AG Düsseldorf: Bei Filesharing ist pro Musiktitel Zahlung von 20 Euro ausreichend

Auch das Amtsgericht Düsseldorf (57 C 4661/13) hat sich nunmehr endlich – unter Rückgriff auf die Kölner Rechtsprechung – auch bei der Berechnung des Schadensersatzes beim Filesharing für neue Berechnungsmethoden geöffnet. Im Ergebnis führt dies dazu, dass ein Betrag von 20,24 Euro pro Titel zu zahlen ist – bei einem Musikalbum mit 13 Titeln ergab sich somit ein Gesamtbetrag von 263,12 Euro. Möglicherweise zeichnet sich nun auch in Düsseldorf das Ende der fantastischen Forderungen beim Filesharing ab. Quasi „nebenbei“ wurde der für die anzusetzende Streitwert auf 1315 Euro festgesetzt – was aber im Ergebnis dahin stehen kann, da die Abmahnung (wieder einmal, in Düsseldorf geschieht dies häufiger) als unbrauchbare Leistung qualifiziert wurde.

Im folgenden Zitate aus der sehr umfangreichen Entscheidung.

Zur Höhe des Schadensersatzes

1.2.2 Der Einsatzbetrag beträgt hier 0,92 Euro pro Titel entsprechend dem Klägervortrag, dass es sich hierbei um einen angemessenen Lizenzpreis für einen einzigen Download handelt (Bl. 29 Schriftsatz vom 22.07.2013, Bl. 135 der Akte, sowie Anlage K15, Bl. 350 der Akte), wobei sich bereits aus der allgemeinen Bekanntheit der Künstlergruppe und des Albums ergibt, dass das Werk der höchsten Kategorie der Lizenzpreise zuzurechnen ist.

1.2.3 Der Anzahl der möglichen Vervielfältigungen darf sodann nicht durch einen pauschalen Multiplikationsfaktor Rechnung getragen werden, vielmehr ist sich am Einzelfall zu orientieren, wieviel direkte Downloads anderer Teilnehmer des Filesharing-Netzwerkes unter Verwendung von Chunks der Beklagtenseite möglich erscheinen. Der Multiplikationsfaktor hängt damit also wesentlich davon ab, über welchen Zeitraum das Werk durch die Beklagtenseite dem Filesharing-Netzwerk zur Verfügung gestellt worden ist. Ist, wie hier, lediglich zu einem einzigen Zeitpunkt eine der Beklagtenseite zugeordnet, so ist davon auszugehen, dass das Werk lediglich für die Dauer der Downloadzeit für das vollständige Werk anderen zur Verfügung gestellt worden ist, denn im Bittorrent-Netzwerk ist der Upload von Dateiteilen bereits möglich, bevor das vollständige Werk vom Teilnehmer heruntergeladen ist. Ohne anderweitigen substantiierten Vortrag der Beklagtenseite kann also nach der Lebenserfahrung davon ausgegangen werden, dass das Werk vollständig heruntergeladen werden sollte, also während der Downloadzeit eine Verbreitung stattgefunden hat. Eine längere Verbreitungsdauer kann ohne entsprechende Anhaltspunkte aber nicht unterstellt werden, weil dies nach der Lebenserfahrung kein typischer Geschehensablauf ist. Zwar kann es sein, dass der Downloader das Werk im Filesharing-Verzeichnis stehen lässt, so dass eine fortlaufende Veröffentlichung jedesmal gegeben ist, wenn der Filesharingclient gestartet wird; ebenso ist es aber auch denkbar, dass das Werk nach Abschluss des Downloads gerade zur Verhinderung der weiteren Verbreitung in einen Bereich des Datenträgers kopiert wird, der keinen Zugriff des Filesharingclients mehr ermöglicht. Dies liegt auch nahe, weil der eigentliche Zweck der Nutzung des Filesharings mit dem vollständigen Download der Datei erreicht ist, so dass es auch nicht überzeugend erscheint, im Hinblick darauf, dass man einen Filesharing-Client üblicherweise nicht nur für den Download eines einzigen Werkes installiere, eine längere Dauer der Zurverfügungstellung eines bestimmten Werkes zu unterstellen (verfehlt daher OLG Hamburg BeckRS 2013, 20105 vom 07.11.2013 insoweit als hier ohne nähere Begründung davon ausgegangen wird, dass wegen der Vielzahl an Teilnehmern der Tauschbörse auch bei lediglich einem festgestellten Zeitpunkt der Veröffentlichung jedenfalls von 400 Kopien auszugehen sei). Durch eine solch einschränkende Annahme hinsichtlich des Verbreitungszeitraums, werden die Rechteinhaber nicht unzumutbar in der Wahrnehmung ihrer Rechte eingeschränkt. Es gehört zu den allgemeinen Grundregeln des Zivilprozesses, dass der Geschädigte die Schadenshöhe jedenfalls insoweit zu beweisen hat als sie über den üblicherweise zu erwartenden Mindestschaden hinausreicht. Dies ist dem Rechteinhaber im Fall der Rechtsverletzung durch Filesharing-Netzwerke auch möglich und zumutbar, denn eine längere Überwachung nebst Zuordnung mehrerer IP-Adressen zum Anschluss der Beklagtenseite über einen Zeitraum mehrerer Tage oder Wochen ist technisch möglich und es ist gerichtsbekannt, dass hiervon auch Gebrauch gemacht wird. Dem Gericht sind mehrere Parallelverfahren – gerade auch dieselbe Klägerin betreffend – bekannt, in denen dem Anschlussinhaber diverse IP-Adressen über den Zeitraum mehrerer Wochen hinsichtlich der Verbreitung desselben Werkes zugeordnet worden sind.

1.2.4 Legt man hier allein die Downloadzeit als Nutzungszeit des Filesharings zu Grunde, so ergibt sich durchaus die Möglichkeit, dass ein Download durch Dritte unter Verwendung von Chunks der Beklagtenseite gar nicht stattgefunden hat:

Ein üblicher DSL6000-Anschluss ermöglicht den Download mit bis zu 6016 kbit/s. Dies entspricht 752 KB/s. Eine Musikdatei entspricht etwa einer Größe von 4 MB, somit ergeben sich für das gesamte Album etwa 60 MB, demnach 61‘440 KB. Mithin beträgt unter optimalen Bedingungen die Downloadzeit ca. 82 Sekunden. Uploads sind über den DSL6000-Anschluss lediglich mit einer Geschwindigkeit von 384 kbit/s, also 48 KB/s, möglich. Innerhalb eines Zeitraums von 82 Sekunden können demnach theoretisch maximal 3,8 MB (1 MB = 1024 KB) an andere Nutzer des Filesharing-Netzwerkes verbreitet werden. Gemäß FAQ (bittorrent-faq.de) beträgt die Größe eines einzelnen Chunks, also einer kleinsten Einheit, aus denen sich die gesamte heruntergeladene Datei zusammensetzt, 9 MB. Das Filesharing erfolgt hier nach dem Bittorrent-Protokoll weil der von der Klägerseite als Azureus bezeichnete Client (aktuelle Bezeichnung Vuze) nach diesem Protokoll arbeitet (http://de.wikipedia.org/wiki/Vuze; Beschreibung des Programms unter http://www.vuze.com/). Innerhalb des eigenen Downloadzeitraums ist somit der Download eines vollständigen Chunks durch Dritte gar nicht möglich, obwohl bei dieser Berechnung schon Reaktionszeiten und ein langsamer als mit der maximalen Geschwindigkeit des Anschlusses stattfindender Download nicht berücksichtigt sind, da davon ausgegangen wird, dass es sich hierbei um Faktoren handelt, die im Risikobereich des Nutzers des Filesharings liegen. Auch die Berechnung unter Annahme eines schnelleren DSL-Anschlusses führt zu keinem grundsätzlich anderen Ergebnis, weil das Verhältnis der Uploadgeschwindigkeit zur Downloadgeschwindigkeit stets ähnlich ist.

Hier ist jedoch durch die Klägerseite der Beweis erbracht, dass das Werk länger als nur für die eigene Downloadzeit zur Verfügung gestanden hat, da eine Ermittlung der IP-Adresse als Uploader stattgefunden hat, mithin eine Verbreitung erfolgt sein muss. Gerade im Hinblick darauf, dass – gerade anders als in anderen Verfahren derselben Klägerin – nur eine IP-Adresse zugeordnet worden ist, ist aber die Verbreitung lediglich an einem einzigen Tag bewiesen. Da die Lebenserfahrung es nahe legt, dass es sich bei dem seitens des ermittelnden Softwareuntenehmens stattgefundenen Download nicht um den einzigen stattgefundenen handelt, ist als Zeitraum der Verbreitung bei nur einer festgestellten IP-Adresse die durchschnittliche zu erwartende Nutzungszeit des Filesharing-Netzwerkes an einem Tag anzusetzen. Angesichts üblicher Arbeits-, Schlaf- und Abwesenheitszeiten erscheint eine dahingehend angemessen, dass pro Tag eine Verbindung mit dem Filesharing-Netzwerk für die Dauer von 3 Stunden erfolgt ist. In diesem Zeitraum ist unter Zugrundelegung der Geschwindigkeit eines DSL6000-Anschlusses ein Download durch Dritte bei einer Uploadgeschwindigkeit von 48 KB/s im Umfang von 506 MB möglich, mithin bei einer Chunkgröße von 9 MB können theoretisch 56 Kopien des Albums unter Beteiligung von Chunks des Beklagten gezogen werden. Die Annahme eines DSL6000-Anschlusses ist gerechtfertigt, da schnellere Anschlüsse im Jahr 2009 noch nicht so verbreitet waren. Im Hinblick auf das weltumspannende Filesharing-Netzwerk kann jedoch nicht davon ausgegangen werden, dass in diesem Zeitraum tatsächlich eine solche Anzahl von Kopien gezogen worden ist, die das ausschließliche Nutzungsrecht der Klägerseite beeinträchtigen, denn der Klägerin steht dieses nur für das Gebiet der BR Deutschland zu. Das hier streitgegenständliche Album beinhaltet jedoch ausschließlich englischsprachige Titel, die weltweit von Interesse sind. Der deutschsprachige Raum macht hier nur einen geringen Anteil aus, so dass lediglich 20% der rechnerisch angenommenen 56 Kopien zu berücksichtigen sind, mithin 11 Kopien. Ohne dass es in diesem Zusammenhang darauf ankommt, sei bemerkt, dass ein ähnlicher Abschlag auch bei deutschsprachigen Titeln im Hinblick darauf vorzunehmen sein wird, dass die Zahl der Interessenten aus dem Inland hieran nicht höher anzusetzen ist als bei im Inland beliebten englischsprachigen Interpreten. Es ergibt sich somit ein Betrag von 0,92 Euro * 11 = 10,12 Euro pro Werk.

1.2.5 Der so errechnete Betrag ist nun wiederum zu erhöhen, weil die bisherige Berechnung dem Wesen des Filesharing noch nicht hinreichend Rechnung trägt. Bei der Bildung der wurde der Filesharer bislang so behandelt als würde er das Werk lediglich an diejenigen Personen verbreiten, die bei ihm bereits angekommene Chunks der Datei downloaden. Dies ist jedoch nicht der Fall, weil der Filesharer mit dazu beiträgt, dass während der andere Nutzer, der Chunks des Filesharers herunterlädt, auf die Zusammenstellung des gesamten Werks aus verschiedenen Quellen wartet, dieser von ihm zur Verfügung gestellte Chunk durch den Herunterladenden wiederum an weitere Nutzer verbreitet wird. Indes würde es aber zu weit gehen, den einzelnen Filesharer letztlich für jede lauffähig erzeugte Kopie täterschaftlich haften zu lassen, an deren Entstehen er über die Verbreitungskette an irgendeiner Stelle beteiligt ist. Würde man dies tun, hätte dies zur Folge, dass die Teilnehmer am Filesharing-Netzwerk in ihrer Gesamtheit als Mittäter mit der Folge gesamtschuldnersicher Haftung nach § 840 Abs. 1 BGB anzusehen wären. Dies würde aber zu weit gehen, denn es erscheint im Hinblick auf die Anonymität und die fehlende hierarchische Organisation eines Filesharingnetzwerks unangemessen, jeden einzelnen Nutzer im Ergebnis für die Rechtsverletzungen des gesamten Netzwerkes haften zu lassen. Hierbei ist insbesondere zu bedenken, dass die gesamtschuldnerische Haftung sich auch daraus rechtfertigt, dass der einzelne Schädiger, der auf den vollen Betrag in Anspruch genommen wird, gemäß § 426 Abs. 1 S.1 BGB von den übrigen Schädigern Ausgleich verlangen kann. Dem einzelnen Filesharer ist es aber von Anfang an unmöglich, Ausgleichsansprüche gegen die ihm dauerhaft unbekannt bleibenden weiteren Nutzer geltend zu machen; ebenso ist es unmöglich zu ermitteln, in welcher Höhe die Forderung des Rechtsinhabers bereits durch Zahlung anderer Filesharer an ihn erfüllt ist. Bereits diese Überlegungen zeigen, dass der Begriff der Mittäterschaft überdehnt würde, wenn diese über die hier ermittelten lauffähigen Kopien, die unter unmittelbarer Beteiligung von Chunks des Beklagten zu Stande kommen können, ausgedehnt würde. Nur hinsichtlich dieses direkten Downloads von beim Beklagten bereits gespeicherten Werkteilen liegt Mittäterschaft der einzelnen unbekannten Filesharingnutzer vor, so dass der Beklagte gemäß § 840 Abs. 1 S.1 BGB auf den vollen lizenzanalogen Schadenersatz haftet, obwohl er lediglich für die Verbreitung eines Teils des Werkes verantwortlich ist.

Da somit also eine mittäterschaftliche Haftung des einzelnen Filesharers für die sich anschließende Weiterverbreitung nicht gegeben ist, ist diese durch eine angemessene Erhöhung des errechneten Betrages zu berücksichtigen, die sich daraus rechtfertigt, dass die bislang zum Vergleich angenommene zur Ermöglichung des Downloads durch Dritte eingriffsärmer ist als das vorgenommene Filesharing, dem eine weitergehende Verbreitung immanent ist. Bei der angemessenen Erhöhung ist zu berücksichtigen, dass die theoretisch errechnete Anzahl von Downloads unter Beteiligung von Chunks des Beklagten so tatsächlich nicht zu erwarten ist, weil Leerlaufzeiten mangels Nachfrage und Reaktionszeiten des Netzwerkes nicht berücksichtigt sind. Bei der Erhöhung des errechneten lizenzanalogen Schadenersatzes ist weiter zu berücksichtigen, dass der Verursachungsanteil des einzelnen Nutzers im Laufe der Weiterverbreitungskette immer mehr zurücktritt und auch bei der Weiterverbreitung zu berücksichtigen ist, dass diese überwiegend an Nutzer erfolgen wird, die nicht im Inland leben. Zudem ist zu berücksichtigen, dass gerichtsbekannt die Rechteinhaber sehr umfangreich gegen Nutzer von Filesharing-Netzwerken vorgehen, mithin also bei einer deutlichen Erhöhung des Einsatzbetrages die Gefahr der Überkompensation durch Zugriff auf mehrere Stellen des Netzwerkes besteht. Insgesamt erscheint dem Gericht im Hinblick auf diese Erwägungen eine Verdoppelung des oben errechneten Betrages zur Berücksichtigung der besonderen Eingriffsintensität des Filesharings angemessen und im Hinblick auf den geringen Verursachungsbeitrag des Einzelnen auch ausreichend. Damit ergibt sich nunmehr ein zu leistender Betrag von 20,24 Euro pro Werk. Angesichts der 13 Titel, die das Album aufweist, ergibt sich damit ein Gesamtbetrag von 263,12 Euro. Dieses Ergebnis bedarf keiner abschließenden Billigkeitskorrektur, weil er sich der Höhe nach in einem Bereich hält, der für den Beklagten zumutbar ist. Bei einer längeren Zurverfügungstellung von Musikalben, die rechnerisch einen Schadenersatz in Höhe von 200 Euro pro Titel ergeben können, wird eine Billigkeitskorrektur jedoch wohl vorzunehmen sein (so auch OLG Hamburg BeckRS 2013, 20105 für den Fall der Verbreitung nicht nur einzelner Werke, sondern eines vollständigen Musikalbums). Diese Billigkeitskorrektur rechtfertigt sich daraus, dass mit der Berechnung des Schadenersatzes nach der Methode der Lizenzanalogie eine Berechnungsart gewählt ist, der die Gefahr der Überkompensation immanent ist, da sie nicht auf den tatsächlich nachgewiesenen wirtschaftlichen Schaden abstellt. Zu dem bereits erläuterten Gebot, diese Berechnungsart gegenüber einer in verbraucherähnlicher Stellung handelnden Person zurückhaltend anzuwenden, gehört auch eine Billigkeitsüberprüfung dahingehend vorzunehmen, ob die Berechnungsart zu einem Schadenersatz in einer Höhe führt, die angesichts des Grades des persönlichen Verschuldens und dem gewonnen persönlichen Nutzen, der sich auf die einzige zur Eigennutzung gezogene Kopie beschränkt (so auch der zutreffende Gedanke von AG Köln 125 C 495/13 vom 10.03.2014, das allerdings unzutreffend den Schadenersatz am Wert der Einräumung eines Rechtes zur Eigennutzung bemisst und damit die Verbreitung gar nicht berücksichtigt), angemessen ist

Zum Gegenstandswert der Abmahnung

Streitwerte von 10‘000 Euro und mehr erscheinen nicht gerechtfertigt. Sie stehen außer Verhältnis zur Höhe des zu leistenden lizenzanalogen Schadenersatzes und berücksichtigen auch nicht hinreichend, dass durch die abmahnende Vorgehensweise gegen den Einzelnen das Filesharing in seiner Gesamtheit nur wenig berührt wird. Die Annahme eines hohen Streitwertes zum Zwecke der Generalprävention, also im Hinblick auf eine möglicherweise abschreckende Wirkung gegenüber Dritten, ist dem Zivilrecht wesensfremd und daher unzulässig (OLG Celle BeckRS 2011, 28345). Die Höhe des Streitwertes des Unterlassungsanspruchs ist gegenüber Privatpersonen zurückhaltend zu bestimmen und beträgt im Hauptsacheverfahren das Dreifache der Lizenzgebühr im Fall eines Fotos bei einer -Versteigerung (OLG Nürnberg NJOZ 2013, 1035). Das OLG Düsseldorf nimmt jedenfalls dann, wenn der Schadenersatz nach Lizenzanalogie sich aus einer hohen Jahreslizenz bemisst, selbst im Fall einer Verbreitung einer öffentlichen Fußball-Übertragung durch einen Gastwirt unter Verletzung der ausschließen Nutzungsrechte des Rechteinhabers, also bei einer Verletzung im kommerziellen Bereich, lediglich eine Verdreifachung des Schadenersatzes zur Bemessung des Streitwertes der Unterlassung vor (OLG Düsseldorf I 20 W 81/12 vom 19.12.2013). Geht es um Schadenersatz wegen Filesharings ist zu berücksichtigen, dass die Eingriffsschwere im Hinblick auf die Weiterverbreitungsmöglichkeit tiefer ist als bei einer zeitlich eng begrenzten privaten Ebay-Auktion. Allerdings ist auch zu berücksichtigen, dass die dem Filesharing immanente Möglichkeit unendlicher Weiterverbreitung bereits bei der Höhe des Schadenersatzes berücksichtigt ist und daher wenig Anlass besteht, aus diesem Grund nochmals den Streitwert massiv zu erhöhen. Insgesamt erscheint dem Gericht gegenüber einer Privatperson, die Filesharing betreibt, ein Streitwert in Höhe des Fünffachen des Schadenersatzes nach Lizenzanalogie, hier also 1‘315 Euro, angemessen.

Abmahnung als unbrauchbare Leistung

Indes sind die Abmahnkosten hier gar nicht durch die Beklagtenseite zu tragen, weil es sich bei der Abmahnung um eine gänzlich unbrauchbare Leistung handelt. Das OLG Düsseldorf hat eine Abmahnung, in der weder das einzelne Werk, das Gegenstand der Rechtsverletzung war, bezeichnet worden ist, noch eine hinreichend konkrete Unterlassungsverpflichtung deutlich wird, als derart unbrauchbar angesehen, dass eine Erstattung der Abmahnkosten mangels Verpflichtung des Auftraggebers zur Tragung derselben nicht in Betracht kommt. Das OLG Düsseldorf hat dabei weiter dahingehend formuliert, dass vorformulierte Unterlassungserklärungen als Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) anzusehen seien und das Verlangen einer Unterlassungsverpflichtung bezogen auf das gesamte Repertoire ohne Nennung konkreter Titel gemäß §§ 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam sei, weil hierdurch der Schuldner dadurch unangemessen benachteiligt werde, dass ihn das Risiko dafür treffe, ob ein bestimmtes Werk zum Repertoire der Klägerin gehört oder nicht (OLG Düsseldorf MMR 2012, 253). Dem ist beizupflichten. Das hier zur Anwendung gekommene Abmahnschreiben vom 08.07.2009 unterscheidet sich von dem der Entscheidung des OLG Düsseldorf zu Grunde liegenden dadurch, dass zwar das Musikalbum, das Gegenstand der Verletzungshandlung ist, konkret bezeichnet ist, jedoch wird der Beklagte sodann auch hier aufgefordert, es zu unterlassen, jegliches Musikrepertoire der Klägerin im Internet verfügbar zu machen oder auf sonstige Weise auszuwerten, zudem ist eine gleichlautende zur Unterschrift beigegeben. Mindestmaß für eine ordnungsgemäße Abmahnung ist ihre Fähigkeit, einen Unterlassungsprozess zu vermeiden (OLG München NJW-WettbR 1998, 65). Dies ist bei der verwendeten Formulierung der Abmahnung indes weiterhin nicht der Fall. Eine Filesharing-Abmahnung ist an den Empfängerhorizont einer nicht rechtlich erfahrenen verbraucherähnlich handelnden Person auszurichten; sie muss damit eine solche Person in die Lage versetzen, die Unterlassungserklärung, die nicht vorformuliert werden muss – jedoch wenn sie vorformuliert ist, brauchbar sein muss – so zu formulieren, dass sie rechtliche Wirksamkeit für sich beanspruchen kann. Eine rechtlich unerfahrene Person wird die Abmahnung aber zum Anlass nehmen, eine Unterlassungserklärung so abzugeben wie sie in der Unterlassungsaufforderung formuliert ist, nämlich bezogen auf das gesamte Musikrepertoire ohne Nennung eines konkreten Titels. Eine solche Unterlassungserklärung wäre aber nicht geeignet, einen Unterlassungsprozess zu vermeiden, weil sie aus den von OLG Düsseldorf MMR 2012, 253, dargestellten Gründen unwirksam ist und zwar auch dann, wenn eine gleichlautende Unterlassungserklärung nicht beigegeben ist, denn es macht keinen Unterschied, ob die Unterlassungserklärung als separates Dokument beiliegt oder dem Empfänger der Abmahnung durch die dort gewählte Formulierung nahegelegt wird, welche Formulierung der Abmahnende erwartet. In beiden Fällen ist dem Empfänger vorformuliert, welche Reaktion von ihm erwartet wird, so dass in beiden Fällen Allgemeine Geschäftsbedingungen vorliegen.

Die von der Klägerin verwendete Formulierung des Unterlassungsbegehrens unterscheidet sich wesentlich von der vielfach in anderen Abmahnungen sinngemäß verwendeten „… es zu unterlassen, geschütztes Repertoire, insbesondere das Werk XXX…, zu verbreiten…“ Würde eine dieser Aufforderung entsprechende Unterlassungserklärung abgegeben, wäre diese zwar hinsichtlich des überschießenden Teiles unwirksam, würde aber für den Titel, der konkret Anlass der Abmahnung war, dennoch Geltung beanspruchen können und damit in der Lage sein, einen Unterlassungsprozess zu vermeiden. Von einer Privatperson als Empfänger einer Abmahnung kann nicht erwartet werden, dass diese selbstständig die in der Abmahnung formulierte Unterlassungsaufforderung bei Abgabe der Unterlassungserklärung dahingehend einschränkt, dass diese auf ein bestimmtes Werk bezogen wird. Auch wenn dies im Einzelfall so sein mag, dient die Formulierung der Standardabmahnung nebst Beigabe der wortgleichen Unterlassungserklärung ersichtlich dem Zweck, den Empfänger zu veranlassen, die vorformulierte gemäß §§ 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB jedoch unwirksame Unterlassungserklärung abzugeben. Dies genügt im Hinblick auf die damit verbundene Gefährdung des Ziels, außergerichtlich eine wirksame Unterlassungserklärung zu erhalten, für die Annahme einer unbrauchbaren anwaltlichen Dienstleistung. In einem gedachten Prozess zwischen Auftraggeber und abmahnendem Rechtsanwalt würde daher auch für jede so formulierte Abmahnung nebst Unterlassungserklärung der Vergütungsanspruch unabhängig davon entfallen, wie die Empfängerseite sich konkret auf die Abmahnung hin verhalten hat.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

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