Der Bundesgerichtshof (KZR 108/10) hat – bisher wenig beachtet – eine alte Streitfrage entschieden und festgestellt, dass Fernsehsender tatsächlich urheberrechtlichen Schutz für via Pressemitteilung gestellten Programmdaten reklamieren können. Darüber hinaus steht denjenigen, die unter Rückgriff auf diese Pressemitteilungen (ohne Einwilligung des Senders) darüber berichten wollen, nicht die Schranke des §50 UrhG („Berichterstattung über Tagesereignisse“) zur Verfügung.
Inhaltlich geht es hier um den Streit zwischen (kostenlosen) Programmführern und Fernsehsendern, die Ihre Informationen kommerziell vermarkten möchten.
Sachverhalt
Der Sachverhalt ist mitunter etwas abstrus: Die hier betroffenen Fernsehsender stellen Informationen (Texte und Bilder) zum Tagesprogramm in „Presselounges“ zur Verfügung. Gleichwohl wird damit nicht in eine Verwertung eingewilligt, sondern es gibt eine Verwertungsgesellschaft, die exklusiv die Verwertungsrechte für diese Informationen führt. Wer die Informationen nutzen möchte, muss bei der Verwertungsgesellschaft die Rechte einkaufen. Sprich: Man soll dafür bezahlen, das Fernsehprogramm der Fernsehsender seinen Lesern bekannt zu geben und es zu bewerben. Aber: Das trifft nur elektronische Programmführer, Verlagen von gedruckten Presseerzeugnissen wurden die Informationen kostenlos zur Verfügung gestellt.
Das potentielle Interesse der Leser macht es damit möglich, dass Fernsehsender sich bezahlen lassen, damit man ihr Angebot bewerben darf. Ein elektronischer Programmführer stritt nun u.a. darüber, ob diese Informationen überhaupt urheberrechtlichen Schutz genießen und ob man in diesem Fall nicht dennoch unter Rückgriff darauf berichten darf. Speziell, aber nicht nur, die Bilder stehen dabei natürlich in einem besonderen Interesse, denn eine Fernsehzeitung ohne Bilder zu den Filmen ist schnell „langweilig“.
Urheberrechtlicher Schutz
Zur Erinnerung: Pressemitteilungen genießen bereits nach bisheriger Rechtsprechung urheberrechtlichen Schutz (dazu hier bei uns). Der BGH hat sich zu dieser Frage nicht ausdrücklich geäußert, da er als Revisionsinstanz lediglich Rechtsfehler bewertet und einen solchen bei dem von den Vorinstanzen erkannten Urheberrechtsschutz nicht sehen konnte. Jedenfalls wäre es aber ein Trugschluss, alleine weil von einer „Pressemitteilung“ die Rede ist, einen urheberrechtlichen Schutz in Frage zu stellen – geprüft werden muss der jeweils konkrete Text. Die bisherige Rechtsprechung, die bei Pressemitteilungen durchaus einen grundsätzlichen urheberrechtlichen Schutz mit der entsprechend notwendigen Schöpfungshöhe erkennt, begegnet da keinen Bedenken.
Schranke: Berichterstattung
Spannend ist dagegen die Frage, ob ein Fall des §50 UrhG vorliegt. Dieser sieht ein Nutzungsrecht vor:
Zur Berichterstattung über Tagesereignisse […] die im Wesentlichen Tagesinteressen Rechnung tragen, sowie im Film, ist die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe von Werken, die im Verlauf dieser Ereignisse wahrnehmbar werden, in einem durch den Zweck gebotenen Umfang zulässig.
Strittig war hier, ob die in den Pressemitteilungen verwendeten Texte und Bilder in den betroffenen Filmen „wahrnehmbar“ sind. Tatsächlich erfährt man das, was der Text beschreibt, ja durch das ansehen des Films. Ebenso wird irgendwo in dem Film das Bild auftauchen, das der Sender für die Pressemitteilung ausgewählt hat. Also „wahrnehmung“ der Informationen?
Nein, sagt der BGH: Hinsichtlich der Texte geht es wenn, dann ja nur um eine inhaltliche Wahrnehmung. Niemand in dem betroffenen Film liest den selbst erstellten Text der Fernsehsender vor. Vielmehr weiss man hinterher inhaltlich nur das, was der Text beschreiben kann. Eine solche „mittelbare Wahrnehmung“ sprengt damit mit dem BGH – m.E. zu Recht – den Wortsinn des Gesetzestextes. Die Schranke kann hinsichtlich der Texte somit nicht greifen.
Was für Fotografien liegen vor?
Bei den Bildern wurde wieder gestritten: Nämlich darum, ob hier überhaupt Bilder aus dem Film vorliegen, oder ob es sich um „Set-Fotografien“ handelt – das sind von Fotografen speziell gefertigte Bilder. Der BGH ließ das offen, denn letztlich (und das lässt sich auch auf die Texte übertragen!) besteht gar kein Anwendungsbereich des §50 UrhG:
Die Schrankenregelung des § 50 UrhG dient der Meinungs- und Pressefreiheit sowie dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit. Sie soll die anschauliche Berichterstattung über aktuelle Ereignisse in den Fällen, in denen Journalisten oder ihren Auftraggebern die rechtzeitige Einholung der erforderlichen Zustimmungen noch vor dem Abdruck oder der Sendung eines aktuellen Berichts nicht möglich oder nicht zumutbar ist, dadurch erleichtern, dass sie die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe geschützter Werke, die im Verlauf solcher Ereignisse wahrnehmbar werden, ohne den Erwerb entsprechender Nutzungsrechte und ohne die Zahlung einer Vergütung erlaubt. Ist es dem Berichterstatter oder seinem Auftraggeber möglich und zumutbar, vor dem Abdruck oder der Sendung des Berichts die Zustimmung des Rechtsinhabers einzuholen, gibt es keine Rechtfertigung dafür, sich über die Belange des Berechtigten hinwegzusetzen (BGHZ 175, 135 Rn. 49 TV-Total).
Und eben so ist es hier: Der BGH will gar nicht erst erkennen, dass es unzumutbar ist, die Einwilligung einzuholen. Die Privilegierung des §50 UrhG ist damit weiterhin nur in engem Rahmen möglich. Andererseits stellt sich natürlich die Frage, wenn solche Informationen etwa an Zeitschriften kostenlos weitergegeben werden, ob das kartellrechtlich von Bedeutung ist. Eine solche Ungleichbehandlung von Internet-Programmführern und gedruckten Presseerzeugnissen spielt mit dem BGH aber ausdrücklich auch nur kartellrechtlich eine Rolle und ist im Rahmen des §50 UrhG aussen vor zu lassen.
Unlautere Diskriminierung?
Ob sich elektronische Programmführer letztlich tatsächlich auf eine unlautere Diskriminierung durch ein marktbeherrschendes Unternehmen (§20 GWB) berufen können, ist noch offen – der BGH hat die Sache zur Entscheidung diesbezüglich zurück an die Vorinstanz gewiesen, damit diese entscheidet. Zugleich hat der BGH aber festgestellt, dass eine Ungleichbehandlung definitiv anzunehmen ist (zwischen elektronischem Programmführer und gedruckter Zeitschrift). Insofern wird das Gericht in Zukunft prüfen müssen, ob für diese Ungleichbehandlung ein sachlicher Grund zu sehen ist. Einen solchen in der geschalteten Werbung zu erkennen hat der BGH zu Recht verneint – die gibt es schliesslich auch in gedruckten Fernsehzeitschriften. Aber zugleich hat der BGH darauf hingewiesen, dass ein solch sachlicher Grund darin zu erkennen sein könnte, dass Fernsehsender selber das Internet nutzen möchten, um Programminformationen mit Werbung zu verbreiten, somit elektronische Programmführer quasi in Konkurrenz zu den Fernsehsendern treten könnten. Dies wird sich zum Knackpunkt in der Frage entwickeln.
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