SIM-Lock ist Geschäftsgeheimnis: Unbefugte Aufhebung der Kartensperre eines Mobiltelefons

Das OLG Karlsruhe (2 (6) Ss 318/15- AK 99/15) hat die vormalige Entscheidung des AG Heidelberg (hier von mir besprochen) letztlich bestätigt und festgestellt:

  1. Der Entsperr-Code („Unlock-Code“) zur Aufhebung der Kartensperre eines Mobiltelefons („SIM-Lock“) stellt ein im Sinne des § 17 Abs. 2 UWG dar.
  2. Der Entsperr-Code wird nicht dadurch offenkundig, dass er im Internet – gesondert für jedes einzelne Mobiltelefon – unter erheblichen Schwierigkeiten unbefugt in Erfahrung zu bringen ist.

Das besondere war hier das Vorbringen des Angeklagten, die Codes wären frei im Internet verfügbar gewesen. Das OLG hat nun klar gestellt, dass dies aus seiner Sicht nichts an der Geheimheit einer Tatsache ändern kann.

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Aus der Entscheidung:

Der SIM-Lock-Code des einzelnen Mobiltelefons stellt ein Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis gemäß § 17 Abs. 1 und 2 UWG dar (so auch Müller-Gugenberger/Bieneck, Wirtschaftsstrafrecht, 6. Auflage 2015, § 42 Rn. 83; Busch/Giessler, SIM-Lock und Prepaid-Bundles – Strafbarkeit bei Manipulation, MMR 2001, 586; Wolf, Strafrechtliche Bewertung des Missbrauchs von Mobiltelefon-Prepaid-Paketen und SIM-Karten, MMR 10/2003, XIV).

Das ist im UWG nicht definiert. Unter den Begriff des Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisses iSd § 17 Abs. 2 UWG fallen nur solche betriebsbezogene Tatsachen, die nach dem erkennbaren Willen des Betriebsinhabers geheim gehalten werden sollen, die ferner nur einem begrenzten Personenkreis bekannt und damit nicht offenkundig sind und hinsichtlich derer der Betriebsinhaber deshalb ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse hat, weil die Aufdeckung der Tatsache geeignet wäre, dem Geheimnisträger wirtschaftlichen Schaden zuzufügen (BGH NStZ 2014, 325 mwN). Sie unterscheiden sich dadurch, dass sich das Geschäftsgeheimnis auf den kaufmännischen Geschäftsverkehr, das Betriebsgeheimnis auf technische Inhalte bezieht (Ernst in: Ullmann, jurisPK-UWG, 3. Aufl. 2013, § 17 UWG Rn. 13).

Offenkundig und damit nicht geheim ist eine Tatsache, wenn sie allgemein bekannt oder dergestalt beliebigem Zugriff preisgegeben ist, dass für jeden an ihr Interessierten die Möglichkeit besteht, sich unter Zuhilfenahme lauterer Mittel ohne größere Schwierigkeiten und Opfer von ihr Kenntnis zu verschaffen (Hammer in Graf/Jäger/Witt, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, 2011, 770 UWG § 17 Rn. 9 m.w.N.).

Die Angriffe der Revision – es läge bei den Unlock-Codes kein Geschäftsgeheimnis vor – verfangen letztlich nicht. Selbst wenn es möglich gewesen sein sollte, im Jahr 2008 über bestimmte Internetseiten an eine Möglichkeit der Entsperrung des individuellen SIM-Lock-Codes des einzelnen Mobiltelefons (über eine spezielle Entsperrungssoftware) zu gelangen, bedurfte dies eines erheblichen und unlauteren Aufwandes und war damit jedenfalls nicht offenkundig. Vielmehr musste eine vom Vertreiber eingestellte, erkennbare und individuelle technische Sperre mit Hilfe des Einsatzes von Technik, die von externen Programmieren entwickelt wurde, im Internet gesucht (und begriffen) sowie das einzelne Mobiltelefon technisch manipuliert werden. Die Sperre musste in jedem Einzelfall mit einem anderen individuellen Code überwunden werden, sodass „der“ Entsperr-Code gerade nicht offenkundig war; vielmehr musste einige (kriminelle) Energie eingesetzt werden, um den individuellen Code aufzuheben. Dies ergibt sich nicht zuletzt aus der teilweise geständigen Einlassung des Angeklagten (Feststellungen zum komplizierten Vorgehen des Angeklagten UA S. 5 und Einlassung des Angeklagten UA S. 14). Dieser teilte mit, dass 2008 Entsperr-Codes im Internet kursiert seien, erklärte jedoch auch, dass die Durchführung (der im Internet angebotenen Verfahren) und die Generierung der Codes sowie das Entsperren der Mobiltelefone selbst nicht einfach gewesen seien. Diese Einlassung wurde durch den Zeugen KHK R. bestätigt, dem gegenüber der Angeklagte im umfassende Angaben insbesondere dazu gemacht hatte, auf welche Art und Weise er den SIM-Lock entfernt habe bzw. wie dieser entfernt werden könne und welche Schwierigkeiten auf den verschiedenen Wegen zu überwinden gewesen seien (vgl. UA S. 15f).

Der SIM-Lock-Code jedes einzelnen Mobiltelefons war nach dem Willen der Geschäftsinhaber nur einem sehr begrenzten Personenkreis bekannt (nur den Mitarbeitern, welche die Codes für die einzelnen Telefone einstellten) und nicht etwa – was der Fall gewesen wäre, wenn der Entsperr-Code für jedes einzelne Mobiltelefon ohne weiteres im Netz (oder sonst wo aufgelistet und einfach aufrufbar gewesen wäre) – für jedermann offenkundig. Dies wurde weder behauptet noch ist es ansonsten ersichtlich. Dass ein eingerichteter Sperr-Code durch technische Manipulation umgangen werden kann, ändert nichts an seiner Bestimmung, ein Geheimnis zu schützen und macht das Geheimnis nicht offenkundig.

Der SIM-Lock-Code stellt vielmehr ein betriebsbezogenes Geheimnis dar. Das Mobiltelefon wird im „Bundle“ von einem Anbieter aus Marktgesichtspunkten (Kundenbindung) billiger verkauft und gerade deshalb für andere Anbieter gesperrt, weshalb der SIM-Lock-Code nach dem erkennbaren Willen des Betriebsinhabers geheim gehalten werden soll (vgl. BGHSt 40, 331,- juris Rn. 22 -: Das Programm eines Geldspielautomaten stellt ein Betriebsgeheimnis dar. „Dass bei unerlaubtem Einsatz eines solchen Hilfsmittels [unbefugt beschafftes Programm] der Aufsteller das Benutzen des Spielgeräts nicht gestattet, tritt so deutlich zutage, dass nicht davon gesprochen werden kann, es handle sich um einen Vorbehalt, der sich im Motivationsbereich erschöpfe. Vielmehr fehlt es hier an einer grundlegenden Voraussetzung für befugtes Spielen“).

Der Betriebsinhaber hat auch ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse, weil die Aufdeckung des Codes geeignet wäre, dem Geheimnisträger wirtschaftlichen Schaden zuzufügen. Bei Lösung der Sperre entfällt die mit dem Code hergestellte Bindung des Mobiltelefons an den Anbieter und der Anbieter hätte das konkrete Mobilteil umsonst subventioniert in der Erwartung, dass während des Bestehens des SIM-Locks (regelmäßig zwei Jahre) nur über den Anbieter Verbindungen (SIM-Karten) bezogen und gekauft werden und er somit durch den Code letztlich ausgleichenden Gewinn macht, da das günstiger verkaufte Mobiltelefon mindestens zwei Jahre berechtigt nur über ihn gebührenpflichtig benutzt werden kann.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

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