Strafzumessung bei Änderung des gesetzlichen Strafrahmens

Das Oberlandesgericht Hamm hat in einem aktuellen Beschluss vom 8. April 2025 (Aktenzeichen: 3 ORs 2/25) wichtige Fragen zur Strafzumessung bei Änderung des gesetzlichen Strafrahmens entschieden. Der Fall betraf einen Angeklagten, der wegen Besitzverschaffens und Besitzes kinder- bzw. jugendpornographischer Inhalte verurteilt wurde. Der Beschluss des Oberlandesgerichts gibt Aufschluss über die rechtlichen Grundlagen und die Voraussetzungen für die Strafzumessung in solchen Fällen.

Sachverhalt

Das Amtsgericht – Schöffengericht – Gütersloh hat den Angeklagten mit Urteil vom 20. Februar 2024 wegen Besitzverschaffens kinderpornographischer Inhalte in sechs Fällen sowie wegen Besitzes kinderpornographischer Inhalte in Tateinheit mit dem Besitz jugendpornographischer Inhalte in Tateinheit mit dem Besitz von Sexpuppen mit kindlichem Erscheinungsbild verurteilt. Das Landgericht Bielefeld hat das amtsgerichtliche Urteil mit Urteil vom 27. September 2024 unter Verwerfung der Berufung im Übrigen im Rechtsfolgenausspruch dahingehend abgeändert, dass der Angeklagte zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren und 3 Monaten verurteilt wurde.

Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte Revision eingelegt, die das Oberlandesgericht Hamm teilweise für begründet erachtet hat. Das angefochtene Urteil wurde im Strafausspruch zu allen Einzelstrafen und der Gesamstrafe mit den jeweils zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Bielefeld zurückverwiesen.

Juristische Analyse

Das Oberlandesgericht Hamm hat in seinem Beschluss die rechtlichen Grundlagen und Voraussetzungen für die Strafzumessung bei Änderung des gesetzlichen Strafrahmens ausführlich dargelegt.

Strafzumessung bei Änderung des gesetzlichen Strafrahmens

Die Strafzumessung ist grundsätzlich Sache des Tatgerichts; ein Eingriff des Revisionsgerichts ist nur möglich, wenn die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, von unzutreffenden Tatsachen ausgehen, das Tatgericht gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstößt oder wenn sich die verhängte Strafe nach oben oder unten von ihrer Bestimmung, gerechter Schuldausgleich zu sein, so weit löst, dass sie nicht mehr innerhalb des dem Tatgericht eingeräumten Spielraums liegt. Dabei muss die Begründung des Urteils erkennen lassen, dass die wesentlichen Gesichtspunkte gesehen und in ihrer Bedeutung und ihrem Zusammenwirken vertretbar gewürdigt wurden.

Im vorliegenden Fall hat das Landgericht alle Taten gemäß § 2 Abs. 3 StGB zutreffend nach § 184b StGB in der seit dem 28. Juni 2024 geltenden Fassung abgeurteilt und nicht mehr die zum Zeitpunkt der amtsgerichtlichen Verurteilung und zur Tatzeit noch geltende Fassung vom 16. Juni 2021 angewandt. Dabei hat das Landgericht zutreffend gesehen, dass der Strafrahmen für alle Taten nicht mehr – wie noch beim Amtsgericht – eine Freiheitsstrafe von 1 Jahr bis zu 10 Jahren, sondern für die Taten 1 bis 6 nur noch eine solche von 6 Monaten bis zu 10 Jahren und für die Tat 7 eine solche von 3 Monaten bis zu 10 Jahren vorsieht.

Erörterungsbedürftigkeit der Strafhöhe

Bei dieser Sachlage hätte jedoch die Verhängung gleich hoher Strafen bzw. annähernd gleich hoher Strafen einer eingehenden Begründung bedurft. Zwar sind die ursprüngliche Bewertung der Tat und die Strafzumessung in der vorangegangenen Entscheidung kein Maßstab für die neue Strafzumessung, jedoch hat der Angeklagte einen Anspruch darauf, zu erfahren, warum er für ein wesentlich geringeres Vergehen dennoch gleich hoch bestraft wird. Die angegriffene Entscheidung enthält zu dieser Beibehaltung der Strafhöhen trotz niedrigerem Strafrahmen keine Ausführung.

Dabei spielt es keine Rolle, dass die vorangehend zitierte Rechtsprechung Fälle betraf, bei denen der Unterschied im anwendbaren Strafrahmen zwischen der ersten und der zweiten Verurteilung in einer anderen rechtlichen Bewertung von Tatfragen begründet lag, die zur Annahme oder Ablehnung einer Strafrahmenverschiebung führte, und vorliegend demgegenüber eine Gesetzesänderung Anlass zur Anwendung eines anderen Strafrahmens gibt. Denn ungeachtet des Anlasses des Gesetzgebers für diese Gesetzesänderung ist der gesetzliche Strafrahmen Grundlage und Ausgangspunkt der Strafzumessung. Der Strafrahmen bringt die gesetzgeberische Wertung, wie schwer das Unrecht der Tat zu bemessen ist, zum Ausdruck. Das Ergebnis der nach § 46 Abs. 2 StGB vorzunehmende Abwägung ist notwendigerweise abhängig von dem konkret anwendbaren Strafrahmen.

Jedenfalls in einem Fall wie hier, in dem sich beide Gerichte erkennbar am unteren Rand des zur Verfügung stehenden Strafrahmens orientiert haben (und das Amtsgericht zu den Taten 2 und 5 sogar nur die Mindeststrafe verhängt hatte), ist die Verhängung gleich oder annähernd gleich hoher Strafen zwar möglich, aber erörterungsbedürftig. Die Begründung kann beispielsweise darin liegen, dass der frühere Tatrichter strafschärfende Umstände nicht hinreichend gewürdigt hat, so dass trotz des milderen Strafrahmens eine gleich hohe Strafe angemessen ist oder die frühere Strafe schon unvertretbar milde war.

Aufhebung der Feststellungen

Um dem Landgericht bei der neuerlichen Verhandlung die Möglichkeit zu einer ausreichend begründeten und widerspruchsfreien Strafzumessung zu geben, hat der Senat die zugrunde liegenden Feststellungen in Gänze aufgehoben. Die auch die Schuldfrage betreffenden, von der Aufhebung unberührt bleibenden Feststellungen können, soweit dies für die Bestimmung des Schuldumfangs erforderlich ist, durch weitere, hierzu nicht in Widerspruch stehende Feststellungen ergänzt werden.

Kritikpunkte waren insbesondere, wie nicht selten in diesen Verfahren: Für einzelne als kinderpornographisch eingeordneten Videos fehlte es an näheren Feststellungen dazu, woraus sich das unter 14 Jahren liegende Alter der abgebildeten Person ergibt. Bei einzelnen als jugendpornographisch eingeordneten Videos fehlte es an Feststellungen zu deren pornographischem Inhalt.

Fazit

Der Beschluss des Oberlandesgerichts Hamm gibt wichtige Aufschlüsse über die rechtlichen Grundlagen und Voraussetzungen für die Strafzumessung bei Änderung des gesetzlichen Strafrahmens. Das Gericht hat betont, dass die Verhängung gleich hoher oder annähernd gleich hoher Strafen im Berufungsurteil jedenfalls dann erörterungsbedürftig ist, wenn sich beide Gerichte am unteren Rand des Strafrahmens orientiert haben. Der Beschluss zeigt, dass die Gerichte bei der Entscheidung über die Strafzumessung eine sorgfältige(re) Abwägung aller relevanten Umstände vornehmen müssen. Dabei kommt es eben nicht nur auf die gesetzlichen Vorgaben an, sondern auch auf die konkreten Umstände des Einzelfalls, einschließlich der sozialen Verhältnisse des Angeklagten und seiner Bereitschaft, sich künftig straffrei zu führen.

Fachanwalt für Strafrecht & IT-Recht bei Anwaltskanzlei Ferner Alsdorf
Rechtsanwalt Jens Ferner ist erfahrener Fachanwalt für Strafrecht sowie Fachanwalt für IT-Recht mit über einem Jahrzehnt Berufspraxis und widmet sich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht - mit Schwerpunkten in Cybercrime, Cybersecurity, Softwarerecht und Managerhaftung. Er ist zertifizierter Experte für Krisenkommunikation & Cybersecurity; zudem Autor sowohl in Fachzeitschriften als auch in einem renommierten StPO-Kommentar zum IT-Strafprozessrecht sowie zur EU-Staatsanwaltschaft. Als Softwareentwickler ist er in Python zertifiziert und hat IT-Handbücher geschrieben.

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Rechtsanwalt Jens Ferner ist erfahrener Fachanwalt für Strafrecht sowie Fachanwalt für IT-Recht mit über einem Jahrzehnt Berufspraxis und widmet sich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht - mit Schwerpunkten in Cybercrime, Cybersecurity, Softwarerecht und Managerhaftung. Er ist zertifizierter Experte für Krisenkommunikation & Cybersecurity; zudem Autor sowohl in Fachzeitschriften als auch in einem renommierten StPO-Kommentar zum IT-Strafprozessrecht sowie zur EU-Staatsanwaltschaft. Als Softwareentwickler ist er in Python zertifiziert und hat IT-Handbücher geschrieben.

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