Bestehen Zweifel an der Eignung des von einem Verkehrsverstoß gefertigten Lichtbilds als Grundlage für eine Identifizierung des Betroffenen als Fahrer, muss der Tatrichter im Urteil nähere Angaben zur Feststellung der Identität machen.
Dies ist das Ergebnis einer Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm, der folgender Sachverhalt zu Grunde lag: Ein Fahrzeugführer war vom Amtsgericht (AG) wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung zu einer Geldbuße und einem Fahrverbot verurteilt worden. Das AG hat ihn anhand eines von dem Verkehrsverstoß gefertigten Lichtbilds als Fahrer zum Zeitpunkt des Verkehrsverstoßes identifiziert.
Das OLG hat diese Begründung nicht für ausreichend gehalten. Es hat ausgeführt, dass der Richter grundsätzlich auf ein zur Identifizierung geeignetes Foto verweisen kann. Sofern es sich dabei um ein „gutes“ Foto handelt, sind in der Regel keine weiteren Ausführungen zur Identitätsfeststellung erforderlich. Bestehen hingegen Zweifel an der Eignung des Lichtbildes als Grundlage für eine Identifizierung des Fahrers, muss der Tatrichter ausführlich darlegen, warum er trotz der schlechten Qualität des Lichtbilds den Verurteilten als Fahrer hat identifizieren können. Im vorliegenden Fall war das Lichtbild so unscharf und kontrastarm, dass weder die Haartracht noch die Gesichtszüge der am Steuer des Pkw sitzenden Person hinreichend deutlich zu erkennen waren. Weiterhin war der Stirnbereich des Fahrers durch die heruntergeklappte Sonnenblende verdeckt. Die vom AG aufgeführten Merkmale „längliche Gesichtsform des männlichen Fahrers, ausdrucksstarke Kinnpartie und Ohrform“ reichten dem OLG nicht aus, um den Verurteilten als Fahrer zu identifizieren. Das Urteil des AG ließ schon offen, inwieweit der Verurteilte diese Merkmale aufwies, da das AG eine Beschreibung und einen Vergleich mit dem auf dem Bild abgebildeten Fahrer nicht vornahm. Hinzu kam, dass die vom AG angeführten Merkmale – wenn überhaupt – nur wenig Aussagekraft hinsichtlich der Identität des Verurteilten hatten. Allenfalls das Merkmal „längliche Gesichtsform“ ließ einen gewissen Rückschluss auf das Aussehen zu. Was eine „ausdrucksstarke Kinnpartie“ sein und worin die „Ausdrucksstärke“ der Kinnpartie liegen sollte, wurde durch das AG ebenso wenig dargelegt wie die „Ohrform“, die überhaupt nicht beschrieben wurde. Das OLG konnte damit die Fahrereigenschaft des Verurteilten nicht zutreffend feststellen (OLG Hamm, Beschluss vom 18.11.2002).
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