Haftung für Hyperlinks – Rechtsprechung des BGH

Haftung für Hyperlinks, ein Überblick über die Rechtslage an Hand der Rechtsprechung des BGH.

Inzwischen in einer Vielzahl von Entscheidungen hat sich der zur Frage der Haftung für Hyperlinks geäußert. Während es über die Jahre hinweg eher um Teilfragen ging, hat sich der BGH dann Mitte 2015 in einer im Januar 2016 veröffentlichten Entscheidung (BGH, I ZR 74/14) sehr umfassend geäußert und damit einen vorläufigen Meilenstein – aber auch Tiefpunkt – seiner Rechtsprechung zur Haftung im Bereich von Hyperlinks gesetzt.

Zum Thema Haftung für Social-Media auch bei uns:

Im Folgenden ein rechtlicher Überblick zum aktuellen Sach- und Rechtsstand zur Haftung von Hyperlinks.

Rechtliche Bedeutung des Hyperlinks

Ich möchte mit einer anderen Entscheidung beginnen, die überraschend wenig Beachtung gefunden hat: In BGH, I ZR 113/13, „Bezugsquellen für Bachblüten“ ging es um eine Linksetzung aus einer kommerziellen Seite heraus und die Frage, ob dies als geschäftliche Handlung einzustufen ist.

Dies ist im Wettbewerbsrecht von Bedeutung, da nur Handlungen wettbewerbsrechtliche Relevanz entfalten können, die überhaupt geschäftliche Handlungen darstellen. Dass der BGH in der vorliegenden Entscheidung – es ging um die Verlinkung einer Kaufmöglichkeit bestimmter Produkte – eine geschäftliche Handlung, also ein solche die dem Warenabsatz zuträglich ist, bejaht hat, mag auf den ersten Blick nicht zu überraschen.

Die Bedeutung dieser Entscheidung ergibt sich aber, wenn man den Umkehrschluss zieht: Der Bundesgerichtshof hätte nämlich auch entscheiden können, dass eine Linksetzung für sich keinen normativen Wert hat, sich allein in der Verbreitung von Informationen erschöpft.

Damit wäre, wenn nicht besondere Umstände wie ein aktiver Kaufaufruf vorliegen, die geschäftliche Handlung beim zu verneinen, der Link als Mittel der Informationsweitergabe an sich zu einer ohnehin allgemein zugänglichen Quelle, erheblich privilegiert. Diese Privilegierung hat der BGH aber gerade nicht vorgenommen, sondern seine übliche Rechtsprechung zur geschäftlichen Handlung blind, ich möchte sagen plump, zur Anwendung gebracht. Hier konnte dann herum gedeutet werden, in welchem Zusammenhang sich die ansonsten neutrale Linksetzung präsentiert und dann eine Absatzförderung erkannt werden. Das basiert auf der gefestigten Rechtsprechung des BGH zur geschäftlichen Handlung und ist nichts neues, es machte aber die Türe auf dahin, jede Linksetzung für sich einer Prüfung zu unterziehen.

Haftungsdogmatik des BGH bei Hyperlinks

Von dieser Entscheidung ausgehend konnte der BGH (I ZR 74/14) nunmehr mit einem Satz eine geschäftliche Handlung in der Linksetzung erkennen:

Durch den Link hat der Beklagte die fremde Internetseite für seinen eigenen werblichen Auftritt genutzt.

Umso erstaunlicher für mich, dass der BGH an dieser Stelle nicht ausdrücklich auf oben in der Einleitung benannte Entscheidung Bezug genommen hat, sondern sich damit begnügt dass ein Link im Rahmen der kommerziellen Präsentation automatisch eine geschäftliche Handlung darstellt. Die Entscheidung selbst betrifft das Wettbewerbsrecht, bietet aber genügend Ausführungen um allgemeine Erkenntnisse zu gewinnen.

Hinsichtlich der Frage der Haftung stellt der BGH klar, dass es aus seiner Sicht keine spezielle gesetzliche Haftungsregelung gibt, so dass die allgemeinen Haftungsregeln zur Anwendung kommen. Allerdings hat der Bundesgerichtshof zugleich klar gestellt, dass alleine die Einstufung eines Hyperlinks als geschäftliche Handlung für sich noch keine Haftung begründet, sondern es muss das übliche Haftungsprozedere geprüft werden. Dieses sieht dann als Struktur so aus:

  1. Wenn über den Hyperlink fremde Informationen zu Eigen gemacht werden haftet man dafür wie für eigene Informationen
  2. Wenn kein Zueigenmachen vorliegt, so bleibt eine „Sekundärhaftung“ in Form
    1. der bei der Verletzung absoluter Schutzrechte wie etwa beim Urheberrecht;
    2.  der Verletzung einer wettbewerbsrechtlichen Verkehrspflicht bei Verletzung sonstiger wettbewerbsrechtlich geschützter Interessen

Dabei hat der BGH klargestellt, dass es sich bei der Verletzung einer wettbewerbsrechtlichen Verkehrspflicht und der Störerhaftung um zwei grundlegend verschiedene dogmatische Anspruchsgrundlagen handelt; wobei der BGH schon mehrmals klargestellt hat, dass dies nicht alleine ein terminologischer Unterschied ist.

Allerdings verstehe ich den BGH am Ende von Randnummer 24 ausdrücklich so, dass die Fragen, die sich hinsichtlich von Prüfpflichten bei Hyperlinks stellen, in beiden Fällen identisch sind. Ich kann daher diesen Aspekt einheitlich behandeln, wobei ich zur Vermeidung von Verwirrung hier von „Sekundärhaftung“ als eigener zusammenfassender Wortschöpfung spreche und nicht von Störerhaftung oder verletzten Verkehrspflichten.

Zu Eigen machen von Inhalten über Hyperlinks

Wer sich die fremden verlinkten Informationen zu Eigen macht, der haftet dafür wie für eigene Informationen. Das ist nicht neu und hat der BGH schon früher entschieden (besonders: I ZR 102/05, „ueber18.de“).

Mit der nun besprochenen Entscheidung bietet der BGH erstmals Anhaltspunkte in Form eines Katalogs – den man sich freilich erarbeiten muss – um festzustellen, ob ein Zueigenmachen vorliegt. Dies soll anzunehmen sein wenn

  • Der Hyperlink wesentlicher Teil des Geschäftsmodells ist (dies kann etwa bei Affiliate Links anzunehmen sein);
  • Wenn der Link im Rahmen des Betriebs von vornherein auf Rechtsverletzungen angelegten Geschäftsmodells erfolgt, sowohl beim Linksetzer als auch beim Verlinkten;
  • Wenn über die verlinkten Inhalte eigene Produkte oder Dienstleistungen des Linksetzers beworben werden, egal ob offen oder versteckt;
  • Wenn der Link das Angebot des Linksetzers vervollständigt, wobei ich dies so verstehe dass nicht von einer hinreichenden sondern von einer notwendigen Vervollständigen auszugehen ist;
  • Wenn der Link in einen redaktionellen Inhalt so eingebunden ist, dass er erkennbar für den eigenen Inhalt von Bedeutung und dadurch Bestandteil der eigenen Inhalte geworden ist;
  • Wenn der Link nicht zum rechtswidrigen Inhalt unmittelbar führt, sondern der rechtswidrige Inhalt auf der verlinkten Seite dann seinerseits erst nach weiteren Klicks zu erreichen ist – wobei umgekehrt ausdrücklich nicht gilt, dass bei direkter Verlinkung des rechtswidrigen Inhalts automatisch ein Zu-Eigenmachen vorliegt. Dies ergibt sich bereits daraus, da im Übrigen eine Haftung nur bei offenkundig rechtswidrigen Inhalten greifen soll, was unterlaufen werden würde, wenn jeder direkte Link schon ausreichen würde!

Diese Liste ist nicht abschließend, erfasst aber die Kernkriterien, die ihrerseits zu würdigen sind – es geht nicht darum, dass eines oder mehrere Kriterien verwirklicht werden müssen, sondern am Ende kommt es auf die Würdigung des Gesamtbildes an. Eine klare Formel gibt es also weiterhin nicht, sie wäre auch praktisch gar nicht vorstellbar. Allerdings hat der BGH klargestellt, dass jedenfalls bei nicht direkter Verlinkung der rechtswidrigen Inhalte für sich genommen bereits ein ganz erheblicher Umstand gegen ein Zueigenmachen spricht.

Sekundärhaftung für Hyperlinks

Links sind gefährlich

Der BGH stellt direkt klar, dass aus seiner Sicht eine Haftung aus gefahrerhöhendem Verhalten in Betracht kommt, denn Hyperlinks sind gefährlich:

Ein solches gefahrerhöhendes Verhalten kann sich grundsätzlich auch aus dem Setzen eines Hyperlinks auf die Internetseite eines Dritten ergeben (…) Der Hyperlink erhöht die Gefahr der Verbreitung etwaiger rechtswidriger Inhalte, die sich auf den Internetseiten Dritter befinden. Aus dieser Gefahrerhöhung für eine Verletzung durch das Wettbewerbsrecht geschützter Interessen von Marktteilnehmern folgt die Verpflichtung desjenigen, der den Link setzt, diese Gefahr im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren zu begrenzen.

Hier findet man das Haftungskonstrukt für Hyperlinks kurz und knapp auf den Punkt gebracht: Man verhilft zu mehr Aufmerksamkeit, also droht die grundsätzliche Haftung.

Dies ist aus meiner Sicht auch kein Widerspruch zu I ZR 259/00, „Paperboy“, hier bei uns: Der BGH sagt bekanntlich, dass ein Hyperlink kein öffentliches Zugänglichmachen im Sinne des Urheberrechts ist. Dies bleibt hier unangetastet, denn die urheberrechtliche Frage des Zugänglichmachens ist etwas anderes als die wertende Betrachtung, dass im Sinne größerer Reichweite eine „gefahrerhöhung“ größerer Bekanntheit betrieben wird. Denn während der eigentliche Inhalt von Anfang an allgemein zugänglich ist, somit durch einen zusätzlichen Hyperlink nicht erst zugänglich gemacht werden kann, so kann doch die Aufmerksamkeit vergrößert und damit eine Inhaltshaftung argumentiert werden.

Die aber soll dann doch nicht uferlos sein, weswegen der BGH es allgemein hält und im Einzelfall prüfen möchte, was dem Linksetzer zuzumuten ist. Daher kommt es am Ende mit dem BGH entscheidend darauf an, ob und inwieweit dem in Anspruch genommenen Linksetzer nach den Umständen eine Prüfung zuzumuten ist. Doch wonach ist dies zu bewerten?

Prüfungsmaßstab bei Hyperlinks mit dem BGH

Auch hier greift der BGH auf das bewährte Prüfungsmodell zurück, das sich wie folgt darstellt: Der Umfang der Prüfungspflichten des Linksetzers richtet sich insbesondere und nicht abschließend

  1. nach dem Gesamtzusammenhang, in dem der Hyperlink verwendet wird,
  2. dem Zweck des Hyperlinks
  3. danach, welche Kenntnis der den Link Setzende von Umständen hat, die dafür sprechen, dass die Webseite oder der Internetauftritt, auf die der Link verweist, rechtswidrigem Handeln dienen,
  4. welche Möglichkeiten er hat, die Rechtswidrigkeit dieses Handelns in zumutbarer Weise zu erkennen,
  5. wobei eine Haftung begründet ist, wenn ein Hyperlink aufrechterhalten bleibt, obwohl eine durch nachträgliche Umstände zumutbare Prüfung nach einer Inkenntnissetzung der Rechtswidrigkeit – etwa nach einer – ergeben hätte, dass mit dem Hyperlink ein rechtswidriges Verhalten unterstützt wird.

Dabei spielt in der vorzunehmenden Gesamtabwägung die Meinungsäußerungsfreiheit eine ganz erhebliche Rolle: Der BGH erkennt ausdrücklich, dass (ohnehin) allgemein zugängliche Inhalte erschwert bei verschärfter Haftung für Hyperlinks aufzufinden wären. Da dies den offenen Meinungsaustausch radikal beschneiden würde, soll die Meinungsäußerungsfreiheit entsprechend berücksichtigt werden (so auch schon vorher I ZR 191/08, „AnyDVD“, hier bei uns). Diese prägt am Ende die Haftungsdogmatik des BGH ganz entscheidend.

Keine „proaktiven“ Prüfpflichten bei Hyperlinks

Am Ende steht eine Erkenntnis des BGH: Man muss, schon um den Meinungsaustausch im Internet nicht zu gefährden, nicht bei Hyperlinks von vornherein aktiv in aller Tiefe prüfen, ob rechtswidrige Inhalte vorliegen, haftet aber jedenfalls, wenn sie sich geradezu aufdrängen oder wenn man von der Rechtswidrigkeit In-Kenntnis gesetzt wird:

Allerdings sind Hyperlinks aus der Sicht der Internetnutzer unerlässlich, um die unübersehbare Informationsflut im Internet zu erschließen. Es ist daher gerechtfertigt, regelmäßig auch für einen Unternehmer eine proaktive Überwachungspflicht hinsichtlich der von ihm verlinkten Inhalte zu verneinen (…) 

Sofern ein rechtsverletzender Inhalt der verlinkten Internetseite nicht deutlich erkennbar ist, haftet derjenige, der den Link setzt, für solche Inhalte grundsätzlich erst, wenn er von der Rechtswidrigkeit der Inhalte selbst oder durch Dritte Kenntnis erlangt.

Bewertungsrisiko beim Linksetzer – der Denkfehler des BGH

Ich finde, bis hierhin liest es sich gar nicht so schlecht: Der BGH privilegiert zwar nicht grundsätzlich Links, erkennt aber ihre Bedeutung an und schafft kein grundsätzliches Haftungs- oder Prüfungsrisiko. Doch der BGH hat ein Problem geschaffen: Die Haftung ab der In-Kenntnis-Setzung. Wenn eine Abmahnung zugeht, muss dies noch nicht zwingend das Problem des Linksetzers sein – aber er muss nun überlegen ob er den Link entfernt oder nicht. Und hier beginnt indessen der Denkfehler des BGH, der zuerst die hochhalten wollte: Er schiebt das Haftungsrisiko für eine Fehlbewertung dem Linksetzer zu.

Denn der BGH sagt, dass der Linksetzer selber bewusst den Link gesetzt hat und dabei im Rahmen kommerzieller Angebote – aus Sicht des BGH – ohnehin keinen Nutzungsgewinn erreicht. Dabei stellt sich die Frage, warum der BGH die mangelnde Steigerung von Wert oder Nutzen thematisiert, die im Rahmen der Meinungsäußerungsfreiheit gar keine Rolle spielen. Jedenfalls kommt der BGH hiervon ausgehend zu dem Ergebnis

Es ist deshalb sachgerecht, das Risiko der rechtlichen Beurteilung, ob eine beanstandete Äußerung auf dem durch den Link erreichbaren Internetauftritt tatsächlich rechtswidrig ist oder nicht, demjenigen zuzuordnen, der den Link setzt (…) Der Unternehmer, der den Hyperlink setzt, ist also bei einem Hinweis auf Rechtsverletzungen auf der verlinkten Internetseite zur Prüfung verpflichtet, ohne dass es darauf ankommt, ob die Rechtsverletzung klar erkennbar ist.

Ob das wirklich sachgerecht ist, darüber mag man trefflich streiten. Jedenfalls aber bedeutet es: Wer eine Abmahnung erhält und den Link nicht löscht, der haftet ab dann, egal ob die Rechtswidrigkeit überhaupt zu erkennen war oder zumindest streitbar war. Es wird daher der regelmäßige Weg sein, den Link schon aus wirtschaftlichen Gründen zu löschen, um weiteren und dann mit Kosten verbundenen Streit zu vermeiden. Die vom BGH so hervorgehobene Meinungsäußerungsfreiheit ist damit vollständig ausgehöhlt.

Fazit

Die Entscheidung finde ich gar nicht so verkehrt, jedenfalls bis auf das Ende: Eine grundsätzliche Haftung für Hyperlinks steht nicht im Raum. Allerdings führt der Bundesgerichtshof seine eigene Wertung ad absurdum, wenn er es wirtschaftlichen Aspekten überlässt, ob man nach einer beliebigen Abmahnung eine Linksetzung aufrechterhält. Der Kollege Stadler spricht hier zu Recht davon, dass ein „Notice and take down“-Verfahren bezüglich Hyperlinks etabliert wurde und tatsächlich dürfte die Zukunft so aussehen, dass man nur mit genügend vor allem finanziellen Ressourcen in der Lage ist, unliebsamer Berichterstattung das Wasser abzugraben. Niemand wird einen Hyperlink aufrechterhalten und das Kostenrisiko eines Verfahrens für einen fremden Inhalt tragen. Der Bundesgerichtshof hat an dieser Stelle nicht nur schlecht, er hat gefährlich entschieden und die Meinungsäußerungsfreiheit deutlich angekratzt.

Für Betroffene heißt das: Ein Link zu einer nicht offensichtlich rechtswidrigen Quelle ist kein grundsätzliches Problem, sofern man sich den Inhalt nicht zu Eigen macht. Wenn eine Abmahnung oder ein Anschreiben eintrudelt, muss aber abgewägt werden, ob man den Link entfernt – nicht zu reagieren könnte Kosten auslösen.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

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