Ausgeschiedenes Foren-Mitglied hat keinen Anspruch auf Löschung seiner Beiträge

Das AG Ratingen (8 C 486/10) hat sich mit dem Wunsch eines ehemaligen Foren-Nutzers beschäftigt, der seine bisherigen Foren-Beiträge gelöscht sehen wollte. Die Entscheidung hilft, sich nochmals mit wesentlichen Aspekten der Thematik auseinander zu setzen.

Zum Problem
Wer Webforen nicht regelmäßig nutzt bzw. genutzt hat, wird auf Anhieb das Problem nicht sehen: Webforen können, jedenfalls im harten Kern der Stammuser, eine eingeschworene Gemeinschaft bilden. Dies geht soweit, dass man sich mit dem Forum identifiziert und dort einen wesentlichen Teil seiner Zeit verbringt. Sollte es später zu Streit kommen, geht es häufig um tief verletzte Gefühle und erbitterte Auseinandersetzungen. Der ehemalige Forennutzer wünscht sich dann im Regelfall, dass alle seine Beiträge im Forum gelöscht werden. Der Forenbetreiber verneint das, die Motivation ist unterschiedlich: Zum einen kann es sich um einen User handeln, der sehr viel geschrieben hat. Auch wenn technisch eine Löschung der Beiträge „mit einem Klick“ möglich ist, würde dies die bestehenden Diskussionen in ihrem Zusammenhang zerstören und das Forum ggfs. teilweise sogar unbrauchbar machen. Zum anderen kann der User zwar nicht viel, aber dafür inhaltlich wertvolles („Klasse statt Masse“) geschrieben haben, was zu einem empfindlichen Verlust von Qualität führen würde und gleichsam bestehende Diskussionsstränge unbrauchbar machen kann. Gerade in Support-Foren kann die Thematik zu einer Gefährdung des Forenzwecks und der Suchmaschinenplatzierung fühlen. Das Interesse am Erhalt der Nachrichten ist insofern ein besonders hochgradiges.

Anspruch auf Löschung?
Ein Anspruch auf Löschung kann sich unter verschiedenen Umständen ergeben, relevant sind vor allem (a) urheberrechtliche Ansprüche sowie (b) persönlichkeitsrechtliche. Beides war Thema beim AG Ratingen.

Hinsichtlich der urheberrechtlichen Ansprüche stellte das Gericht klar, dass der Kläger die erforderliche nicht substantiiert dargelegt hatte. Grundsätzlich ist hier festzustellen, dass sich urheberrechtliche Ansprüche durchaus ergeben können, aber sicherlich nicht für ein „LOL, *rolleyes*“. Ansonsten sind, gerade bei fachlichen Beiträgen, die in Foren auch regelmässig auftreten, durchaus Fälle denkbar, in denen ein urheberrechtlicher Schutz in Betracht kommt. Da dies hier nicht der Fall war, musste die Situation nicht weiter analysiert werden (dazu dann sogleich).

Persönlichkeitsrechtliche oder datenschutzrechtliche Fragen stellten sich nicht – im Forum wurden alle persönlichen Daten des Klägers gelöscht, die Forenbeiträge waren dann nur noch unter einem ihm nicht zuzuordnenden Pseudonym zu lesen. Diese Möglichkeit bietet heute jede größere Forensoftware, und es sollte davon auch Gebrauch gemacht werden. Keinesfalls sollte man aber die Beiträge des gelöschten Users einem tatsächlich existierenden Nutzer zuordnen, da hier eine Zuordnungsverwirrung entstehen könnte. Gerade wenn doch ein urheberrechtlicher Schutz angenommen werden sollte, kann dies zum Problem werden.

Vertragliche Regelung?
Das Gericht hat sich sehr kurz mit der vertraglichen Seite beschäftigt: Dabei ist nur kurz festzustellen, dass selbstverständlich „Forenregeln“ aufgestellt werden können, die von der Rechtsnatur her AGB sind, soweit wird das problemlos sein. Wichtig ist, und wird von Forenbetreibern gerne vergessen, dass sichergestellt werden muss, dass im Nachhinein klar wird, wie die Regeln genau lauten und ob der jeweilige Nutzer auch wirklich zugestimmt hat. Gerade bei nachherigen Änderungen der Regeln sollte die Situation vermieden werden, dass streitbar ist, welcher Fassung letztlich der Nutzer zugestimmt hat. Üblicherweise löst man das so, dass der Forenbetreiber bei einer Regeländerung die weitere Nutzung des Forums nur ermöglicht, wenn der Nutzer auch der Änderung zugestimmt hat. So wurde es auch hier gelöst.

Wie so oft, war in den Regeln vorgesehen, dass kein Anspruch auf Löschung bei Beendigung der Forenmitgliedschaft besteht. Das mag man so stehen lassen und wurde vom Gericht auch so hingenommen – m.E. klüger ist es aber, sich ausdrücklich ein umfassendes, nicht-exklusives, (konkretisiertes) Nutzungsrecht auf unbestimmte Dauer für die von dem Nutzer eingestellten Inhalte einräumen zu lassen. Die Formulierung der Klausel wird aber, um eine Übervorteilung des Nutzers zu vermeiden, durchaus überdacht sein müssen.

Im Ergebnis wurde ein Anspruch auf Löschung durch das Gericht verneint, was der Lebenswirklichkeit von Foren durchaus entsprechen wird. Dennoch ist die Entscheidung nicht auf „Es gibt keinen Anspruch auf Löschung“ zu reduzieren, da hier bereits die Schöpfungshöhe der Beiträge nicht im Raum stand. Bei einem User mit geeigneten Beiträgen und vernünftigem Vortrag vor Gericht, wird das so einfach nicht sein. Letztlich sind geeignete AGB („Forenregeln“) der beste Weg, um die Situation in den Griff zu bekommen.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

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