Zur Haftung des Kegelbahnbetreibers bei einer Verletzung (Update)

Kegelbahnen behaupten sich bis heute einer gewissen Faszination, dabei kann es mitunter – etwa wenn die Spieler leichtsinnig werden – zu erheblichen Verletzungen  kommen. Dem Amtsgericht Lemgo (20 C 403/10) lag nun folgender Sachverhalt vor, auf Grund dessen Schadensersatz verlangt wurde:

Der Kläger geriet mit seinem linken Mittelfinger zwischen einer auf dem Rücklauf befindlichen Kugel und einer weiteren zurücklaufenden Kugel. Hierbei erlitt der Kläger eine 2 cm lange Quetschwunde mit Mehrfragmentfraktur. Er behauptet, der Kugelrücklauf habe nicht ordnungsgemäß funktioniert, weil der Kugelsammelkasten nicht auf der Bahn befestigt gewesen sei. Mit jeder zurücklaufenden Kugel habe sich der Sammelkasten ein Stück nach hinten bewegt. Letztendlich habe er deswegen keine Kugeln mehr aufnehmen können, weil der Schwung der Kugeln nicht ausgereicht habe. Er, der Kläger, habe daher eine auf dem Rücklauf befindliche Kugel auf Zuruf seiner Kollegen mit dem Fuß gestoppt. Beim Versuch, die Kugel aufzunehmen, sei es zu dem Unfall gekommen.

Es gab weder Schadensersatz noch Schmerzensgeld. Hinsichtlich des Vorwurfs, die Bahn habe nicht ordnungsgemäß funktioniert, stellt das Gericht (richtigerweise) trocken mit einem Satz fest:

Richtigerweise hätte der Kläger stattdessen sofort Mitteilung an die Hotelleitung geben müssen und das Kegeln einstellen müssen.

Des Weiteren ist mit dem Gericht festzustellen, dass es zumindest leichtsinnig war, sich alleine auf Zuruf der Kollegen in die (offensichtliche) Gefahrensituation zu bringen. Dabei sah es das Gericht als Erwiesen an, dass der Kläger es in grob fahrlässiger Weise unterlassen hat, sich zu vergewissern, dass zeitgleich keine weitere Kugel zurücklief. Diese grobe Fahrlässigkeit wiegt im Ergebnis derart schwer, dass er nach Auffassung des Gerichts letztlich die alleinige Verantwortung für den Schaden trägt.

Hinweis: Man sollte den §254 BGB kennen. Nach diesem ist bei einem Schaden immer zu berücksichtigen, welchen Anteil auch der Geschädigte trägt. Es gibt daher häufig – typisches Beispiel sind Verkehrsunfälle – zwar einen „Schuldigen“, aber dennoch Eigenanteile des Geschädigten, die angerechnet werden, was letztlich die zu zahlende Summe verkleinert. Wichtig – und häufig unbekannt bei Laien – ist dabei die „Schadensminderungspflicht“ von Geschädigten. Diese sind nämlich angehalten, einen Schaden zumindest nicht vorwerfbar im Nachhinein zu vergrössern. Auch hier ein typisches Beispiel aus dem Verkehrsunfallrecht: Wer dem Grunde nach einen Anspruch auf einen Ersatzwagen hat, und sich für den beschädigten Mittelklassewagen dann den Ferrari als Ersatzwagen mietet, wird letztlich nicht die vollen Mietwagenkosten erstattet bekommen.

Update: Die Sache ging in die Berufung und wurde vor dem Landgericht Detmold (10 S 47/11) bestätigt. Das Landgericht dazu noch einmal ausführlich:

[…]
Um die Verletzungsgefahr durch von der Kegelbahn zurücklaufende Kugeln auszuschließen, sind diese ausschließlich aus dem Sammelkasten aufzunehmen. Der Bereich des Kugelrücklaufs stellt dagegen – wie bereits das Amtsgericht zutreffend ausgeführt hat – einen besonderen Gefahrenbereich dar, und zwar sowohl aufgrund des Gewichts der Kugeln als auch ihrer Laufgeschwindigkeit. Nachdem eine Kugel aus dem Bereich des Sammelkastens zurückgerollt war, war für den Kläger hinreichend erkennbar, dass die Anlage offensichtlich nicht (mehr) ordnungsgemäß funktionierte und damit kein sicherer Spielbetrieb möglich war. Die mit dieser Fehlfunktion verbundenen Gefahren hätte der Kläger vermeiden können, wenn er das Spiel daraufhin unverzüglich eingestellt hätte. Selbst wenn der Kläger in dem ersichtlich funktionswidrigen Rückrollen der ersten Kugel zunächst noch keine Anhaltspunkte für eine mangelnde Verkehrssicherheit der Kegelbahn gesehen hätte, ist ihm gleichwohl ein anspruchsausschließendes Mitverschulden anzulasten, weil er sich in dieser Situation ohne Notwendigkeit sorglos in eine Gefahr begeben hat. Wenn der Kläger beabsichtigte, eine Kugel aus dem Rücklaufbereich mit der Hand aufzunehmen, hätte er sich vorher sorgfältig vergewissern müssen, dass sich keine anderen Kugeln im fraglichen Rücklaufbereich befanden oder dort hinzugelangen drohten. Nachdem bereits eine Kugel aus dem Sammelkasten zurückgerollt war, hätte der Kläger gerade auch diesen Bereich besonders aufmerksam beobachten müssen. Diesen Anforderungen ist er nicht gerecht geworden. Sein Verhalten hat das Amtsgericht zu Recht als grob fahrlässig bewertet.

Der Verweis auf seinen „Spieleifer“ vermag den Kläger nicht zu entlasten. Soweit die Berufungsschrift auf zwei Entscheidungen des BGH (veröffentlich in NJW 1978, 1629 und in NJW 1980, 1159 ) verweist, sind diese im Streitfall nicht einschlägig. Der BGH hat sich in beiden Fällen mit Rücksicht darauf, dass sich Kinder und Jugendliche im Rahmen ihres Spieleifers oft unbesonnen verhalten, mit dem Umfang der Verkehrssicherungspflicht bei der Gestaltung von Freizeitanlagen befasst. Um eine mit der naheliegenden Unüberlegtheit von Kindern und Jugendlichen vergleichbare Situation handelt es sich vorliegend indes nicht. Dass das Aufnehmen einer Kugel im Rücklaufbereich risikoträchtig und sehr gefährlich war, hätte dem erwachsenen und lebenserfahrenen Kläger – auch im Überschwang des Spieleifers – bewusst sein müssen, insbesondere war für ihn die Situation nicht unübersehbar. Die Gefahr, die sich beim Kläger verwirklicht hat, war für ihn voraussehbar und ohne weiteres erkennbar.
[…]

Rechtsanwalt Dieter Ferner (Fachanwalt für Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Dieter Ferner (Fachanwalt für Strafrecht)

Rechtsanwalt Dieter Ferner ist Fachanwalt für Strafrecht und Anwalt in der Anwaltskanzlei Ferner Alsdorf. Spezialgebiete von RA DF: Verkehrsstrafrecht, Kapitalstrafsachen, Drogendelikte, Sexualstrafrecht und Arbeitsstrafrecht.

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