Unlautere Behinderung durch Domainregistrierung?

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) in der Rechtssache „ahd.de“ (Az. I ZR 135/06) befasst sich mit der Frage, unter welchen Voraussetzungen die Registrierung eines Domainnamens eine wettbewerbsrechtlich unzulässige Behinderung darstellt. Der Fall hat weitreichende Bedeutung für den Online-Handel und das Domainrecht, insbesondere im Spannungsfeld zwischen freiem Wettbewerb und Schutz unternehmensbezogener Kennzeichen.

Sachverhalt

Die Klägerin, ein IT-Dienstleister, nutzt seit Oktober 2001 im geschäftlichen Verkehr die Kurzbezeichnung „ahd“ und ist zudem Inhaberin einer 2003 eingetragenen Wort-/Bildmarke „ahd“. Die Beklagte zu 1, vertreten durch den Beklagten zu 2 als Geschäftsführer, hatte bereits seit 1997 die Domain „ahd.de“ registriert und bot unter dieser Adresse wechselnde Internetinhalte an, ursprünglich lediglich mit einem Hinweis auf eine entstehende Webpräsenz.

Die Beklagte betrieb Domain-Grabbing im größeren Stil: Sie ließ tausende Domains auf sich registrieren, um sie potenziellen Interessenten zu verkaufen oder zur Nutzung zu überlassen. Die Klägerin verlangte die Löschung der Domain „ahd.de“ sowie Unterlassung der Nutzung zu geschäftlichen Zwecken, gestützt auf wettbewerbsrechtliche und kennzeichenrechtliche Ansprüche.

Rechtliche Würdigung

Wettbewerbsrechtliche Unlauterkeit (§§ 3, 4 Nr. 10 UWG a.F.)

Zentral war die Frage, ob die Registrierung von „ahd.de“ eine gezielte Behinderung i.S.d. § 4 Nr. 10 UWG a.F. darstellt. Nach ständiger Rechtsprechung kann eine Domainregistrierung unlauter sein, wenn sie gezielt darauf abzielt, einen Mitbewerber in der Entfaltung seiner wirtschaftlichen Betätigung zu behindern. Der BGH verneinte dies im vorliegenden Fall und stellte klar, dass die Registrierung einer Domain nur dann wettbewerbswidrig ist, wenn besondere Umstände hinzutreten, die eine gezielte Störung der Mitbewerberfunktion nahelegen.

Solche Umstände lagen hier nicht vor: Zum Zeitpunkt der Registrierung war die Bezeichnung „ahd“ noch nicht als Unternehmenskennzeichen in Gebrauch. Auch das Geschäftsmodell des Domainhandels – selbst in großem Stil – sei für sich genommen nicht per se unlauter.

Kennzeichenrecht (§ 5 MarkenG)

Die Klägerin konnte sich auch nicht mit Erfolg auf ihr Unternehmenskennzeichen stützen. Zwar kann die Benutzung eines identischen oder ähnlichen Zeichens durch Dritte eine Verletzung des § 5 MarkenG darstellen, doch scheiterte dieser Anspruch daran, dass der Domainname „ahd.de“ bereits registriert war, bevor die Klägerin „ahd“ geschäftlich nutzte.

Entscheidend ist bei solchen Kollisionen regelmäßig die zeitliche Priorität. Da die Domain „ahd.de“ bereits 1997 registriert wurde und die Klägerin das Kürzel erst ab 2001 verwendete, bestand kein Vorrang ihrer Rechte. Die spätere Eintragung einer Marke kann ältere Rechte des Domaininhabers nicht verdrängen.

Ergebnis der revisionsgerichtlichen Prüfung

Der BGH hob die Urteile der Vorinstanzen (LG und OLG Hamburg), die die Beklagten zur Löschung der Domain und zur Unterlassung verurteilt hatten, teilweise auf. Insbesondere wies er den Löschungsanspruch zurück. Die Revision der Beklagten war insoweit erfolgreich.

Rechtsanwalt Jens Ferner, TOP-Strafverteidiger und IT-Rechts-Experte - Fachanwalt für Strafrecht und Fachanwalt für IT-Recht

Diese Entscheidung unterstreicht eine wichtige Grenze des Wettbewerbs- und Markenrechts im Kontext des Domainrechts: Nicht jede Domainregistrierung ist unlauter – selbst dann nicht, wenn sie kommerziell motiviert ist und mehrere tausend Domains umfasst. Ohne einen erkennbaren Bezug zu einem konkreten Unternehmen bei der Registrierung fehlt es an der gezielten Behinderung.

Kernaussage

Die Entscheidung „ahd.de“ verdeutlicht, dass der Grundsatz der Priorität im Domainrecht ein hohes Gewicht hat. Eine bloße spätere Nutzung eines Kürzels im geschäftlichen Verkehr durch ein Unternehmen reicht nicht aus, um einen älteren Domaininhaber zum Verzicht zu verpflichten. Maßgeblich ist stets das Vorliegen „besonderer Umstände“, die eine unlautere Mitbewerberbehinderung konkret begründen – an denen es hier fehlte. Diese Linie stärkt die Rechtssicherheit für Domainhändler und betont zugleich, dass Unternehmen frühzeitig Schutzrechte an ihren Kennzeichen etablieren müssen, um effektive Ansprüche durchzusetzen.

Fachanwalt für Strafrecht & IT-Recht bei Anwaltskanzlei Ferner Alsdorf
Rechtsanwalt Jens Ferner ist Fachanwalt für Strafrecht sowie Fachanwalt für IT-Recht und widmet sich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht - mit Schwerpunkten in Cybercrime, Cybersecurity, Softwarerecht und Managerhaftung. Er ist zertifizierter Experte für Krisenkommunikation & Cybersecurity; zudem Autor sowohl in Fachzeitschriften als auch in einem renommierten StPO-Kommentar zum IT-Strafprozessrecht sowie zur EU-Staatsanwaltschaft. Als Softwareentwickler ist er in Python zertifiziert und hat IT-Handbücher geschrieben.

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Unsere Kanzlei ist spezialisiert auf Starke Strafverteidigung, seriöses Wirtschaftsstrafrecht und anspruchsvolles IT-Recht inkl. IT-Sicherheitsrecht - ergänzt um Arbeitsrecht mit Fokus auf Managerhaftung. Von Verbrauchern werden allein Strafverteidigungen und im Einzelfall Fälle im Arbeitsrecht übernommen!
Rechtsanwalt Jens Ferner

Von Rechtsanwalt Jens Ferner

Rechtsanwalt Jens Ferner ist Fachanwalt für Strafrecht sowie Fachanwalt für IT-Recht und widmet sich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht - mit Schwerpunkten in Cybercrime, Cybersecurity, Softwarerecht und Managerhaftung. Er ist zertifizierter Experte für Krisenkommunikation & Cybersecurity; zudem Autor sowohl in Fachzeitschriften als auch in einem renommierten StPO-Kommentar zum IT-Strafprozessrecht sowie zur EU-Staatsanwaltschaft. Als Softwareentwickler ist er in Python zertifiziert und hat IT-Handbücher geschrieben.

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