Teilnahme an Telemedizinplattform durch Apotheker

Die Verzahnung von Telemedizin und Arzneimittelversorgung wirft zunehmend Fragen nach den berufsrechtlichen Grenzen der Zusammenarbeit zwischen Plattformbetreibern und Apotheken auf. Das Landgericht Frankfurt am Main (2-06 O 150/25) hatte in seinem Urteil vom 28. Mai 2025 zu prüfen, ob die Teilnahme einer Apotheke an einem telemedizinischen Plattformmodell gegen das Zuweisungsverbot des § 11 Abs. 1 Apothekengesetz (ApoG) verstößt.

Mangels Verstoßes gegen das Zuweisungsverbot lehnte das Gericht die beantragte einstweilige Verfügung ab. Die Gestaltung des Bestellvorgangs lasse dem Patienten ausreichend Wahlmöglichkeiten, sodass keine unzulässige Umgehung des Apothekenrechts vorliege. Die Entscheidung konkretisiert damit, unter welchen Bedingungen Apotheken mit solchen Plattformen kooperieren dürfen, ohne in unzulässiger Weise die freie Apothekenwahl der Patienten zu beschneiden.

Sachverhalt

Geklagt hatte die Betreiberin einer Telemedizinplattform, die einer anderen Plattform und einer daran teilnehmenden Apotheke vorwarf, durch die Gestaltung ihres Bestellprozesses das Zuweisungsverbot des § 11 Abs. 1 ApoG zu verletzen. Konkret bot die fremde Plattform Patienten an, medizinische Leistungen einschließlich Verschreibung und Lieferung von Medikamenten über einen sogenannten „Premium-Service“ zu erhalten. Dabei wählte die Plattform im Rahmen dieses Dienstes automatisch eine Partnerapotheke aus, ohne dass der Patient die Apotheke selbst bestimmen musste. Alternativ bestand jedoch die Option, ein elektronisches Rezept zu erhalten und eine Apotheke selbst zu wählen.

Ein Testkauf der Klägerin hatte gezeigt, dass die beklagte Apotheke in diesem System Medikamente versandte, ohne dass der Patient vorab Kenntnis von der ausgewählten Apotheke hatte. Die Klägerin sah darin eine unzulässige Zuweisung und begehrte eine einstweilige Verfügung gegen die Apotheke.

Juristische Analyse

Adressat des Zuweisungsverbots

Zunächst stellte das LG Frankfurt klar, dass nicht der Plattformbetreiber selbst, sondern der teilnehmende Apotheker Adressat des § 11 Abs. 1 ApoG ist. Das Gesetz untersagt Apothekern Absprachen oder Rechtsgeschäfte, die insbesondere eine bevorzugte Lieferung bestimmter Arzneimittel oder die Zuweisung von Patienten oder Verschreibungen zum Gegenstand haben.

Abgrenzung zulässiger und unzulässiger Zuweisung

Das Gericht erkannte an, dass eine Vereinbarung zwischen der Apotheke und der Plattform über den automatisierten Versand über den Premium-Service als „Absprache“ im Sinne der Norm angesehen werden kann. Jedoch verneinte es eine unzulässige Zuweisung: Nach der Rechtsprechung liegt diese nur vor, wenn dem Patienten die Wahl der Apotheke entzogen wird. Im Streitfall sah das Gericht die Wahlfreiheit gewahrt, da der Patient zu Beginn des Bestellprozesses entscheiden könne, ob er den Premium-Service in Anspruch nimmt (mit automatischer Apothekenauswahl) oder alternativ ein elektronisches Rezept erhalte, um selbst eine Apotheke auszuwählen.

Die Gestaltung der Plattform – auch wenn der Premium-Service prominenter dargestellt wurde – verneinte eine faktische Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit. Die Wahl zwischen eigenständiger Apothekenauswahl und automatischer Zuweisung durch die Plattform bleibe erkennbar.

Keine Beeinträchtigung der Unabhängigkeit des Apothekers

Das Gericht betonte, dass das Zuweisungsverbot auch dem Schutz der Unabhängigkeit der Apotheken dient. Die Klägerin konnte jedoch nicht darlegen, dass der Beklagte durch die Plattform in seiner fachlichen Autonomie beeinträchtigt würde oder sich von sachfremden finanziellen Motiven leiten lasse. Insbesondere lag keine Vereinbarung über eine Umsatzbeteiligung oder Provision vor, die die Neutralität des Apothekers gefährdet hätte.

Rechtsanwalt Jens Ferner, TOP-Strafverteidiger und IT-Rechts-Experte - Fachanwalt für Strafrecht und Fachanwalt für IT-Recht

Die Entscheidung zeigt, dass eine telemedizinische Plattform in Deutschland grundsätzlich mit Apotheken zusammenarbeiten darf, solange dem Patienten eine echte Wahlmöglichkeit offensteht. Apotheker müssen jedoch sorgfältig darauf achten, dass Vereinbarungen mit Plattformen keine faktische Zuweisung erzwingen und keine Abhängigkeit begründen, die ihre unabhängige Heilberufsausübung beeinträchtigt.

Schlussfolgerung

Das LG Frankfurt a. M. grenzt die Reichweite des Zuweisungsverbots in § 11 Abs. 1 ApoG präzise ab und macht deutlich, dass eine Kooperation mit Telemedizinplattformen rechtlich zulässig bleibt, wenn der Patient eine echte und transparente Wahl zwischen Eigeninitiative und Plattformservice hat. Für Apotheken bedeutet das: Transparenz und Autonomie müssen bei digitalen Geschäftsmodellen stets gewahrt bleiben – auch unter dem Druck neuer Vertriebsmodelle im Arzneimittelmarkt.

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Rechtsanwalt Jens Ferner ist erfahrener Fachanwalt für Strafrecht sowie Fachanwalt für IT-Recht mit über einem Jahrzehnt Berufspraxis und widmet sich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht - mit Schwerpunkten in Cybercrime, Cybersecurity, Softwarerecht und Managerhaftung. Er ist zertifizierter Experte für Krisenkommunikation & Cybersecurity; zudem Autor sowohl in Fachzeitschriften als auch in einem renommierten StPO-Kommentar zum IT-Strafprozessrecht sowie zur EU-Staatsanwaltschaft. Als Softwareentwickler ist er in Python zertifiziert und hat IT-Handbücher geschrieben.

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Rechtsanwalt Jens Ferner ist erfahrener Fachanwalt für Strafrecht sowie Fachanwalt für IT-Recht mit über einem Jahrzehnt Berufspraxis und widmet sich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht - mit Schwerpunkten in Cybercrime, Cybersecurity, Softwarerecht und Managerhaftung. Er ist zertifizierter Experte für Krisenkommunikation & Cybersecurity; zudem Autor sowohl in Fachzeitschriften als auch in einem renommierten StPO-Kommentar zum IT-Strafprozessrecht sowie zur EU-Staatsanwaltschaft. Als Softwareentwickler ist er in Python zertifiziert und hat IT-Handbücher geschrieben.

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