Verkehrsunfall: Mietwagen zum Unfallersatztarif ist zu erstattender Schaden

Das Landgericht Düsseldorf (20 S 113/13) hat einem Versicherer erklären müssen, dass der so genannte „Unfallersatztarif durchaus zu erstatten ist und eben nicht grundsätzlichen Bedenken begegnet. Gleichwohl muss erneut daran erinnert werden: Wer sich ein gleichwertiges Fahrzeug mietet, der muss sich einen Abzug wegen ersparter Aufwendungen gefallen lassen. Auch dann, wenn zwar weniger gezahlt wird, dies sich aber als „versteckter Rabatt“ darstellt.

Dazu auch: Unsere Übersicht zur Rechtsprechung des BGH zum Unfallersatztarif

Abzug für Mietwagen gleicher Klasse

Der Kläger muss sich ersparte Eigenaufwendungen auf seinen Schadensersatzanspruch anrechnen lassen, da er ein gleichwertiges Fahrzeug anmietete. Soweit der Autovermieter in seiner Rechnung unmittelbar einen Eigenanteil von 10% abgezogen hat, handelt es sich hierbei faktisch um einen versteckten Rabatt, der dem Kläger gewährt wurde. Da der Eigenanteil aber vom Geschädigten selbst zu tragen ist, ist ein weiterer Abzug von der rabattierten Rechnungssumme vorzunehmen. Die ersparten Eigenaufwendungen schätzt die Kammer in Anlehnung an das Oberlandesgericht Düsseldorf (Urteil vom 03.11.1997, 1 U 104/96, VersR 1998, 1523 ff.) und wegen der geringen mit dem Mietwagen gefahrenen Strecke (372 km) mit einem Pauschalbetrag von 5 % der Mietwagenkosten.

Ersatz des Unfallersatztarifs

Ein Unfallgeschädigter verstößt als Geschädigter nicht allein deshalb gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot, weil er ein Kraftfahrzeug zu einem Tarif mit einem Aufschlag für unfallbedingtem Mehraufwand anmietet, soweit die Besonderheiten dieses Tarifs mit Rücksicht auf die Unfallsituation (etwa die Vorfinanzierung, das Risiko eines Ausfalls mit der Ersatzforderung wegen falscher Bewertung der Anteile am Unfallgeschehen durch den Kunden oder das Mietwagenunternehmen u.ä.) allgemein einen gegenüber dem Normaltarif höheren Preis rechtfertigen, weil sie auf Leistungen des Vermieters beruhen, die durch die besondere Unfallsituation veranlasst und infolgedessen zur Schadensbehebung nach § 249 Abs. 2 BGB erforderlich sind. In Betracht kommt insoweit auch ein pauschaler Zuschlag auf den Ersatztarif (BGH NJW 2013, 1870, 1871; LG Düsseldorf, Urt. vom 02.07.2010, Az. 20 S 24/10).

Die Erforderlichkeit folgt indes im Streitfall nicht schon aus einer Not- oder Eilsituation bei der Anmietung, denn der Kläger hat das Ersatzfahrzeug erst einen Tag nach dem Unfall angemietet. Nach der Rechtsprechung des BGH kann eine Eil- oder Notsituation bei Anmietung einen Tag nach dem Unfall grundsätzlich nicht angenommen werden (BGH NJW 2013, 1870). Umstände, die eine abweichende Beurteilung nahelegen, hat der Kläger nicht vorgetragen. Umgekehrt bedeutet die Anmietung erst einen Tag nach dem Unfall, dass der Kläger dann, wenn Besonderheiten mit Rücksicht auf die Unfallsituation den Aufschlag nicht rechtfertigen sollten, sich nicht darauf berufen kann, ihm sei ein Normaltarif nicht zugänglich (BGH NJW 2006, 2106).

Der Kläger hat jedoch zahlreiche unfallspezifische Kostenfaktoren vorgetragen, von denen einzelne aus Sicht der Kammer den Mehraufwandzuschlag rechtfertigen. Dem steht nicht entgegen, dass der Vermieter im Streitfall in Ermangelung einer Forderungsabtretung keinem besonderen Ausfall- oder Quotenrisiko unterlag. Auch braucht nicht entschieden werden, ob schon das besondere Vorhalten von Fahrzeugen eine unfallspezifische Sonderleistung darstellt (ablehnend: LG Düsseldorf, Urteil vom 13.09.2013, 22 S 17/13). Denn jedenfalls liegt in der vorgenommenen Kreditierung der Fahrzeugvermietung eine erstattungsfähige Sonderleistung. Mit der Vorfinanzierung durch den Vermieter tritt eine oft nicht unerhebliche Zahlungsverzögerung mit einem Zinsverlust ein. Zudem fehlt es dem Vermieter im Unterschied zum normalen Mietwagengeschäft auch an Sicherheiten für die Zahlung des Mietzinses. Eine weitere berücksichtigungsfähige Leistung liegt in dem Verzicht auf verbindliche Vereinbarung eines Rückgabetermins. Diese Leistung ist betriebswirtschaftlich messbar, da diese Ungewissheit dazu führen kann, dass es nicht zu einer nahtlosen Anschlussvermietung und damit zu kostenverursachenden Standzeiten kommt.

Zur Abgeltung des Mehraufwands ist ein pauschaler Aufschlag in Höhe von 20 % aus Sicht der Kammer nicht zu beanstanden (vgl. LG Düsseldorf, Urt. vom 02.07.2010, Az. 20 S 24/10). Dass der Kläger durch Einsatz einer Kreditkarte im Hinblick auf das Vorfinanzierungsrisiko seiner Schadensminderungspflicht hätte genügen können, § 254 Abs. 2 S. 1 BGB, hat die darlegungspflichtige Beklagte (vgl. BGH NZV 2013, 383) nicht vorgetragen.

Auch kann sie sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dem Kläger sei ein günstigerer Tarif ohne Weiteres zugänglich gewesen. Dies stünde zwar der Erforderlichkeit des Preisaufschlags entgegen, doch ist in den Fällen, in denen – wie hier – ein Aufschlag zum Normaltarif grundsätzlich gerechtfertigt ist, der Schädiger beweispflichtig, wenn er geltend macht, dass dem Geschädigten eine günstigere Anmietung möglich und zumutbar war. Es handelt sich nämlich bei dieser Frage ebenfalls um eine solche der Schadensminderungspflicht gemäß § 254 BGB (BGH NJW-RR 2010, 679, 681). Die Beklagte hat jedoch nicht substantiiert darlegen können, dass dem Geschädigten in der konkreten Situation die Anmietung eines preisgünstigeren Fahrzeugs möglich und zumutbar gewesen ist. Der Verweis auf Monate später recherchierte Internet-Angebote ortsnaher Anbieter genügt den insoweit zu stellenden Anforderungen nicht. Denn die Konditionen der mittels Internet-Screen-Shorts vorgelegten Mietangebote sind nicht mit dem tatsächlich abgeschlossenen Mietvertrag vergleichbar. In den Angeboten ist die Mietdauer vorbestimmt, die Fahrzeuge verfügen teils lediglich über eine Handschaltung, die Kilometerleistung ist beschränkt. Weder sind Navigationssystem sowie Freisprecheinrichtung vorhanden, noch ist den Angeboten oder dem klägerischen Vortrag hierzu zu entnehmen, ob Vollkaskoschutz auch ohne Selbstbeteiligung enthalten ist.

LG Münster zur Erstattungsfähigkeit

Auch das Landgericht Münster (03 S 55/15) geht diesen Weg und stellt fest:

Der Normaltarif war vorliegend zu erhöhen, da dieser (…) in der konkreten Unfallsituation nicht zugänglich war. Eine solche Erhöhung ist insbesondere dann in Betracht zu ziehen, wenn es sich um eine Eilanmietung handelte und die Geschädigte nicht über eine Kreditkarte verfügte, sodass eine Vorfinanzierung durch die Klägerin erfolgen musste (…)

Rechtsanwalt Dieter Ferner (Fachanwalt für Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Dieter Ferner (Fachanwalt für Strafrecht)

Rechtsanwalt Dieter Ferner ist Fachanwalt für Strafrecht und Anwalt in der Anwaltskanzlei Ferner Alsdorf. Spezialgebiete von RA DF: Verkehrsstrafrecht, Kapitalstrafsachen, Drogendelikte, Sexualstrafrecht und Arbeitsstrafrecht.

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