Haftungsfragen bei selbstfahrenden Autos

Selbstfahrende Autos sind schon längst nicht mehr nur Zukunftsmusik: Inzwischen mehren sich Berichte von ersten Testphasen, die in den USA teilweise sogar schon auf öffentlichen Straßen stattfinden. In Deutschland ist dies derzeit noch undenkbar, da das Wiener „Übereinkommen über den Straßenverkehr“ Kraftfahrzeuge untersagt, die ohne Fahrer auskommen.

Zumindest im Kleinen ist festzustellen, dass autonom betriebene Fahrzeuge durchaus schon der Realität angehören, etwa wenn man an die Fahrzeuge denkt, die in der Lage sind, nahezu selbstständig in Parklücken einzuparken. Auch wenn hierbei der Autofahrer noch selber die Kontrolle ausübt, indem er zwar nicht mehr lenkt, wohl aber über das Gaspedal den Vorgang steuert, zeigt sich, dass zunehmende Automatisierung in den Alltag Einzug hält. Interessant ist dann dabei die Frage, wie an dieser Stelle die Haftung ausgestaltet ist oder ob sich hier Regelungslücken ergeben.

Haftung im Straßenverkehr

Die Haftung im Straßenverkehrsgesetz ist sehr weit formuliert: der Halter eines Kraftfahrzeugs haftet für Schäden, die durch den Betrieb des Fahrzeugs entstanden sind, ohne dass irgendein Verschulden eine Rolle spielen würde. Diese zwingende Haftung des Halters des Kraftfahrzeuges ist letztlich auch der Grund der bestehenden Versicherungspflicht. Sollte ein autonom operierendes Fahrzeug also einen Unfall verursachen, wird die Haftung des Halters des Kraftfahrzeuges unmittelbar im Raum stehen. Wenn man an die aktuellen technischen Lösungen im Bereich der Eintrag Hilfe denkt, wird sich daneben regelmäßig die Frage stellen, ob nicht dem Fahrer des Kraftfahrzeuges, der die ganze Zeit immer noch irgendwo die Kontrolle hatte, ein Verschulden nachzuweisen sein wird. Letztlich wird man aber in jedem Fall regelmäßig die Haftung des Fahrzeughalters vorfinden, so dass hier eine Lücke nicht entstehen wird.

Sollte ein Unfall eines autonom betriebenen Fahrzeugs auftreten, ist vorhersehbar, dass der Halter verständlicherweise darauf hinweisen wird, dass ein Software Fehler vorgelegen haben muss, der für ihn „höhere Gewalt“ darstellt. Tatsächlich kennt das Straßenverkehrsgesetz das unabwendbare Ereignis als solchen Ausnahmefall. Ein solches wird mit der bisherigen Rechtsprechung im Fall eines Softwarefehlers aber wohl nicht anzunehmen sein. Die Rechtsprechung ist in diesem Bereich äußerst kritisch und möchte nur die Vorfälle erfassen, die selbst unter absolut idealen Bedingungen nicht vorherzusehen sind. Tatsächlich ist aber davon auszugehen, dass entsprechend der bisherigen Rechtsprechung, dem Halter dem Fahrer vorgehalten werden wird, dass ein Ausfall oder Defekt einer Steuersoftware gerade zu dem gehört, womit man beim Betrieb eines Kraftfahrzeugs rechnen muss. Insoweit erwarte ich nicht, dass hier irgendwelche Privilegierungen geschaffen werden.

Besonderheit: Produkthaftung

Es zeigt sich im Ergebnis, dass eine Haftung nach außen hin sichergestellt ist, schon jetzt ist also nicht von einer Regelungslücke zu sprechen. Gleichwohl stellt sich dann als nächstes die Frage, wie damit umzugehen ist, dass der Halter haften soll während vielleicht tatsächlich ein Fehler einer Steuerungssoftware für den Unfall ausschlaggebend ist. Auch wenn hier eine Versicherung den Halter absichern wird, wird letztlich dann die Versicherung nach einem Regress gegenüber dem Fahrzeughersteller fragen.

Auch hier zeigt sich, dass problemlos eine Einstandspflicht des Fahrzeugherstellers besteht. Anzumerken ist, dass der Fahrzeughersteller selbstverständlich im Rahmen seiner vertraglichen Verpflichtungen eine Gewährleistung schuldet, so dass vorrangig immer zu fragen ist, ob nicht vertragliche Ersatzansprüche bestehen, so dass bereits auf diesem Wege Schadensersatz gefordert werden kann. Gerade Kraftfahrzeuge werden aber dauerhaft genutzt und mitunter auch gebraucht verkauft, so dass absehbar ist, dass auf mittelfristige Sicht vertragliche Ansprüche gegenüber dem Kraftfahrzeughersteller scheitern würden. Die verschuldensunabhängige Produkthaftung eröffnet hier dann mehr Spielraum.

Da die den autonomen Betrieb steuernde Software als Teil des Kraftfahrzeugs mitgeliefert wird, wird es hier keine Diskussionen geben und das Kraftfahrzeug problemlos als Produkt im Sinne des Produkthaftungsgesetzes einzustufen sein. Auch spielt keine Rolle, wo hier die Steuersoftware letztendlich stammt, solange sie zusammen mit dem Kraftfahrzeug in den Verkehr eingeführt wurde würde Herstellers Kraftfahrzeuges als Hersteller im Sinne des Produkthaftungsgesetzes heranzuziehen sein. Sofern die Software dann tatsächlich von Anfang an fehlerhaft war und dies vor Gericht nachgewiesen werden kann wäre die Produkthaftung eröffnet.

Vorsicht: Produkthaftung wegen mangelnder Instruktion

Es gibt eine Besonderheit, die in diesem Rahmen wahrscheinlich eine Rolle spielen wird: eine Produkthaftung kann auch eintreten, wenn das Produkt am sich zwar fehlerfrei ist, aufgrund notwendiger aber nicht erfolgter Instruktion dann letztendlich aber ein Bedienungsfehler auftrat. Bei Kraftfahrzeugen ist dies bisher eher wenig praxisrelevant, da jeder der ein Kraftfahrzeug führen möchte, erst einmal einen machen muss. Durch die genormten Bedienelemente und die zwingend vorgesehene Schulung zum Führen von Kraftfahrzeugen (Führerschein) stellen sich in diesem Bereich bisher keine praxisrelevanten Fragen. Mit zunehmend autonomen Kraftfahrzeugen kann und wird sich dies aber ändern! Je mehr Funktionen hier geboten werden, umso mehr werden Kraftfahrzeughersteller in der Pflicht sein, ausreichende Instruktionen für die Endanwender bereitzuhalten. Unfälle, die aufgrund von Bedienungsfehlern auftreten, werden in Zukunft immer mehr die Frage aufwerfen, ob hier ein Instruktionsfehler vorlag und ob dieser dann zu einer Produkthaftung führt.

Angerissen: andere Fragen

Nur am Rande zu erwähnen ist, dass sich neben den Haftungsfragen zahlreiche weitere Fragen bei selbstständig operierenden Fahrzeugen stellen. Gerade im Straßenverkehr gibt es zahlreiche Pflichten, die sich mit autonom operierenden Kraftfahrzeugen oder gar ferngesteuerten Kraftfahrzeugen nicht vereinbaren lassen. So seltsam es klingt, ist dennoch daran zu denken, dass etwa der Kraftfahrzeugführer auf Verlangen seinen Verbandskasten vorzeigen muss oder nach einem Unfall ein Warndreieck aufstellen muss. So sehr ferngesteuerte Fahrzeuge auch Zukunftsmusik sind soll dies im Kleinen verdeutlichen, dass hier dann doch sehr viel gesetzgeberische Arbeit notwendig wäre.

Andere Fahrzeuge

Es lohnt sich auch der Blick auf andere Fahrzeuge, fern ab des Straßenverkehrs. So gibt es bereits in Deutschland eine vollkommen autonom und führerlos fahrende U-Bahn.

Interessant wird es dann aber nochmal mit dem Blick auf Drohnen, insbesondere wenn man bedenkt, dass die Privatwirtschaft – gerade im Logistikbereich – überlegt, Geld durch den Einsatz selbstständig fliegender Drohnen einzusparen. Die Entwicklung hier ist noch vollkommen unabsehbar, jedenfalls derzeit wäre ein solcher Einsatz in Deutschland wohl rechtlich unzulässig. Mit dem Gesetz ist hierzulande der Einsatz solcher Drohnen, abgesehen vom Privatvermögen, lediglich den Ordnungsbehörden vorbehalten. Sollte es zu einem Unfall mit einer von einer Ordnungsbehörde eingesetzten Drohnen kommen, wird man im Zuge der üblichen Regularien der Staatshaftung problemlos einen Ersatzschadens verlangen können. Sofern ein Unfall durch eine privat betriebene Throne eintritt – sofern dies zulässig ist bzw. sein wird – fehlt der Luxus einer verschuldensunabhängigen Haftung im Straßenverkehr. Hier wird wenn, dann eine Haftung nur bei Verschulden eintreten wobei dann interessant sein wird, welche sorgfältige Maßstäbe die Rechtsprechung hier entwickeln wird. Ich rechne allerdings damit, dass im Fall der Zulassung von Drohnen für Einsatzgebiete wie der Logistik ein speziell hierfür erstelltes Gesetz in Kraft treten wird, dass sich an den Regularien des Straßenverkehrsgesetzes, insbesondere der dortigen Haftung, orientiert. Letztlich, aufgrund der hier noch in erheblichem Umfang notwendigen technischen und gesetzgeberischen Entwicklung, kann auch dies als reine Zukunftsmusik bezeichnet werden.

Ergebnis

Es zeigt sich im Gesamtergebnis, dass jedenfalls im Rahmen des Straßenverkehrs das deutsche Recht die Möglichkeit bereithält, der neuen Fragestellungen Herr zu werden. Eine Haftungslücke ist jedenfalls nicht abzusehen. Anders aber werden Fahrzeughersteller darauf achten müssen, den sich neu ergebenden Markt im Bereich der Produkthaftung wegen mangelhafter Instruktion frühzeitig zu erkennen. Anders herum werden sicherlich an Fahrzeugführer erhöhte Anforderungen gestellt werden, hinsichtlich der Auseinandersetzung mit Bedienungsanleitungen zu Kraftfahrzeugen, die heute gerne unbeachtet bleiben. Letztlich wird sich dabei allerdings sicher auch die Frage stellen, ob es in Zukunft bei zunehmend komplex werdenden Kraftfahrzeugen überhaupt ausreicht, eine gedruckte Anleitung mitzuliefern. Vielleicht wird es bei speziellen Anwendungen von Anfang an klüger sein, dass mit dem Auto gewisse „Schulungsvideos“ mitgeliefert werden.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

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