Urheberrechtsschutz für private DIN-Normen

Das Oberlandesgericht Hamburg (3 U 220/15 Kart) konnte sich zur Schutzfähigkeit von DIN-Normen äussern und feststellen, dass diese grundsätzlich urheberrechtlich geschützt sein können und es auch keinen öffentlichen Anspruch auf eine unentgeltliche Zurverfügungstellung gibt. Das bedeutet, mit dem OLG Hamburg können DIN-Normen als private Normwerke Urheberrechtsschutz genießen, wobei sie aber urheberrechtlich nur geschützt sind, wenn sie den Anforderungen des § 2 Abs. 2 UrhG genügen:

„Das Landgericht hat dabei zunächst zu Recht angenommen, dass private DIN-Normen dem Urheberrechtsschutz nach § 2 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 UrhG grundsätzlich zugänglich sind. Das hat der BGH in der angeführten Entscheidung „DIN-Normen“ zwar nur unterstellt. Die grundsätzliche Urheberrechtsschutzfähigkeit wird allerdings zu Recht allenthalben angenommen (vgl. Schricker/Loewenheim/Loewenheim, a.a.O., § 2, Rn. 237, und Schricker/Loewenheim/Katzenberger/Metzger, § 5, Rn. 79“ Wandke/Bullinger/Bullinger, a.a.O., § 2, Rn. 146)“

Interessant sind die Ausführungen des Gerichts zum Schutz für amtliche Werke und denen ähnliche Werke. Hierzu führt das OLG aus, dass § 5 Abs. 3 UrhG nicht schon per se den Urheberrechtsschutz der dort genannten privaten Normwerke regelt. Denn § 5 Abs. 3 UrhG schafft selbst kein Monopol, sondern stellt mit dem Gericht lediglich klar, dass die in § 5 Abs. 1 und Abs. 2 UrhG geregelte Ausnahme vom Urheberrechtsschutz für zwar möglicherweise urheberrechtsschutzfähige, aber aus Gründen der Publizität und des Allgemeininteresses vom Urheberrechtsschutz ausgenommene öffentlich-rechtliche Normen für private Normwerke nicht gilt.

Das Gericht führt aus:

Bei den streitgegenständlichen DIN-EN-Normen handelt es sich auch um private Normen i.S. des § 5 Abs. 3 UrhG.

Der Auffassung der Beklagten, die streitgegenständlichen DIN-Normen unterfielen § 5 Abs. 1 UrhG, jedenfalls handele es sich bei diesen um andere amtliche Werke i.S. von § 5 Abs. 2 UrhG, die den in § 5 Abs. 1 UrhG angeführten Gesetzen etc. gleichgestellt sind und daher keinen Urheberrechtsschutz genießen, ist nicht zu folgen.

Zwar ist unstreitig, dass in Gesetzen und Verordnungen, die als solche nach § 5 Abs. 1 UrhG vom Urheberrechtsschutz ausgenommen sind, auf DIN-Normen Bezug genommen wird. Das unterwirft sie indes nach der ausdrücklichen Regelung des § 5 Abs. 3 UrhG, die den durch die BGH-Entscheidung „DIN-Normen“ geschaffenen Rechtszustand beseitigen soll, nicht schon der Regelung des § 5 Abs. 1 UrhG. Vielmehr ist es erforderlich, dass die – dann nicht mehr private – Norm in das amtliche Werk aufgenommen – inkorporiert – wird, um nicht mehr der Freistellung durch § 5 Abs. 3 UrhG zu unterfallen (Schricker/Loewenheim/ Katzenberger/Metzger, Rn. 80 zu § 5 UrhG; Dreier/Schulze, a.a.O., Rn. Rn. 15 zu § 5 UrhG). Einer anderen Deutung steht der ausdrückliche Wille des Gesetzgebers entgegen. Das hat das Landgericht richtig gesehen und begründet (UA, Seiten 19 ff.). Darauf wird verwiesen. Dem liegt nach der Gesetzesbegründung (UA, S. 20f.) gerade auch die Annahme zugrunde, dass es sich bei den DIN-Normen um private Normwerke handelt. Auch dort wird angenommen, dass nur in amtliche Werke inkorporierte private Normwerke den Status als „private Norm“ verlieren.

Bei DIN-Normen handelt es sich auch nicht um andere amtliche Werke i.S. des § 5 Abs. 2 UrhG (…) Amtliche Werke sind die aus einem Amt herrührenden Werke (BGH, Urt. v. 30.06.1983, I ZR 129/81, GRUR 1984, 117, juris Rn. 29 – VOB/C). Bei dem Kläger handelt es sich nicht um ein Amt. Zwar rührt ein Werk nicht nur dann aus einem Amt her, wenn es unmittelbar aus dem Amt stammt, d.h. von den ihm oder einem anderen Amt angehörenden Bediensteten geschaffen worden ist, sondern auch dann, wenn es von – dem Amt nicht angehörenden – Privatpersonen verfasst worden ist, die das Amt – selbst oder durch Dritte – hinzugezogen hat (BGH, GRUR 1982, 37 (40) – WK-Dokumentation). Im Falle der Abfassung eines Werkes durch Privatpersonen kommt danach ein amtliches Werk im Sinne des § 5 Abs. 2 UrhG grundsätzlich dann in Betracht, wenn diesen Personen von vornherein die Mitwirkung an einem solchen Werk auferlegt worden ist (BGH, NJW-RR 1987, 185, juris Rn. 20). Das kommt insbesondere dann in Betracht, wenn eine Privatperson aufgrund vertraglicher Vereinbarung mit einem Amt eine Aufgabe – etwa die Veröffentlichung bestimmter Informationen – erfüllt, die andernfalls das Amt unmittelbar erfüllen müsste (BGH, Urt. v. 30.04.2009, I ZR 191/05, GRUR 2009, 852, Rn. 31 – Elektronischer Zolltarif; Beschl. v. 28.9.2006, I ZR 261/03, GRUR 2007, 500 Rn. 20 f. – Sächsischer Ausschreibungsdienst). Davon kann aber im Streitfall nicht die Rede sein (…)

Nach § 5 Abs. 2 UrhG sind andere amtliche Werke im Übrigen nur vom Schutz nach dem Urheberrechtsgesetz ausgenommen, wenn sie im amtlichen Interesse zur allgemeinen Kenntnisnahme veröffentlicht worden sind. Selbst wenn also ein anderes amtliches Werk vorliegt, ist die Vorschrift nicht einschlägig, wenn es nicht im amtlichen Interesse zur allgemeinen Kenntnisnahme veröffentlicht worden ist (BGH, GRUR 2007, 137, Rn. 16 – Bodenrichtwertsammlung). Die Veröffentlichung im amtlichen Interesse zur allgemeinen Kenntnisnahme setzt ein spezifisches Verbreitungsinteresse der Behörde voraus. Das öffentliche Interesse muss gegenüber dem Verwertungsinteresse des Verfassers des Werkes überwiegen und die möglichst weite und von Urheberrechten freie Verbreitung erfordern. Nicht ausreichend ist das allgemeine Interesse, das die Allgemeinheit an jeder Veröffentlichung einer Behörde hat. Vielmehr muss ein besonderes Interesse vorliegen, das nach Art und Bedeutung der Information gerade darauf gerichtet ist, dass der Nachdruck oder die sonstige Verwertung des die Information vermittelnden Werks für jedermann freigegeben wird (ebenda, Rn.17). Ein solches Interesse liegt insbesondere vor, wenn es um die Abwehr von Gefahren geht. In derartigen Fällen ist die rasche und umfassende Information der Allgemeinheit erforderlich. Im Zweifel sind alle Umstände des Einzelfalls abzuwägen. Je bedeutsamer die Information ist, desto eher liegt ein spezifisches Verbreitungsinteresse vor. Ist die Information weniger bedeutsam, wie der BGH dies für allgemeine Informationen der Daseinsvorsorge (Statistiken, Kartenwerke, Merkblätter) angenommen hat, wird die Abwägung in der Regel ergeben, dass die allgemeine Kenntnisnahme bereits durch eine erfolgte Veröffentlichung sichergestellt ist, ohne dass zusätzlich eine urheberrechtsfreie Verbreitung erforderlich wäre (ebenda, Rn. 18).
1So liegt der Fall jedenfalls auch hier.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

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