Vertragsrecht: Vertragswidrige Kündigung unter Missachtung der Kündigungsfrist führt zum Schadensersatz

Es ist weniger überraschend als vielmehr interessant, wenn der BGH (III ZR 446/15) nunmehr auch ausdrücklich festgestellt hat, dass eine Vertragspartei, die das Vertragsverhältnis unter Nichtbeachtung einer vereinbarten Kündigungsfrist kündigt, ihre Pflicht zur Rücksicht- nahme nach § 241 Abs. 2 BGB verletzt – und somit eine Pflichtverletzung im Sinne von § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB begeht. Dies hatte der BGH (V ZR 133/08) auch schon früher geklärt, als er feststellte

  1. Eine Vertragspartei, die von der anderen Vertragspartei etwas verlangt, das nach dem Vertrag nicht geschuldet ist, oder ein Gestaltungsrecht ausübt, das nicht besteht, verletzt ihre Pflicht zur Rücksichtnahme nach § 241 Abs. 2 BGB und handelt im Sinne von § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB pflichtwidrig.
  2. Im Sinne von § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB zu vertreten hat die Vertragspartei diese Pflichtwidrigkeit aber nicht schon dann, wenn sie nicht erkennt, dass ihre Rechtsposition in der Sache nicht berechtigt ist, sondern erst, wenn sie diese Rechtsposition auch nicht als plausibel ansehen durfte.

Seinerzeit führte der BGH aus:

Eine Vertragspartei, die von der anderen Vertragspartei etwas verlangt, das ihr nach dem Vertrag nicht geschuldet ist, oder ein Gestaltungsrecht ausübt, das nicht besteht, verletzt ihre Pflicht zur Rücksichtnahme nach § 241 Abs. 2 BGB (…) Danach hat jede Vertragspartei auf die Rechte und Interessen der anderen Partei Rücksicht zu nehmen. Zu diesen Rechten und Interessen gehört auch das Interesse des Schuldners, nicht in weitergehendem Umfang in Anspruch genommen zu werden als in dem Vertrag vereinbart. Wie der Gläubiger von dem Schuldner die uneingeschränkte Herbeiführung des Leistungserfolgs beanspruchen kann, darf der Schuldner von dem Gläubiger erwarten, dass auch er die Grenzen des Vereinbarten einhält (…)

Mit der Entscheidung aus dem Jahr 2009 waren damit schon das Fordern eines nicht zustehenden Kaufpreises oder ein unberechtigter Vertragsverletzungen die eine Schadensersatzpflicht auslösen können – immer unter dem Vorbehalt, dass die Rechtsauffassung des erklärenden Vertragspartners diesem nicht (nachvollziehbar) plausibel erscheinen konnte.

Die nunmehrige Entscheidung macht deutlich, dass (wenig überraschend) auch die Kündigung als Gestaltungsrecht hiervon betroffen ist – und dass als ersatzfähiger Schaden auch ein entgangener Gewinn in Betracht kommt:

Die Pflichtverletzung der Beklagten im Sinne des § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB ist darin zu sehen, dass sie die Kündigung (…) unter Verstoß gegen die vereinbarte Kündigungsfrist von sechs Monaten (…) aussprach und auf Grund dessen die Klägerin (…) von der Versorgung (…) ausschloss. Eine Vertragspartei, die (…) ein Gestaltungsrecht unter Missachtung des vertraglich Vereinbarten ausübt, verletzt ihre Pflicht zur Rücksichtnahme nach § 241 Abs. 2 BGB. Die Klägerin durfte erwarten, dass die Beklagte die vereinbarte Kündigungsfrist einhält und keinen Vertragsbruch begeht (…) Durch die Pflichtverletzung der Beklagten ist der Klägerin ein ersatzfähiger Schaden entstanden. Nach § 252 Satz 1 BGB umfasst der zu ersetzende Schaden auch den entgangenen Gewinn.

Diese nunmehr „abgerundete“ Rechtsprechung hat erhebliche Bedeutung im Vertragsrecht, da bei rechtswidriger Ausübung von Gestaltungsrechten – soweit sie nicht plausibel erscheinen durften – plötzlich Schadensersatzansprüche im Raum stehen. Dies kann mannigfaltig sein, etwa hinsichtlich Kosten für die ersatzweise Inanspruchnahme eines Dritten um den Ausfall zu kompensieren, Anwaltskosten für die weitere Rechtsverfolgung und im Übrigen auch noch entgangener Gewinn.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

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