In einem aktuellen Beschluss des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 5. März 2024 (1 StR 366/23) wurde ein Urteil des Landgerichts Karlsruhe aufgehoben und zur erneuten Verhandlung zurückverwiesen.
Der Hauptgrund für die Aufhebung war ein Informationsdefizit des Angeklagten aufgrund mangelnder Übersetzung der Anklageschrift. Dieser Beitrag beleuchtet die rechtlichen Aspekte der Entscheidung und erklärt, warum die ordnungsgemäße Übersetzung der Anklageschrift von entscheidender Bedeutung ist.
Sachverhalt
Der Angeklagte wurde vom Landgericht Karlsruhe wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von 13 Jahren und sechs Monaten verurteilt. Der Angeklagte, der nur rudimentäre Deutschkenntnisse besitzt, beantragte zu Beginn der Hauptverhandlung deren Aussetzung, da ihm die Anklageschrift nicht in die türkische Sprache übersetzt worden war.
Obwohl das Landgericht versprach, eine solche Übersetzung während der Unterbrechung der Hauptverhandlung bereitzustellen, erhielt der Angeklagte bis zum Ende der Hauptverhandlung keine schriftliche Übersetzung der Anklageschrift. Lediglich der Anklagesatz wurde während der Verlesung mündlich übersetzt.
Rechtliche Analyse
Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren
Gemäß Art. 6 Abs. 3 Buchst. a) der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) hat jeder Angeklagte das Recht, in einer ihm verständlichen Sprache über die Natur und den Grund der gegen ihn erhobenen Beschuldigung informiert zu werden. Dieses Recht soll sicherstellen, dass der Angeklagte seine Verteidigung effektiv vorbereiten und auf die gegen ihn erhobenen Vorwürfe angemessen reagieren kann.
Relevanz der schriftlichen Übersetzung
Der BGH betonte, dass die schriftliche Übersetzung der Anklageschrift in der Regel vor der Hauptverhandlung erfolgen muss, um dem Angeklagten eine umfassende Kenntnis des Verfahrensgegenstands zu ermöglichen. Die mündliche Übersetzung des Anklagesatzes allein genügt nur in Ausnahmefällen, wenn der Verfahrensgegenstand tatsächlich und rechtlich einfach zu überschauen ist. Im vorliegenden Fall, der schwerwiegende und komplexe Vorwürfe des versuchten Mordes beinhaltete, reichte die mündliche Übersetzung des Anklagesatzes nicht aus.
Fehlende Übersetzung und Verteidigungsrechte
Das Landgericht Karlsruhe hatte dem Angeklagten den Haftbefehl in türkischer Sprache ausgehändigt, was jedoch nicht ausreichend war, da dieser nur ein Mordmerkmal enthielt, während die Anklageschrift zwei Mordmerkmale umfasste. Der Angeklagte konnte daher die Anklageschrift nicht vollständig nachvollziehen und sich nicht angemessen verteidigen. Der BGH stellte fest, dass ein Angeklagter nur dann hinreichend Einfluss auf die Entscheidung nehmen kann, wenn ihm der Verfahrensgegenstand in vollem Umfang bekannt ist.
Problem mit dem Dolmetscher
Das Hauptproblem in diesem Fall lag darin, dass die Dolmetscherleistung unzureichend war. Der Dolmetscher übersetzte nur mündlich den Anklagesatz und Teile der Hauptverhandlung, während eine schriftliche Übersetzung der gesamten Anklageschrift fehlte. Diese unvollständige Dolmetscherleistung führte zu einem erheblichen Informationsdefizit des Angeklagten und verletzte seine Verteidigungsrechte.
Fazit
Die Entscheidung des BGH verdeutlicht die zentrale Bedeutung der ordnungsgemäßen Übersetzung von Anklageschriften für nicht deutschsprachige Angeklagte. Die schriftliche Übersetzung stellt sicher, dass der Angeklagte umfassend über die gegen ihn erhobenen Vorwürfe informiert ist und seine Verteidigung effektiv vorbereiten kann.
Die unzureichende Dolmetscherleistung im vorliegenden Fall führte zu einer Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren, was letztlich zur Aufhebung des Urteils führte. Diese Entscheidung unterstreicht die Notwendigkeit, die Sprachbarrieren im Strafverfahren sorgfältig zu berücksichtigen und sicherzustellen, dass alle Verfahrensrechte der Angeklagten gewahrt bleiben.
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