Der Bundesgerichtshof (5 StR 164/16) konnte sich im Bereich des Urheberstrafrechts zur Zurechnung von Vervielfältigungshandlungen bei der Annahme von Mittäterschaft äussern – hier im Rahmen einer Plattform (kino.to), die Links zu anderseitig hochgeladenen Videos verteilte. Der BGH verweist wie üblich in diesem Zusammenhang auf die hergebrachte Rechtsprechung zur Annahme von Mittäterschaft und macht dann deutlich, dass auch zwar nur randbedingte Handlungen die aber einen echten Mehrwert haben, bei der vorzunehmenden Wertung eine erhebliche Rolle spielen können:
Das Landgericht hat in zutreffender Weise das Hochladen der Video- dateien durch die Uploader als (erste) Vervielfältigungshandlung im Sinne von § 106 Abs. 1 Variante 1 UrhG angesehen (…)
Bei Beteiligung mehrerer Personen, von denen nicht jede sämtliche Tatbestandsmerkmale verwirklicht, handelt mittäterschaftlich, wer seinen eige- nen Tatbeitrag so in die Tat einfügt, dass dieser als Teil der Handlung eines anderen Beteiligten und umgekehrt dessen Handeln als Ergänzung des eigenen Tatanteils erscheint. Stets muss sich diese Mitwirkung aber nach der Willensrichtung des sich Beteiligenden als Teil der Tätigkeit aller darstellen. Ob danach Mittäterschaft anzunehmen ist, hat das Tatgericht auf Grund einer wertenden Gesamtbetrachtung aller festgestellten Umstände zu prüfen; maßgebliche Kriterien sind der Grad des eigenen Interesses an der Tat, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille dazu, so dass die Durchführung und der Ausgang der Tat maßgeblich auch vom Willen des Betreffenden abhängen. Mittäterschaft erfordert dabei nicht zwingend eine Mitwirkung am Kerngeschehen selbst; ausreichen kann auch ein die Tatbestandsverwirklichung fördernder Beitrag, der sich auf eine Vorbereitungs- oder Unterstützungshandlung beschränkt (…) Gemessen hieran begegnet es keinen rechtlichen Bedenken, dass das Landgericht den Betreibern der Internetportale die von den Uploadern vorgenommenen Vervielfältigungshandlungen nach § 25 Abs. 2 StGB zugerechnet (…) hat (…)
In seine umfassende Gesamtwürdigung hat das Landgericht insbesondere eingestellt, dass (…) in der Weise arbeitsteilig zusammenwirkten, dass sie (…) eine Nachfolgeplattform (…) bereitstellten und betrieben und die von ihnen oder in ihrem Auftrag geprüften und freigeschalteten Links zu von den Uploadern zu diesem Zwecke vervielfältigten Filmen dort präsentierten.
Diese Handlungen dienten dem gemeinsamen Ziel, sich mit der Verwirklichung des allen Beteiligten bekannten Geschäftsmodells, nämlich der Generierung erheblicher Werbeeinnahmen durch kostenlose Versorgung von Nutzern mit neuesten Filmen (…) unter Verletzung der jeweiligen Urheberrechte, in großem Stil persönlich zu bereichern. Ohne die Tatbeiträge der Betreiber der Internetplattform waren die Vervielfältigungshandlungen der Uploader zwar möglich, aber bezogen auf das verfolgte Ziel sinnlos. Denn ohne die Bekanntgabe der jeweiligen Zieladressen (Links) waren die vervielfältigten Filme im Internet nicht ohne Weiteres auffindbar (…) Erst durch die Herstellung der Abrufmöglichkeit durch Veröffentlichung der Links (…) materialisierte sich die durch den Upload der Raubkopien zwar bereits vollendete, bis dahin aber faktisch folgenlose Urheberrechtsverletzung in der digitalen Außenwelt.
Das ist nicht zwingend überraschend, aber gerade im IT-Strafrecht zeigt sich durchaus, dass eine jedenfalls empfundene faktisch geringwertige Handlung („nur ein Link“) zu erheblichen strafrechtlichen Auswirkungen führen kann, vorliegend Mittäterschaft statt nur Beihilfe. So ist im Rahmen der Beihilfe eine Milderung der Strafe vorzunehmen, während der Mittäter wie der „Haupttäter“ bestraft wird. Die Auswirkungen sind damit unmittelbar und bedeutsam für Angeklagte, wobei der subjektive Teil, also das was im Kopf des Betroffenen vorging, von erheblicher Bedeutung ist – eine mögliche Einlassung kann damit durchaus Weichen stellen, in positiver wie negativer Hinsicht.
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