Kuttenverbot: Verwenden von Kennzeichen verbotener Vereinigungen – Rockerkutte

Mit Spannung hatte ich auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs (3 StR 33/15) zum Thema Verwenden von Kennzeichen verbotener Vereinigungen im Rahmen des so genannten Kuttenverbots gewartet, die inzwischen veröffentlicht wurde.

Hintergrund des Rechtsstreits zum Kuttenverbot, dass sich zwei Mitglieder einer Mottoradgruppe eines lokalen Chapters selber angezeigt hatten, die Clubjacken getragen haben, die (natürlich) auch in einem anderen allerdings inzwischen verbotenen Chapter getragen wurden. Die Clubjacken waren in vielerlei Hinsicht identisch, insbesondere bei den jeweiligen Symbolen und Schriftzügen, allerdings wird jeweils der Zusatz des Ortsnamens des jeweiligen Chapters mit aufgenommen.

Es stellte sich daher die Frage, ob eine Strafbarkeit wegen des Tragens der Rockerkutte im Raum stand.

Kuttenverbot: Mögliche Straftatbestände

Natürlich geht es beim Kuttenverbot zuvorderst um §20 Abs.1 Nr.5 Vereinsgesetz:

Wer im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes durch eine darin ausgeübte Tätigkeit (…) Kennzeichen einer der in den Nummern 1 und 2 bezeichneten Vereine oder Parteien oder eines von einem Betätigungsverbot (…) betroffenen Vereins während der Vollziehbarkeit des Verbots oder der Feststellung verbreitet oder öffentlich oder in einer Versammlung verwendet, wird mit Gefängnis bis zu einem Jahr oder mit bestraft (…)

Daneben kommt häufig eine Strafbarkeit wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (§86a StGB) in Betracht. Mit beidem setzt sich der BGH auseinander und stellt einiges klar.

§86a StGB bei Rockerkutten

Schnell geht es hinsichtlich des Kuttenverbots beim Straftatbestand „Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen“: Der BGH macht – dies ist nichts neues – klar, dass natürlich hier zu prüfen ist, warum eine Vereinigung verboten wurde. Wenn es um eine rein kriminelle Vereinigung geht und eben nicht um eine verfassungswidrige, scheidet der §86a StGB aus:

Zu Recht ist das Landgericht zunächst davon ausgegangen, dass die Tatbestandsvoraussetzungen des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB nicht erfüllt sind, weil die beiden verbotenen Vereine keine Vereinigungen im Sinne von § 86 Abs. 1 Nr. 2 StGB darstellen; sie sind zwar verboten, aber nicht, weil sie sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richteten.

Kuttenverbot: Begriff des Kennzeichens

Der erste wesentliche Teil der Entscheidung widmet sich der Frage, wann überhaupt von einem „Kennzeichen“ die Rede sein kann, was bei einer Rockerkutte vieldiskutiert werden kann – hierzu gibt es einen bunten Strauß unterschiedlicher Meinungen. Der BGH stellt nun klar, dass hier ein rein funktionaler Begriff ausreichend ist, wobei es nicht auf inhaltliche Wertungen oder qualitative Überlegungen ankommt:

Der Begriff des Kennzeichens ist nicht legal definiert (…) In Literatur und Rechtsprechung werden als Kennzeichen (…) optisch oder akustisch wahrnehmbare Symbole und Sinnesäußerungen begriffen, durch die der Verein auf sich und seine Zwecke hinweist; intern sollen Kennzeichen den Zusammenhalt der Vereinsmitglieder stärken (…)
Soweit darüber hinaus vertreten wird, von dem Kennzeichen müsse eine Unterscheidungswirkung im Sinne eines Alleinstellungsmerkmals ausgehen (…) kann dem nicht gefolgt werden. Es reicht vielmehr aus, dass sich ein Verein ein bestimmtes Symbol – etwa durch formale Widmung oder durch schlichte Übung – derart zu eigen gemacht hat, dass dieses zumindest auch als sein Kennzeichen erscheint (…) ohne dass es auf eine Unverwechselbarkeit des Kennzeichens ankommt (…)

Es genügt somit die eindeutige Verwendung als Kennzeichen, die von außen auch als solche verstanden wird. Dabei kommt dem Namen der Vereinigung kein kennzeichencharakter zu – ausser dieser wird durch besondere Gestaltung zum Kennzeichen:

Zwar ist der Name einer Vereinigung oder eines Vereins als solcher – sofern nicht besondere Umstände hinzutreten – nach der Rechtsprechung des Senats kein Kennzeichen (…) Etwas anderes gilt indes, wenn er eine bestimmte Formgebung erfahren hat, etwa in signifikanten Schriftzügen dargestellt wird, und sich deshalb als Erkennungszeichen darstellt, das einen den beispielhaft aufgeführten Kennzeichen entsprechenden Symbolcharakter aufweist (…)

Rockerkutte: Kein anderes Kennzeichen durch örtliches Chapter

Es kommt bei der Bewertung der Rockerkutte im Rahmen des Kuttenverbots nicht auf die einzelnen Bezeichnungen an, also nicht auf das jeweilige Gesamtbild, sondern beispielsweise einzelne „Abzeichen“ können bereits für sich ein Kennzeichen darstellen:

Zutreffend ist auch die Auffassung des Landgerichts, die Kennzeicheneigenschaft bestehe hinsichtlich beider Abzeichen jeweils für sich genommen; insbesondere ist nicht auf das Zusammenspiel von Vorder- und Rückseite der Weste als Ganzes (…) oder auch nur auf das Ensemble sämtlicher Abzeichen auf der Rückseite der Weste (…) abzustellen (…) so dass zur Beantwortung der Frage, ob Kennzeichen eines verbotenen Vereins verwendet wurden, die einzelnen Abzeichen des verbotenen Vereins mit den verwendeten zu vergleichen sind (…)

Es erfolgt somit ein individueller Vergleich der jeweiligen Zeichen der Rockerkutte, der nicht dadurch gemildert wird, dass man Ortsnamen hinzufügt oder weglässt

Da für die Prüfung der Kennzeicheneigenschaft auf die einzelnen Abzeichen abzustellen ist, stellt sich die Frage nicht, ob durch die Hinzufügung einer abweichenden Ortsbezeichnung ein zum Verwechseln ähnliches Kennzeichen (…) entstanden sein kann (…) Aus diesem Grund ist hier auch keine weitere Prüfung geboten, ob ein solches zum Verwechseln ähnliches Kennzeichen gegebenenfalls mit dem einer legalen Organisation identisch ist und deshalb eine Strafbarkeit (…) ausscheiden könnte (…)

Dabei fragt der BGH, welches Element letztlich prägend ist und ob örtliche Zufügungen überhaupt einen Einfluss haben:

Diese beiden Embleme, von denen insbesondere das gleichsam als Wappen dienende Mittelabzeichen weltweit einzigartig ist, sind nach dem Gesamteindruck eines durchschnittlichen, nicht genau prüfenden Betrachters (…) die Kennzeichen, die das Erscheinungsbild auch der verbotenen Vereine maßgeblich prägten; eines zusätzlichen Hinweises gerade auf die verbotenen Chapter bedarf es zur Beantwortung der Frage, ob es sich um deren Kennzeichen handelte, nicht (…)

Damit ist der hier maßgebliche Fall des Motorradclubs entschieden: Hier wird ja gerade immer im Kern ein zentrales gleich bleibendes Element gewählt, gerade um sich zentral zu postieren. Dies will der BGH dann auch entsprechend werten.

Verwenden des Kennzeichens durch Tragen der Rockerkutte

Der BGH möchte seine Grundsätze aus §86a StGB auf den §20 VereinsG übertragen und führt aus, dass man beim „Verwenden“ der Kennzeichen verfassungskonform auslegen muss

Bei der Prüfung, ob die Verwendung eines Kennzeichens auch einer verbotenen Orga-nisation dem Schutzzweck des § 86a StGB eindeutig nicht zuwiderläuft, kann in der Regel nicht allein auf die Darstellung des Symbols selbst zurückgegriffen werden; denn dieses lässt bei isoliertem Gebrauch meist gerade nicht erkennen, ob es als Kennzeichen der verbotenen Organisation oder zu anderen, nicht zu beanstandenden Zwecken verwendet wird. Vielmehr ist den Anforderungen, die die Grundrechte etwa der aber auch der allgemeinen Handlungsfreiheit an eine verfassungskonforme Auslegung des Tatbe-stands stellen, in der Weise Rechnung zu tragen, dass der mit dem Gebrauch des Kennzeichens verbundene Aussagegehalt anhand aller maßgeblichen Umstände des Falles ermittelt wird. Ergibt dies, dass der Schutzzweck der Norm in seinen oben dargestellten Ausprägungen eindeutig nicht berührt wird, so fehlt es an einem tatbestandlichen Verwenden des Kennzeichens, da dieses nicht als solches der verbotenen Organisation zur Schau gestellt wird. Sind die äußeren Umstände dagegen nicht eindeutig, so ist der objektive Tatbestand der Norm erfüllt (…)

Hiervon ausgehend baut der BGH dann seine Argumentation auf, die verkürzt folgenden Weg geht: Wenn nur ein Chapter verboten ist, aber bundesweit oder gar weltweit (von anderen Chaptern) die Symbole ebenfalls genutzt werden, muss dies berücksichtigt werden. Wer dann die Symbole trägt, tut das nicht um das verbotene Chapter zu vertreten, sondern um – kenntlich gemacht durch den Ortszusatz – es im Sinne seines eigenen Chapters zu verwenden:

Dementsprechend sind die übrigen Chapter (…) nicht verboten; sie tragen aber gleichermaßen mit dem Schriftzug (…) Kennzeichen ihrer Vereine, die auch Kennzeichen der beiden verbotenen Chapter waren. Durch die Hinzufügung einer eindeutig auf ein nicht verbotenes Chapter hinweisenden Ortsbezeichnung (…) ergibt sich aus dem maßgeblichen Gesamtzusammenhang der Kennzeichenverwendung aber eindeutig, dass die Angeklagten den Schriftzug (…) gerade nicht als Kennzeichen der verbotenen Chapter verwendeten, sondern als Kennzeichen ihrer eigenen, nicht mit einer Verbotsverfügung belegten Ortsvereine. Eine Strafbarkeit (…) scheidet mithin aufgrund der fehlenden Verwendung der Kennzeichen der verbotenen Vereine durch die Ange-klagten aus.

Fazit zur Strafbarkeit bei Rockerkutte und Kuttenverbot

Eine wichtige Entscheidung zum Kuttenverbot, die – wenn man nicht im §86a StGB bewandert ist – durchaus überraschen sollte. Es war keineswegs abwegig, dass die Vorinstanz versucht hat, dieses Thema über das Merkmal des Kennzeichens „zu lösen“. Dass nun der Begriff des Verwendens bei einer Rockerkutte eng angewendet wird mag dogmatisch sauberer sein, macht die Sache aber durchaus auch etwas schwieriger. Letztlich aber ist es verfassungskonform gelöst: Mann kann nicht die ganze „Gang“ zerschlagen, in dem man ein Chapter auflöst. Alles andere wäre ein klarer Verfassungsbruch.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

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