Facebook-Account gehackt: Erkennungsdienstliche Behandlung angezeigt?

Als Strafverteidiger muss ich mich am Rande durchaus häufig mit der Problematik der „erkennungsdienstlichen Behandlung“ auseinandersetzen. Es ist dabei durchaus als üblich zu bezeichnen, dass bereits bei Ersttätern und Bagatelltaten wie solche erkennungsdienstlichen Behandlungen angeordnet werden. Die insgesamt 3 Ermächtigungstatbestände die es hier gibt und die zudem recht konturlos sind, ermöglichen den Behörden an dieser Stelle sehr viel Spielraum. So musste ich etwa auf verwaltungsrechtlichem Wege verhindern, dass jemand einer ED-Behandlung unterzogen wird, weil er Bengalos im Fussballstadion gezündet hatte.

Jedenfalls aber, wenn irgendein Bezug zu sexuellen Handlungen besteht – selbst wenn diese nicht strafwürdig sind – muss man damit rechnen, dass eine ED-Behandlung angeordnet wird. Eine aktuelle Entscheidung, bei der es vordergründig „nur“ um den Hack eines Facebok-Accounts geht, verdeutlicht dies.

Das Verwaltungsgericht Aachen (6 K 1496/12) hat die – jedenfalls scheinbar – nach einem Facebook-Hack bestätigt.

Im Kern ging es darum, dass ein im Jahr 1997 geborenes Mädchen von einem gut 20 Jahre älteren Mann im Jahr 2011 (das Mädchen war gerade 14 Jahre alt) zu einer „Beziehung“ (so die Wortwahl des Mannes) gedrängt wurde (Wortwahl der Familie des Mädchens, die dem wohl auch eher gerecht werden dürfte). Hier gab es dann auch Vorwürfe der sexuellen Belästigung und , die sich aber letztlich nicht erwiesen haben, so dass das Verfahren diesbezüglich eingestellt wurde, mangels Tatverdacht nach §170 II StPO.

Daneben gab es einen zweiten Tatkomplex: In dem Facebook-Account des Mädchens wurden Nachrichten von einem Dritten mit sexuellem Inhalt verfasst, die als beleidigend einzustufen waren. Es bestand der Verdacht, dass diese Nachrichten von dem Mann stammten, was ihm ebenfalls nicht nachgewiesen werden konnte – gleichwohl verblieb in den Akten ein „Restverdacht“. Das Verwaltungsgericht Aachen hat diesen „Restverdacht“ dann verdichtet (Randnummer 32 der Entscheidung) und ging davon aus, dass es tatsächlich der Mann war.

Hinweis: Dies ist hier tatsächlich möglich! Auch wenn im Rahmen des Strafverfahrens/Ermittlungsverfahrens wegen der Unschuldsvermutung davon ausgegangen werden muss, dass er es nicht war, kann im Rahmen des Verwaltungsverfahrens ein ganz anderer Schluss gezogen werden – ebenso auch in einem zivilrechtlichen Verfahren.

Darüber hinaus hat sich das Verwaltungsgericht dann nochmals mit der gesamten Geschichte auseinandergesetzt und erkannt, dass es eindeutig sexuelle Kontakte gegeben hat, die zwar nicht strafbar, für das Gericht aber „bedenklich“ gewesen sind. Dabei sieht das Verwaltungsgericht gar eine hypothetische Strafbarkeit und äußert, was in einem Strafverfahren undenkbar wäre:

Wäre das Mädchen nur unwesentlich jünger gewesen, nämlich etwa ein halbes Jahr, wäre das Verhalten des Klägers ungeachtet einer etwaigen Zustimmung des Mädchens strafbar gewesen.

Letztlich wird im Gesamtbild festgestellt -wenn auch nicht ausdrücklich geschrieben – dass es wohl nur Zufall und in Teilen ein Beweisproblem war, dass hier keine Strafbarkeit im Raum steht. In einer Gesamtwürdigung der charakterlichen Eigenschaften des Mannes (Randnummer 41) sieht das Gericht am Ende die Gefahr, dass sich im Hinblick auf die Gefährdung der sexuellen Selbstbstimmung das Ganze wiederholen könnte – dann vielleicht auch mit Jüngeren:

Es liegen bei Berücksichtigung der deutlich gewordenen Persönlichkeitsmerkmale des Klägers sowie der Umstände der Anlassstraftat ausreichende Anhaltspunkte dafür vor, dass er künftig, etwa im Bereich der Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung oder der Beleidigung, in den Kreis potenziell Verdächtiger einbezogen werden könnte.

Der Hack des Facebook-Accounts ist dabei am Ende nur der vordergründige „Aufhänger“, mit dem man am Ende zur sexuellen Problematik kommt. Dies alleine wäre auch beim Verwaltungsgericht Aachen kein Anlass für eine ED-Behandlung. Wenn aber die (begründete) Sorge besteht, dass der Bogen zur sexuellen Nötigung geschlagen wird, reicht dies Erfahrungsgemäß den Gerichten um eine ED-Behandlung „durchzuwinken“.

Fazit: Die Unschuldsvermutung im engen Sinne gibt es im verwaltungsgerichtlichen Verfahren bei der Frage der erkennungsdienstlichen Behandlung so nicht. Regelmäßig basiert etwa die Anordnung darauf, dass ein „nur“ mangels Beweismittel eingestellt wurde. Als Faustformel kann man sich merken, dass ein wie auch immer gearteter Bezug zu Sexualtaten durch die Gerichte gerne akzeptiert wird, um eine solche Anordnung zu bestätigen. Auch bei Delikten die typischerweise nur mit ED-Material aufgeklärt werden können ist man willfährig, speziell beim Wohnungseinbruchsdiebstahl.

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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

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