Wenn die Überprüfungsfrist des § 67e Absatz 2 StGB um mehr als sechs Monate überschritten wird, ist der Untergebrachte in seinem Freiheitsgrundrecht aus Art. 2 Abs. 2 GG verletzt. Insoweit gilt, dass die Strafvollstreckungskammer selbst dafür verantwortlich ist, sich die Akten so rechtzeitig vorlegen zu lassen, dass – auch unter Berücksichtigung eines gegebenenfalls einzuholenden Gutachtens – eine Entscheidung vor Ablauf der Überprüfungsfrist möglich wird. Wenn ein sachlicher Grund für diese Überschreitung nicht besteht, steht die Länge der Überprüfungsfrist nicht zur Disposition der Verfahrensbeteiligten, auch nicht des Untergebrachten oder seines Verteidigers.
Grundlegend hinsichtlich der Überprüfungsfrist ist eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, das zur Regelung des § 67e StGB unter anderem ausgeführte:
Die Vorschriften über die regelmäßige Überprüfung der weiteren Vollstreckung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 67d Abs. 2 und Abs. 6, § 67e StGB) dienen der Wahrung des Übermaßverbots bei der Beschränkung des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG. Ihre Missachtung kann dieses Grundrecht verletzen, wenn es sich um eine nicht mehr vertretbare Fehlhaltung gegenüber dem das Grundrecht sichernden Verfahrensrecht handelt, die auf eine grundsätzlich unrichtige Anschauung von der Bedeutung des Grundrechts schließen lässt (…).
Zwar führt nicht jede Verzögerung des Geschäftsablaufs in Unterbringungssachen, die zu einer Überschreitung der einschlägigen Fristvorgaben führt, automatisch auch zu einer Grundrechtsverletzung, weil es zu solchen Verzögerungen auch bei sorgfältiger Führung des Verfahrens kommen kann (BVerfGK 4, 176 [181]).
Es muss jedoch sichergestellt sein, dass der Geschäftsgang der Kammer in der Verantwortung des Vorsitzenden oder des Berichterstatters eine Fristenkontrolle vorsieht, die die Vorbereitung einer rechtzeitigen Entscheidung vor Ablauf der Jahresfrist sicherstellt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Betroffene in aller Regel persönlich anzuhören ist und dass auch für eine sachverständige Begutachtung ausreichend Zeit verbleibt, soweit die Kammer eine solche für erforderlich halten sollte. Die gesetzliche Entscheidungsfrist von einem Jahr seit der letzten Überprüfungsentscheidung lässt dafür ausreichend Raum (BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 22. November 2011 – 2 BvR 1334/10 -, juris). Gründe für eine etwaige Fristüberschreitung sind zur verfahrensrechtlichen Absicherung des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG in der Fortdauerentscheidung darzulegen (…)
BVerfG, 2 BvR 1665/10
Rücksprache mit Sachverständigem vor Beauftragung
Nicht mehr vertretbar ist es, wenn die Strafvollstreckungskammer einen Sachverständigen mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt hat, ohne die Beauftragung zuvor mit diesem abzustimmen. SO muss insbesondere vor der Beauftragung geklärt werden, ob der Sachverständige überhaupt binnen angemessener Zeit sein Gutachten erstellen kann (Oberlandesgericht Hamm, 3 Ws 11/20). Bei bevorstehendem Fristablauf sind insbesondere dann mehrere Gutachter zu befragen (Oberlandesgericht Hamm, 3 Ws 310/19).
Mangelnde Begründung
Der Verurteilte ist in seinem Freiheitsgrundrecht zudem verletzt, wenn die Strafvollstreckungskammer eine Überschreitung der Überprüfungsfrist von mehr als vier Monaten in ihrer Entscheidung weder erwähnt noch begründet (Oberlandesgericht Hamm, 3 Ws 310/19).
- BGH entscheidet zur Beweisermittlung von „Schwarzlöhnen“ bei Steuerhinterziehung - 23. April 2024
- BGH-Entscheidung zur psychiatrischen Begutachtung im Strafprozess: Neue Anforderungen und Perspektiven - 23. April 2024
- Software als Medizinprodukt - 23. April 2024