Missbrauch von Ausweispapieren (§281 StGB)

: Wann liegt ein Missbrauch von Ausweispapieren vor? Streitig ist hier insbesondere die Frage wann ein gebrauchen im Sinne des Gesetzes vorliegt. Hierzu gilt, dass das Merkmal des Gebrauchens in § 281 StGB grundsätzlich zwar wie in § 267 StGB verstanden werden kann, jedoch musste bis 2020 als Tatobjekt hier gerade ein echtes Ausweispapier verwendet werden. Inzwischen ist mit dem BGH klar: Die Vorlage einer Fotokopie reicht aus. Damit bestehen erhebliche Strafbarkeiten bei der Verwendung (digitaler) Kopien von Ausweispapieren ohne entsprechende Genehmigung des Berechtigten.

Update: Im Jahr 2020 hat der BGH um die Frage gestritten, ob die Vorlage einer Fotokopie nicht doch ausreichend ist – die Strafsenate waren hier bisher uneins (siehe unten). Nunmehr ist es klar.

Gebrauchen im Sinne des §281 StGB

Der Gebrauch des für einen anderen ausgestellten Ausweispapiers erfolgt dadurch, dass der Täter entweder das Originaldokument einem anderen zur unmittelbaren Wahrnehmung zugänglich macht – aber seit 2020 nun auch durch Vorlage der Kopie oder durch elektronische Übersendung des Bildes eines echten Ausweises.

Das folgt, unbeschadet der letzten Gesetzesänderungen bei § 18 Abs. 3 PassG, § 20 Abs. 2 PersAuswG, aus der besonderen Bedeutung amtlicher Ausweispapiere. Aus diesem Grund sieht § 281 Abs. 1 StGB auch die Handlungsvariante des Überlassens eines Ausweispapiers an einen anderen vor, die keine Entsprechung bei § 267 Abs. 1 StGB hat (so BGH, 2 ARs 228/19). Der Rechtsverkehr verlangt zur Identifizierung einer Person in vielen Fällen zwar noch die Vorlage der Urschrift des Ausweispapiers, immer öfter aber reicht eine Ablichtung oder eine Kopie aus. Anders als früher, vor dem Jahr 2020, gilt daher dass wer ein echtes Ausweispapier zur Täuschung nutzt sich strafbar macht .ebenso derjenige, der nur eine Ablichtung oder Kopie vorlegt. Denn auch letzter macht sich, so der BGH, deshalb die besondere Beweiswirkung eines (amtlichen) Identitätspapiers zunutze, dessen Schutz § 281 StGB bezweckt.

Beispielhaft für die frühere Rechtsprechung sei auf das Oberlandesgericht Hamm (5 RVs 7/14; 5 Ws 52/14) verwiesen, das festgestellt hatte, dass eine Verurteilung nach § 281 StGB voraussetzt, dass die gebrauchte oder überlassene echt ist:

Eine Verurteilung nach § 281 StGB setzt voraus, dass die gebrauchte oder überlassene Urkunde echt ist (vgl. OLG Bremen, StV 2002, 552. 553; Cramer/Heine, in: Schönke/Schröder, StGB, 28. Aufl., § 281 Rdnr. 1; Fischer, StGB, 61. Aufl., § 281 Rdnr. 2; Zieschang, in Leipziger Kommentar, StGB, 12. Aufl., § 281 Rdnr. 8). Denn die Vorschrift des § 281 StGB zielt auf die Sicherheit des Rechtsverkehrs im Umgang mit echten Ausweispapieren und dient dem Schutz der inhaltlichen Richtigkeit amtlicher Ausweisdokumente. Der Gebrauch eines unechten oder verfälschten Ausweispapiers ist hingegen unter den Voraussetzungen des § 267 StGB strafbar (vgl. Cramer/Heine, a.a.O.; Fischer, a.a.O.).

In diesem Fall hatte der vorherige Tatrichter nicht mehr die Gelegenheit, sich von der Echtheit des „Ausweises“ zu überzeugen, da dieser im Rahmen des Ermittlungsverfahrens versandt wurde. Gleichwohl darf man es nicht einfach annehmen, wie es hier wohl geschehen ist.

Angesichts der veränderten Rahmenbedingungen der modernen Welt mit der Digitalisierung sieht der BGH diesen Gedanken, also dass der Schutz des § 281 StGB angesichts seiner besonderen Beweiswirkung nur das im Original vorgelegte Ausweispapier erfasst, als weitgehend überholt an. Da seine Auslegung mit dem Wortlaut, der Systematik, dem Schutzzweck der Norm und dem Willen des historischen Gesetzgebers übereinstimmt, besteht für den BGH seit 2020 kein Anlass, von der gebotenen Vereinheitlichung bei der Auslegung des Tatbestandsmerkmals „gebrauchen“ im Rahmen der Urkundendelikte abzusehen und die Klärung dieser Frage etwa dem Ge- setzgeber zu überlassen.


Diskussionen im Jahr 2020 beim BGH zum Gebrauchen einer Urkunde

Beim gab es hierzu im Jahr 2020 Diskussionen, die zum Zeitpunkt dieses Artikels nachlaufen. So mochte der 5. Senat des BGH entscheiden, dass durch Vorlage einer Kopie oder elektronische Übersendung des Bildes eines echten Ausweises ein Ausweispapier im Sinne von § 281 Abs. 1 Satz 1 StGB zur Täuschung im Rechtsverkehr gebraucht werden kann (5 StR 146/19). Der 4. Strafsenat hat sich dem ausdrücklich angeschlossen (4 ARs 14/19). Der zweite Strafsenat (2 ARs 228/19) hatte sich ausdrücklich gegen diese Auffassung ausgesprochen, letztlich aber setzte sich der 5. Senat durch:

Zwar hat der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs im Jahr 1964 ent- schieden, dass ein Gebrauchen im Sinne von § 281 Abs. 1 Satz 1 StGB nur durch Vorlage des Originals erfolgen kann (BGH, Urteil vom 4. September 1964 – 4 StR 324/64, BGHSt 20, 17). Auf die Anfrage des Senats nach § 132 Abs. 3 Satz 1 GVG, ob er an dieser Auffassung festhält (vgl. Beschluss vom 8. Mai 2019 – 5 StR 146/19), hat der 4. Strafsenat entschieden, dass er unter Aufgabe abweichender Rechtsprechung der Rechtsauffassung des erkennenden Senats folgt (Beschluss vom 4. Dezember 2019 – 4 ARs 14/19).

Die übrigen mit der Anfrage befassten Strafsenate haben erklärt, dass eigene Rechtsprechung der beabsichtigten Entscheidung nicht entgegensteht (1. Strafsenat, Beschluss vom 3. September 2019 – 1 ARs 13/19, 2. Strafsenat, Beschluss vom 13. Mai 2020 – 2 ARs 228/19, 3. Strafsenat, Beschluss vom 2. Oktober 2019 – 3 ARs 14/19). Von einer – das Verfahren weiter verzögernden – Befragung des zum 15. Februar 2020 neu eingerichteten 6. Strafsenats hat der Senat abgesehen, weil dessen bislang noch übersichtliche Rechtsprechung der beab- sichtigten Entscheidung ersichtlich nicht entgegensteht.

Der Senat hält an seiner gemäß Beschluss vom 8. Mai 2019 (5 StR 146/19) beabsichtigten Entscheidung ungeachtet der vom 2. Strafsenat (aaO) und im Schrifttum (vgl. Erb, JR 2020, 450; Dehne-Niemann, HRRS 2019, 405, 407) erhobenen Einwände fest (…)

BGH, 5 StR 146/19

Auswirkungen auf Cybercrime?

Der §281 StGB fristet ein gewisses Schattendasein – wenn die hier im Raum stehende Änderung der Rechtsprechung kommt, würde aus dem Delikte de Facto ein Datendelikt werden, da der 5. Senat dahin möchte, dass Missbrauch von Ausweispapieren auch dadurch geschehen kann, dass der Täter dem zu Täuschenden eine Fotokopie oder ein einer – in dieser Weise körperlich tatsächlich vorhandenen – Urkunde zugänglich macht. Passender Weise liegt der Anfrage des 5. Strafsenats auch ein „Internet-Geschehen“ zu Grunde. Bei den Taten, in denen eine Identitätstäuschung durch digitale Varianten von Ausweisdokumenten begangen wird, könnte über §281 StGB mit der avisierten Rechtsprechung zumindest immer eine Art „Auffangdelikt“ bestehen, dass dann – wenn keine Fälschung und somit §269 StGB im Raum stehen – bereits die Nutzung des fremden unverfälschten aber auf digitalem Wege unberechtigt genutzten Ausweispapiers unter Strafe stellt.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

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