Übersicht: Wichtige Normen aus dem Handelsrecht

Das bietet sich in Zivilrechtlichen Klausuren für Fortgeschrittene oder im Examen an, um einzelne Problemstellungen zu vertiefen und dabei den berühmten „Schockeffekt“ bei den Klausurbearbeitern zu erzeugen. Dabei wird im Regelfall eben kein „Handelsrecht“ abgefragt, sondern eine bestimmte Regelung wird durch Normen des HGB leicht differenziert – etwa die Formvorschriften bei der Bürgschaft, die durch §350 HGB abgeändert werden.

Ich habe (natürlich, alles andere wäre Wahnsinn!) das Thema mit einem verständlichen Lernbuch (ich empfehle weiterhin das von Jung) aufgearbeitet und die Grundzüge verstanden. Ansonsten habe ich einige wenige Kern-Normen gelernt bzw. gelernt dass es dazu was im HGB gibt (und wo) und dann in den Klausuren sowie in der mündlichen Prüfung alleine damit gearbeitet. Da es sich bewährt hat, gebe ich diese Normen hier nun weiter – vielleicht hilft es ja als Überblick, damit auch andere sich eine Grundstruktur erarbeiten können.

Als erstes muss die Definition von „Gewerbe“ sitzen. Hierunter versteht man

Jede Tätigkeit, die äusserlich erkennbar ist, selbstständig ist, planmässig auf gewisse Dauer, zum Zwecke der Gewinnerreichung ausgeübt wird und kein freier Beruf ist.

Bei den „freien Berufen“ merkt man sich nicht Einzelfälle, sondern nur den §1 PartGG, in dem stehen die nämlich aufgelistet.

Neben der Definition des Gewerbes merkt man sich die §§1,2,5,6 HGB. Einfach lesen, erklärt sich von selbst (wie fast alles im HGB!). Ausserdem muss man sich in Sachen „Eintragung ins Handelsregister“ die §§15, 19 HGB merken.

Wer das bis hierhin drauf hat, gelesen hat und ein bisschen Kreativität mitbringt, kann schon viele Probleme aus dem Bereich in den Griff bekommen. Beispiel: Eine KG existiert noch im Handelsregister, der Betrieb ist aber schon lange unter die Schwelle gefallen, die man als Handelsgewerbe betrachten kann. Bei der Frage, ob nun der Kommanditist trotzdem nur mit seiner bereits geleisteten Einlage haftet, hilft der Blick in den schon erwähnten §5 HGB.

Die nächsten „Anker“ im Gesetzestext sind die Hilfspersonen, hier kann man wie folgt unterscheiden:

Wieder: Einfach lesen, merken und im Klausurfall an die Regel denken „+-3“, sprich: Zumindest die nächsten und vorhergehenden 3 Paragraphen mitlesen. In einer normalen Zivilrechtsklausur wird Handelsrecht kein Schwerpunkt sein – wenn dann eine Ladenverkäuferin handelt und man sich dunkelt erinnert, dass es im HGB den Ladenangestellten überhaupt gibt, wird man den richtigen Weg schon finden. Wer direkt den §56 HGB aufschlägt, hat etwas Zeit gespart. Vertieftes Wissen – etwa die Frage, ob der §56 HGB eine dingliche oder fiktive rechtsgeschäftliche Handlungsvollmacht ist – wird zumindest in Klausuren nicht erwartet.
Denkt aber automatisch bei den selbstständigen Hilfspersonen, speziell beim Kommissionär! – an die Drittschadensliquidation, die lässt sich hier gut einbauen – anders als beim Frachtführer, da hier die §§414, 421 HGB bereits die meisten Lücken schliessen werden. Wie immer gilt aber: Einfach lesen. Merkt euch hier keine Einzelfallprobleme, sondern nur, dass es den Frachtführer gibt und lest im Inhaltsverzeichnis, welche Sonderregelungen es bei Haftungsproblemen gibt.

Im Rahmen der Geschäftsabwicklung waren für mich immer folgende Paragraphen von besonderer Bedeutung:

  • §346 HGB, der Handelsbräuche einfliessen lässt. Hier gehört übrigens auch das kaufmännische Bestätigungsschreiben hin, nicht zum §362 HGB!
  • §362 HGB ist nochmals ein Sonderfall zur rechtlichen Bedeutung von Schweigen
  • §366 HGB: Im Rahmen des Erwerbs vom Nichtberechtigten immer im Hinterkopf haben
  • §349 HGB: Die Bürgschaft hat einige Sonderregeln unter Kaufleuten, speziell §350 HGB bedenken
  • §352 HGB: Auch für Zinsen gelten unter Kaufleuten (natürlich) Sonderregeln
  • §369 HGB: Sonderregeln zum Zurückbehaltungsrecht
  • §354a HGB: Wichtig! Immer wenn es um Abtretungen geht, an den §354a HGB denken, sowie an den §137 BGB sowie §399 BGB. Wenn ihr die Normen nicht auswendig in einen Zusammenhang bringen könnt, arbeitet das nach – ist ein Standardproblem, das sitzen sollte.
  • §377 HGB: Die Untersuchungsobliegenheit von Kaufleuten ist im Bereich der Sachmängel immer ein kleiner Kniff, den man anwenden kann. Aber Vorsicht: Nicht in Versuchung fallen, aus dem §377 HGB darauf zu schliessen, das dem Verbraucher spezielle Rechte zustehen sollen. Beispiel U1 kauft bei U2 Waren, die er an den Verbraucher V veräussert. Wenn U1 seinen Pflichten aus §377 HGB nicht nachgekommen ist (und er unbemerkt mangelhafte Ware an V veräussert), lässt sich alleine daraus im Regelfall nicht erschliessen, dass eine Pflichtverletzung vorliegt, die den V zu etwas berechtigt.

Das Wichtigste ist, daran zu denken, dass man in einer normalen Zivilrechtsklausur vielleicht das HGB als Randerscheinug oder Aufhänger haben wird, aber nicht als Schwerpunkt. Dabei spielen Kaufmannseigenschaften manchmal nur in Abwandlungen eine Rolle oder sind Gimmicks. Ein kurzes Beispiel aus einer meiner Klausuren:

G möchte D einen Kredit geben. Die Schwester des S (eine erfolgreiche Kauffrau) ist dem G bekannt und er fordert D auf, von S eine Bürgschaft beizubringen. Erst wenn die Bürgschaft vorliegt, werde G dem D einen Kredit geben.

D wendet sich nun hilfesuchend an die S, die ihrerseits kurz ein Schreiben aufsetzt und dem G postalisch zusendet, in dem sie sich selbstschuldnerisch verbürgt. Das Schreiben geht G zu, der es ohne weitere Kommunikation mit D und S abheftet und dem D sofort den Kredit überweist.

Frage nun: Ist der Bürgschaftsvertrag zustande gekommen?

Nicht wenige Klausurbearbeiter waren von der hervorgehobenen Betonung der „Kauffrau“ schon geblendet, und stürzten sich auf die §§350 HGB, 381 BGB. Sie kamen zum Ergebnis, die S hätte dem G die Bürgschaft angeboten, die dieser aber nur konkludent angenommen hat, was durch die Sondervorschriften des HGB „geheilt“ wird. Bei genauer Betrachtung aber wird man erkennen, dass der D (als Bote des G) der S bereits ein Angebot des G auf Abschluss eines Bürgschaftsvertrages übermittelt hat. Die S hat mit ihrem Schreiben das Angebot des G angenommen (und eben kein eigenes Angebot gemacht). Eine weitere Reaktion des G war somit nicht erforderlich.

Daher mein Fazit zu Gebieten wie Handelsrecht, Gesellschaftsrecht oder auch Familienrecht: Grundstrukturen werden erwartet, die man im Regelfall mit einer guten Orientierung im Gesetz in einer Klausur auch meistern kann. Mein Rat: Lasst euch nicht bekloppt machen, schafft euch Orientierungspunkte und kennt das ein oder andere spezielle Thema. Wenn man dann in der entsprechenden Klausur daran denkt, dass man ja eben keine Handelrechts-Klausur, sondern eine Zivilrechtsklausur schreibt, läuft das schon vernünftig.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften. Dabei bin ich fortgebildet in Krisenkommunikation und Compliance.

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