Trotz Verstoß gegen Richtervorbehalt: Führerschein weg

Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (10 S 4/10) hat festgestellt, dass die Fahrerlaubnisbehörde durchaus bei der Entscheidung, ob ein entzogen wird, auch eine gegen den Richtervorbehalt entnommene und ausgewertete Blutprobe berücksichtigen darf. Während im Strafverfahren auf diese Blutprobe nicht zurückgegriffen werden durfte, hat dies auf das Verwaltungsverfahren keine Auswirkung, denn: – so das Gericht:

Für den Bereich des Fahrerlaubnisrechts ist weder im Straßenverkehrsgesetz noch in der -Verordnung ein ausdrückliches Verwertungsverbot für nicht richterlich angeordnete körperliche Untersuchungen angeordnet.

Die Entscheidung ist insoweit nichts neues, ich hatte schon von entsprechenden Entscheidungen des VG Berlin, OVG Lüneburg und OVG Rheinland-Pfalz berichtet. Allerdings verdient die Entscheidung insofern beachtung, als dass sich hier ein Verfassungsgerichtshof sehr ausführlich mit der Thematik beschäftigt – und die ohnehin in der Tendenz feststehende Rechtsprechung sicherlich ein Stück weit „zementiert“.

Betroffene, die sich (erfolgreich) auf ein Verwertungsverbot berufen, dürfen daher – speziell mit Blick auch auf das aktuelle Urteil des Bundesverfassungsgerichts (2 BvR 1046/08) zu diesem Thema – auf einen milden Ausgang im Strafverfahren hoffen. Mit Blick auf das Verwaltungsverfahren, speziell die Vergabe von Punkten, Ordnungsgeldern und die Anordnung des Führerscheinentzugs, gibt es hier aber wohl kein Argument.


Aus dem Urteil im Folgenden der Abschnitt zur Verwertbarkeit. Dabei als Hinweis, dass im Strafverfahren das strafprozessuale Verwertungsverbot nicht ausschlaggebend für den Freispruch war. Der VGH hat insofern verschiedene Möglichkeiten durchgeprüft, u.a. ein unterstelltes Verwertungsverbot:

Auch wenn aber ein strafprozessuales Verwertungsverbot unterstellt wird, ist im vorliegenden Verwaltungsverfahren keine entsprechende Bewertung geboten (ebenso Sächsisches OVG, Beschl. v. 01.02.2010 – 3 B 161/08 – juris; OVG Niedersachsen, Urt. v. 14.08.2008 – 12 ME 183/08 – und Beschl. v. 16.12.2009 – 12 ME 234/09 – jeweils juris; OVG Berlin-Brandenburg , Beschl. v. 3.11.2009 – 1 S 205.09 – juris; OVG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 29.01.2010 – 10 B 11226/09 – juris; BayVGH, Beschl. v. 28.01.2010 – 11 CS 09.1443 – juris). Für den Bereich des Fahrerlaubnisrechts ist weder im Straßenverkehrsgesetz noch in der Fahrerlaubnis-Verordnung ein ausdrückliches Verwertungsverbot für nicht richterlich angeordnete körperliche Untersuchungen angeordnet. Ebenso wie im Strafprozessrecht kann daher ein solches Verbot nur unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls unter Abwägung der gegenläufigen Interessen angenommen werden, wobei jedoch in Verwaltungsverfahren, die wie das Fahrerlaubnisrecht der Gefahrenabwehr dienen, nicht ohne Weiteres dieselben Maßstäbe wie im repressiven Bereich des Straf- und Ordnungswidrigkeitenrechts gelten. Zwar hat die Behörde auch im Verwaltungsverfahren im Rahmen ihrer Ermittlungstätigkeit die sich aus den Gesetzen, allgemeinen Verfahrensgrundsätzen und Grundrechten ergebenden Grenzen zu beachten. Aus diesen können sich durchaus Verwertungsverbote für das Verwaltungsverfahren ergeben.

Hierbei ist jedoch zu prüfen, ob der Schutzzweck der jeweiligen Norm das Verwertungsverbot auch für das Verwaltungsverfahren erfordert (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 10. Aufl., § 24 Rdnr. 29a). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dürfte der Richtervorbehalt des § 81a Abs. 2 StPO nicht zum rechtsstaatlichen Mindeststandard zählen (BVerfG, Beschl. 28.07.2008 – 2 BvR 784/08NJW 2008, 3053, juris). Hinsichtlich des Fahrerlaubnisentziehungsverfahrens ist darüber hinaus zu berücksichtigen, dass es – anders als das Straf- und Bußgeldverfahren – nicht der Verfolgung und Ahndung begangener Rechtsverstöße dient, sondern dem Schutz Dritter vor den Gefahren, die von einem ungeeigneten Kraftfahrer ausgehen. Im Verfahren zur Entziehung der Fahrerlaubnis hat die Behörde deshalb – wie bereits das Verwaltungsgericht zutreffend dargelegt hat – maßgeblich und mit besonderem Gewicht neben den Grundrechten des Betroffenen weitere hochrangige Rechtsgüter Dritter wie Leben und Gesundheit und das öffentliche Interesse am Schutz der Allgemeinheit vor Fahrerlaubnisinhabern, die sich als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen haben, zu beachten.

Dieser Gesichtspunkt rechtfertigt es, auch eine rechtswidrig angeordnete Blutuntersuchung zu berücksichtigen, wenn das Ergebnis eindeutig negativ für den Betroffenen ist. Dieser Gedanke gilt umso mehr, wenn – wie hier – ein eventueller Verstoß gegen Beweiserhebungsvorschriften nicht von der Fahrerlaubnisbehörde selbst zu verantworten ist. Geht der Verstoß gegen die strafprozessuale Beweiserhebungsvorschrift nicht von der für das Verwaltungsverfahren zuständigen Behörde aus, kann die für das Strafverfahren gültige Wertung, dass das Interesse des Einzelnen an der Wahrung seiner Rechte zu Lasten des staatlichen Strafverfolgungsinteresses bei groben Verstößen durch die für die Strafverfolgung zuständigen Behörden unter dem Gesichtspunkt einer fairen Verfahrensgestaltung überwiegt, nicht ohne weiteres auf das Fahrerlaubnisentziehungsverfahren übertragen werden.

Die Fahrerlaubnisbehörde darf daher im überwiegenden Interesse an dem Schutz hochrangiger Rechtsgüter einer großen Zahl von Verkehrsteilnehmern in einem auf Entziehung der Fahrerlaubnis gerichteten Verwaltungsverfahren auch ein unter Verstoß gegen den Richtervorbehalt des § 81a StPO gewonnenes Ergebnis einer Blutprobenuntersuchung berücksichtigen, wenn aus diesem die fehlende Kraftfahreignung des Betroffenen hervorgeht. Auch eine rechtswidrig angeordnete Blutuntersuchung schafft eine neue Tatsache, die – ebenso wie das negative Ergebnis eines rechtswidrig angeordneten Gutachtens (vgl. BVerwG, Urt. v. 18.03.1982, BVerwGE 65, 157; OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschl. v. 20.3.2008 – 1 M 12/08 – juris) – zum Schutz der Allgemeinheit vor einem ungeeigneten Kraftfahrer verwertet werden darf.

Für dieses Ergebnis spricht auch, dass weder das Straßenverkehrsgesetz noch die Fahrerlaubnis-Verordnung für die Anordnung von ärztlichen Untersuchungen und Begutachtungen einen der Vorschrift des § 81 Abs. 2 StPO vergleichbaren Richtervorbehalt vorsehen und es einen Wertungswiderspruch bedeutete, wenn Fälle, die ihren Ausgang in einem straf- oder bußgeldrechtlich relevanten Verkehrsverstoß nehmen, anders behandelt würden als solche, in denen die Behörde nach § 11 Abs. 2 FeV aufgrund ihr bekannt gewordener Tatsachen selbst Zweifeln an der Kraftfahreignung eines Betroffenen nachgeht (zum Ganzen Sächsisches OVG, Beschl. v. 01.02.2010 a.a.O.; OVG Niedersachsen, Urt. v. 14.08.2008 a.a.O. u. Beschl. v. 16.12.2009 a.a.O.; OVG Berlin – Brandenburg, Beschl. v. 3.11.2009 a.a.O.; OVG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 29.01.2010 a.a.O.; BayVGH, Beschl. v. 28.01.2010 a.a.O.).

Rechtsanwalt Dieter Ferner (Fachanwalt für Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Dieter Ferner (Fachanwalt für Strafrecht)

Rechtsanwalt Dieter Ferner ist Fachanwalt für Strafrecht und Anwalt in der Anwaltskanzlei Ferner Alsdorf. Spezialgebiete von RA DF: Verkehrsstrafrecht, Kapitalstrafsachen, Drogendelikte, Sexualstrafrecht und Arbeitsstrafrecht.

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