben zu Tachoständen, Fahrpreisen, Total- und Besetztkilometern. Er hat vielmehr nur wöchentlich mit den Taxifahrern anhand der Ausdrucke aus den Schicht-Kontrollzählern abgerechnet. Diese Ausdrucke, die nur einige der in Schichtzettel aufzunehmenden Angaben enthalten, entsprechen nicht den Anforderungen, die die dargestellte finanzgerichtliche Rechtsprechung an Schichtzettel stellt. Es fehlen so z. B. Angaben zu Tachoständen, Einnahmen für Fahrten ohne Uhr, Einnahmen aus Krankenfahrten. Die auf den Ausdrucken „Schicht-Kontrollzähler“ mit „SF“ gekennzeichneten Fahrten konnten so teilweise nicht nachvollzogen werden; ordnungsgemäß ausgefüllte Schichtzettel hätten hier zur Aufklärung beitragen können. Der Antragsteller unterhält auch keine einheitliche Tageskasse, deren Ergebnis nach Auszählung unmittelbar in ein Kassenbuch hätte übernommen werden können. Denn Tagesabrechnungen nimmt er nach seinem Vorbringen nicht vor. Die Einnahmen des Antragstellers setzen sich vielmehr aus den wöchentlichen Einnahmen der einzelnen Fahrer zusammen, die erst in ihrer Summe das jeweilige Wochenergebnis des Betriebs ergeben. Damit genügt der Antragsteller nicht den von dem Bundesfinanzhof für das Taxigewerbe anerkannten erleichterten Anforderungen der Buchführung. Denn die Aufbewahrung der Schichtzettel, die also geführt werden müssen, im Taxigewerbe als Einnahmeursprungsaufzeichnungen ist nach dem von dem Bevollmächtigten des Antragstellers angeführten BFH-Beschluss vom 25. Oktober 2012 gerade nur entbehrlich, wenn deren Inhalt täglich sowie unmittelbar nach Auszählung der Tageskasse in das in Form aneinandergereihter Tageskassenberichte geführte Kassenbuch übertragen wird. Eine derartige Buchführung findet nach den vorliegenden Erkenntnissen in dem Betrieb des Antragstellers indessen nicht statt.

Dieser Missachtung der Pflichten nach §§ 145 ff. – AO – lässt sich nicht entgegen halten, dass Verstöße gegen Buchführungspflichten in der finanzgerichtlichen Rechtsprechung allein zur gemäß § 162 AO führen (so aber VG HH, Beschluss vom 19. März 2009 – 15 E 555/09 –, juris). Dies schließt nicht aus, darin zugleich Verstöße gegen die abgabenrechtlichen Pflichten im Sinne des § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 Buchst. d PBZugV zu sehen, weil §§ 145 f. AO die Funktion haben, eine ordnungsgemäße Buchführung zu belegen und daher im Rahmen des Besteuerungsverfahren zu den „Mitwirkungspflichten“ gehören (so OVG HH, Beschluss vom 24. Juni 2009 – 3 Bs 57/09 –, juris, Rn. 46 ff.).

Auch soweit der Antragsteller Unbedenklichkeitsbescheinigungen des Finanzamts vorgelegt hat, bedeutet dies nicht, dass Verstöße gegen Buchführungspflichten nicht vorlägen. Zwar wird vertreten, dass, sofern Unbedenklichkeitsbescheinigungen der Finanzämter vorgelegt werden, die aus den Buchführungsvorschriften der §§ 146 f. AO resultierenden Verpflichtungen als solche nicht im personenbeförderungsrechtlichen Genehmigungsverfahren zwischen dem Antragsteller und der Genehmigungsbehörde gelten würden mit der Folge, dass die Genehmigungsbehörde allein eine gezielte, auf § 30 Abs. 4 Nr. 5 AO gestützte Anfrage an das Finanzamt richten, aber nicht auf die Unzuverlässigkeit schließen dürfe (OVG HH, a.a.O., juris, Rn. 48 f.). Dabei wird indessen verkannt, dass die Zulässigkeitsvoraussetzungen für eine Anfrage der Genehmigungsbehörde nach § 30 Abs. 4 Nr. 5 AO sehr hoch sind. Es müsste hierfür ein zwingendes öffentliches Interesse bestehen, namentlich müssten Verbrechen und vorsätzliche schwere Vergehen gegen Leib und Leben oder gegen den Staat und seine Einrichtungen verfolgt werden bzw. Wirtschaftsstraftaten verfolgt werden, die nach ihrer Begehungsweise oder wegen des Umfangs des durch sie verursachten Schadens geeignet sind, die wirtschaftliche Ordnung erheblich zu stören oder das Vertrauen der Allgemeinheit auf die Redlichkeit des geschäftlichen Verkehrs oder auf die ordnungsgemäße Arbeit der Behörden und der öffentlichen Einrichtungen erheblich zu erschüttern, oder die Offenbarung muss erforderlich sein zur Richtigstellung in der Öffentlichkeit verbreiteter unwahrer Tatsachen, die geeignet sind, das Vertrauen in die Verwaltung erheblich zu erschüttern. Diese Voraussetzungen werden in Verfahren wie diesem kaum erfüllbar sein mit der Folge, dass der vom OVG HH aufgezeigte Weg kaum gangbar wäre. Die Vorschrift des § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 Buchst. d PBZugV liefe vor diesem Hintergrund leer, was mit Sinn und Zweck der Vorschrift schwerlich vereinbar wäre.

Darüber hinaus ist Folgendes zu beachten: Vorgelegte Unbedenklichkeitsbescheinigungen belegen lediglich die pünktliche Erfüllung der Steuererklärungspflichten und Steuerzahlungen sowie das Nichtvorliegen von Steuerstrafen bzw. Geldbußen wegen Steuervergehen, Insolvenzverfahren und eidesstattlichen Versicherungen. Etwaige Unstimmigkeiten lassen sich durch Unbedenklichkeitsbescheinigungen nicht erläutern, ganz zu schweigen davon, dass die nicht unrealistische Möglichkeit erheblicher unversteuerter Einnahmen bei Taxiunternehmen nur dann in der Bescheinigung des Finanzamts Niederschlag findet, wenn eine solche z. B. nach einer Steuerprüfung strafrechtlich geahndet wurde. Vor diesem Hintergrund darf die Genehmigungsbehörde trotz vorgelegter Bescheinigungen des Finanzamts aufgrund eigener, originärer Prüfungskompetenz (vgl. hierzu OVG HH, Beschluss vom 24. Juni 2009 – 3 Bs 57/09 –, juris, Rn. 30 ff., 52 f.) der Frage nachgehen, ob die Buchführungspflicht erfüllt ist. Aus der Nichtvorlage derartiger steuerrechtlicher Unterlagen darf dann auch auf die Unzuverlässigkeit geschlossen werden (s. zu allem Vorstehendem VG Berlin, Beschluss vom 10. August 2011 – 11 L 352.11 –, juris, Rn. 13f.).

Die hier vorliegende fehlende Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten, wie sie der Bundesfinanzhof in seiner auch von dem Bevollmächtigten des Antragstellers angeführten Rechtsprechung definiert, ist damit geeignet, die Unzuverlässigkeit des Antragstellers nach § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 PBefG i. V. m. § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Buchst. d PBZugV darzutun.

Vor diesem Hintergrund ist im vorliegenden Verfahren der Frage der Leistungsfähigkeit des Betriebs des Antragstellers nach § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 PBefG nicht nachzugehen, obwohl sie sich aufgrund der Auslastung der einzelnen Taxis, die sich aus den Ausdrucken aus den Schicht-Kontrollzählern ergibt, aufdrängt.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

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