Bundesverkehrsministerium: Alte Verkehrsschilder weiterhin gültig (Update)

In einer Pressemitteilung des Bundesverkehrsministeriums ist zu lesen:

Die Novelle ist wegen eines Verstoßes gegen das verfassungsrechtlich verankerte Zitiergebot nichtig. Das bedeutet: Es gilt weiterhin die StVO in der Fassung vor dem 1. September 2009. Die alten Schilder müssen nicht ausgetauscht werden.

Ob das so stimmt ist fraglich, da mir schleierhaft ist, wo hier das Zitiergebot des Art. 19 GG betroffen sein soll, das – entgegen dem Wortlaut im – laut gerade nicht bei jedem Grundrechtseingriff gilt, sondern nur sehr restriktiv anzuwenden ist. Nicht zuletzt mit Blick darauf, dass hier nur ein materielles und kein formelles Gesetz (die StVO ist nun einmal eine Verordnung!) betroffen ist, bleiben Bedenken angesichts dieses Hinweises. Anders wäre es zu beurteilen, sofern es – was hier nicht der Fall ist – um die Ermächtigung zum Erlass der Verordnung an sich ginge. Diese Aussage ist m.E. zur Zeit noch mit Vorsicht zu genießen, ich werde es prüfen und hier später kommentieren.

Hinweis: Beachten Sie zum Thema „ungültige Verkehrsschilder“ bitte unsere Zusammenfassung der verschiedenen bei uns erstellten Artikel, zu finden hier.

Aktualisierter Hinweis:
Für mich ist nicht klar, worauf sich beim Verkehrsministerium bezogen wird. In Frage kommt einmal das eigentlich Zitiergebot aus Art. 19 GG, daneben kann aber auch Art. 80 GG in Frage stehen. Dazu wie folgt.
Bzgl. dem Zitiergebot in Art 19 GG: Geändert wurde die StVO via Bundesgesetzblatt I aus dem Jahr 2009 ab Seite 2631. Wie von mir vermutet erfolgte die Änderung durch eine Verordnung. Beim Zitiergebot des Art. 19 GG geht es aber um formelle Bundes- und Landesgesetze (Maunz/Dürig, Art. 19, Rn.48). Eine Verordnung ist nur insofern betroffen, als dass der Gesetzgeber die Ermächtigung zum Erlass einer Verordnung beschliesst, was wiederum (mittelbar) zu Grundrechtsbeeinträchtigungen führen kann (Epping/Hillgruber, Art. 19). Im Ergebnis ist für mich zur Zeit hoch fragwürdig, ob und wie das Zitiergebot bei einer Verordnung ein problem darstellen soll, die zur Änderung einer bereits bestehenden Verordnung verkündet wurde.
Sofern man den Art. 80 I 2 GG heranzieht bleibt festzuhalten, dass dieser sich auf die eigentliche Ermächtigung zum Erlass von Verordnungen überhaupt bezieht und nicht auf die später daraufhin ergangenen, einzelnen Verordnungen (Maunz/Dürig, Art. 80, Rn.38ff.). Sofern also nicht ernsthaft vom Verkehrsministerium behauptet werden möchte, dass man mit der Ermächtigungsgrundlage zum Erlass von Rechtsverordnungen insgesamt ein Problem hat – was zur Folge hätte, dass man prüfen müsste, welche mitunter zahlreichen Verordnungen seitens des Verkehrsministeriums insgesamt nichtig wären – sehe ich auch hier keinen Einstieg.
Beim Art. 80 I 3 GG besteht durchaus die Möglichkeit, dass man vielleicht ein Problem gefunden hat – wenn etwa eine Ermächtigungsnorm gar nicht oder nur teilweise aufgezählt wurde. Hier aber gibt es diverse Meinungsstreits, z.B. wie genau die Norm benannt sein muss. Sollte das Ministerium sich hierauf berufen, wird man es nicht ganz von der Hand weisen können, muss aber im Detail und haarklein prüfen, wie die Sachlage aussieht – auch beim Art. 80 I 3 GG scheint das BVerfG eher restriktiv vorzugehen.

Ausschlaggebend sollte aber die Aussage sein, dass man den gestrichenen §53 IX StVO wieder aufnehmen möchte. Es ist daher in den nächsten Wochen mit einer Klärung zu rechnen.

Vorher hier in den News:

Update:
Mich erreichte eine Mail mit Hinweis auf die Ausführungen hier in einem Blog. Es scheint sich also in der Tat um Art. 80 I 3 GG zu handeln, dabei ist die Kombination aus den Ermächtigungsgrundlagen wohl falsch. Wie dies zu bewerten ist, liegt aber nicht auf der Hand: Wie ich schon vorher oben geschrieben habe, ist die Behandlung von Fehlern bei Sammel-Ermächtigungsvorschriften umstritten und keineswegs klar. Jedenfalls waren sich Epping und Maunz/Dürig nicht einig, ich hoffe morgen Vormittag hier nachlegen zu können.

Bis dahin gibt es zwei Möglichkeiten: Einmal dass bei einer gesammelten Verweisen gleich alles Nichtig sein soll, sofern eine verwiesene Norm fehlerhaft ist. Oder dass nur die Änderungen nichtig sind, deren Ermächtigungsgrundlage fehlerhaft zitiert ist. Auf den ersten Blick scheint das Zitat bzgl. der Streichung des §53 IX StVO richtig zu sein, so dass diese Frage hier relevant wäre. Ob eine „Korrektur“ eines einfachen Schreibfehlers – wie im Kommentar im verlinkten Blog vermutet – möglich wäre, möchte ich erst einmal bezweifeln. Aber sowohl die nur teilweise Nichtigkeit als auch die „korrigierende Lesart“ würden sehr gut zur sehr restriktiven Handhabung des Zitiergebotes (sei es bei Art. 19 GG, als auch bei Art. 80 GG) durch das BVerfG passen. Die vollständige Nichtigkeit der gesamten Norm ist damit eine zwar bestehende, aber äußerst unwahrscheinliche Möglichkeit – und der Verdacht, dass dies nur bejaht wird weil es gerade politisch hilfreich ist, liegt Nahe.

Rechtsanwalt Dieter Ferner (Fachanwalt für Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Dieter Ferner (Fachanwalt für Strafrecht)

Rechtsanwalt Dieter Ferner ist Fachanwalt für Strafrecht und Anwalt in der Anwaltskanzlei Ferner Alsdorf. Spezialgebiete von RA DF: Verkehrsstrafrecht, Kapitalstrafsachen, Drogendelikte, Sexualstrafrecht und Arbeitsstrafrecht.

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