Verein: Ehrenamtliches Vereinsmitglied macht sich strafbar bei Verletzung durch ungesichertes Tor in Halle

Eine Entscheidung des Amtsgericht Detmold (2 Cs-41 Js 489/13-439/14) sorgt bei erstem Lesen sicherlich bei vielen für inneren Widerstand. Sie ist allerdings rechtlich in Ordnung und im Strafmaß angemessen – vielmehr ist sie ein Beispiel für die bestehenden Risiken ehrenamtlicher Vereinsarbeit, gerade im Sport. Das Amtsgericht und auch später das Landgericht hatten ein ehrenamtliches Vereinsmitglied nach einem tragischen Unfall wegen fahrlässiger verurteilt. Das OLG hat inzwischen diese Entscheidung aufgehoben und, wohl zu Recht, zurück verwiesen. So tragisch der Unfall war, so muss man auch sehen, dass hier ein Musterbeispiel für strafgerichtliche Rechtsprechung vorliegt, die lebensfremd und theoretisch Vorwürfe dort konstruiert, wo im Alltag niemand eine strafrechtliche Relevanz auf Anhieb sehen würde.

Hinweis: Ich beschäftige mich hier ausdrücklich nicht mit der Frage, inwieweit Verteidigungspotential – auch im konkreten – Fall besteht bzw. bestanden hätte. Die vorliegende Entscheidung soll vielmehr als Beispiel dafür dienen, was im „Fall der Fälle“ von Gerichten erwartet wird.

Sachverhalt

Der Angeklagte war in einem Sportverein tätig, wie so oft in mehreren Funktionen:

Der Angeklagte war und ist (…) als Jugendvorstand (…) Mitglied der Vereinsführung. Ihm obliegt in diesem Amt die sportliche Leitung der Jugendabteilung. Daneben war und ist der Angeklagte auch Trainer einer Fußballmannschaft (…) Diese Tätigkeiten übt der Angeklagte ehrenamtlich aus. (…) Der Angeklagte hatte einen Schlüssel für die Halle. Zu den Vorbereitungen zählte unter anderem die Einrichtung der Sprecherkabine, die Auszeichnung der Kabinen für die einzelnen Mannschaften und die Besorgung der Verpflegung. Insbesondere zählt dazu auch die Aufstellung der Fußballtore in der großen Halle. Diese Aufgabe hatte regelmäßig der Angeklagte selbst übernommen und ausgeführt, einschließlich der Verankerung dieser Tore im Hallenboden.

Regelmäßig wurde durch den Verein ein Hallenfussballturnier ausgerichtet. In der Halle befanden sich Handballtore. Hierzu stellte das Gericht fest:

Diese Tore standen unbefestigt und frei beweglich und frei zugänglich in der kleinen Halle. Sie waren nicht angeschlossen. Sie standen den jeweiligen Benutzern der Halle zur eigenen Verwendung zur freien Verfügung und wurden bei Nichtgebrauch dort gelagert. Bei Bedarf konnten sie frei verschoben und umher getragen werden.

Die kleine Halle wurde zum Warmspielen etc. von den Spielern genutzt, dabei wurden auch gerne einmal – was allgemein bekannt war – die Handballtore „zweckentfremdet“ und als Fussballtore genutzt, wobei die Tore aber nicht im Boden verankert werden konnten:

Genauso war es üblich, dass die dort stehenden Handballtore nach Belieben der Spieler in das Spiel einbezogen und als – nicht im Boden verankerte oder sonst abgesicherte – Fußballtore verwendet wurden.

Es kam wie es kommen musste – mehrere Kinder spielten hier, darunter ein 11jähriger der sich als Torhüter an das Handballtor stellte und es kam zum Unfall:

Im Laufe des Spiels gab es einen Lattentreffer an dem von dem Geschädigten gehüteten Tor. Dadurch geriet das unbefestigte Tor ins Wackeln und kippte nach vorne um. Im Fallen traf die Torlatte den Geschädigten auf den Kopf.

Ich erspare an dieser Stelle die Darstellung der Verletzungen, es soll zusammenfassend genügen, festzuhalten, dass es sich um schwerste Verletzungen gehandelt hat, die auch in der Langzeit zur Nachfolgewirkungen bei dem Jungen führten (alles andere wäre m.E. vorher einzustellen gewesen!).

Entscheidung des Gerichts

Das Gericht erkannte im Fall dieses Angeklagten eine fahrlässige Körperverletzung, denn dieser hatte die ih obliegende gebotene verletzt. So führt das Gericht aus

Die Gefahrenlage durch die unbefestigten Tore war offensichtlich. Zudem verfügte der Angeklagte auf Grund seiner langjährigen praktischen Erfahrungen als Jugendvorstand und Fußballtrainer im Allgemeinen und im Spielbetrieb und der Turnierausrichtung in dieser Halle im Besonderen über spezielle Kenntnisse hinsichtlich der Erforderlichkeit und der Umsetzung der sicheren Befestigung von Toren.

In der Sache kann dieser Punkt kritisch gesehen werden, da dass Gericht keinerlei Feststellungen dazu getroffen hatte, inwieweit der Angeklagte im vorliegenden Fall von der konkreten Verwendung wusste und ob er diese geduldet hat – oder ob er für ihn vorhersehbare und aus seiner Sicht notwendige Sicherungsmaßnahmen unterlassen hat. Das Urteil ist hier leider sehr unklar, wobei detaillierte Ausführungen angesichts der Aussagekraft im allgemeinen wünschenswert gewesen wären. Für entsprechende Ehrenamtler kann die hier zu führende fachliche Diskussion, wo nun der genaue Ansatzpunkt des Vorwurfs liegt, hinten anstehen; meines Erachtens kann in jedem Fall der Vorwurf gemacht werden, dass die „Zweckentfremdung“ und unsichere Verwendung der Handballtore dem Angeklagten bekannt war und er nichts dagegen unternahm bevor das Turnier statt gefunden hat.

Das greift im Kern die amtsgerichtliche Entscheidung auf, die auf verschiedene Aspekte eingeht:

  • Von dem Angeklagten wäre zu erwarten gewesen, dass er diesen Zustand nicht duldet und zumindest intern auf Ebene des Vereins oder gegenüber dem Hallenträger auf geeignete Maßnahmen hinwirkt, um diese Gefahr zu beseitigen. Dies hat er jedoch unterlassen. Eine solche Verantwortung oblag dem Angeklagten insbesondere deshalb, weil er nicht nur selbst als D-Jugendtrainer sondern auch als Jugendvorstand in der Führungsebene des Vereins für die Leitung der Jugendabteilung zuständig war.
  • Zum anderen traf den Angeklagten auch an diesem Turniertag eine besondere Verantwortung, weil er als verantwortlicher Vertreter des ausrichtenden Vereins die Turnierausrichtung maßgeblich vor Ort in der Halle mitorganisierte. Von ihm war zu fordern, dass er vor Beginn der Turnierveranstaltung offensichtliche Gefahren für die kindlichen Spieler beseitigt. Dazu hätte gehört, die Handballtore gegen die unsichere Verwendung abzusichern oder eine zuverlässige Beaufsichtigung des freien Spielbetriebs in der kleinen Halle zu gewährleisten.

Das bringt es im Kern ganz gut auf den Punkt (wobei ich die Ausführungen im Urteil nun etwas auseinandergezogen und hervorgehoben habe). Je nach seiner Funktion muss ein Ehrenamtler an verschiedenen Stellschrauben mitwirken:

  • Wer im Vorstand tätig ist und von einer Gefahrenquelle weiss, muss innerhalb des Vorstands auf die Beseitigung der Gefahrenquelle hinweisen. Dabei gilt Vorsicht – einfach einmal ansprechen und dann „überstimmt“ werden reicht je nach Umfang der Gefahr nicht aus! Vielmehr muss man, bei steigender Gefahr, umso eindringlicher Tätig werden, notfalls den Vorstand verlassen. Deswegen muss man nicht gleich bei jeder Kleinigkeit ein Vorstandsinternes Drama provozieren, wo aber ernsthafte Gefahren bestehen darf man diese nicht bagatellisieren.
  • Wer an der Organisation konkreter Veranstaltungen ausführend beteiligt ist, der hat zudem die im Rahmen dieser Veranstaltungen bestehenden Gefahren zu erkennen und zu beseitigen.
  • Wer dagegen im Rahmen von Veranstaltungen Teilaufgaben übernimmt, hat zumindest seine Teilaufgabe ordnungsgemäß und mit üblicher Sorgfalt umzusetzen.

Sollte nun jemand – wie verbreitet – mehrere Tätigkeiten im Verein übernehmen,treffen ihn sämtliche Sorgfaltspflichten zugleich. Eine Entlastung ist deswegen nicht begründet, vielmehr ist es sogar eine Verschärfung, denn wer „zu viele“ Funktionen ausübt muss sich fragen lassen, wie er die bestehenden Sorgfaltspflichten überhaupt unter einen Hut bringen wollte.

Konsequenz: Strafbarkeit von Ehrenamtlern

Der vorliegende Fall ist eine Besonderheit, das Verfahren ist von den schwersten Verletzungen des betroffenen Jungen gekennzeichnet. Ehrenamtler im Sportverein haben das stete Damoklesschwert der (fahrlässigen) Körperverletzung über sich schweben – deswegen wird das Ehrenamt aber nicht über Gebühr belastet. Vielmehr ist von jedem immer zu fordern, dass er die grundsätzliche Sorgfalt anwendet, die nun einmal zu erwarten ist. Wer sportliche Veranstaltungen organisiert, der muss dann eben darauf achten, dass bekannte und vorhersehbare Gefahrenquellen gesichert sind. Anders herum droht aber eben nicht bei jeder auch nur theoretischen, geschweige denn nicht vorhersehbaren, Gefahrenquelle eine Strafbarkeit. Hinzu kommt, dass Gerichte hier mit Augenmaß reagieren werden – die Tätigkeit als Ehrenamtler ist sicherlich kein Grund von einer Strafbarkeit abzusehen; gleichwohl ist es, gerade wenn mangelhafte Organisation vorgeworfen wird, ein Grund von einem besonders geringen Strafmaß auszugehen. Vorliegend verblieb es bei einer Verwarnung mit Strafvorbehalt, was als durchaus vertretbar eingestuft werden darf.

Vereine können hier behilflich sein – zum einen sollte für entsprechende Mitglieder eine Versicherung vorhanden sein, die zumindest im Vorwurf fahrlässiger Körperverletzung für Kosten einer Strafverteidigung aufkommt. Des Weiteren sollte durch eine ausgefeilte Organisationsstruktur und ein immer einzuhaltendes Kontrollsystem vereinsintern für die Erkennung und Beseitigung von Gefahrenquellen gesorgt sein. In der heutigen Zeit ist das Modell der „Könige“ im Verein, die viele wesentliche Entscheidungsgewalten in einer Hand vereinen überholt und rechtlich – jedenfalls für das betreffende Mitglied – ein Desaster.

Aber: Aufhebung durch das OLG

Die Entscheidung wurde inzwischen aufgehoben, denn die Fahrlässigkeit wurde nicht hinreichend festgestellt. Wie der Pressemitteilung des OLG zu entnehmen ist, haben es dabei sowohl das Amtsgericht als auch das Landgericht versäumt, essentielle Feststellungen zu treffen:

Landgericht muss Fahrlässigkeitsvorwurf
genauer prüfen: Der gegen Jugendobmann des ausrichtenden Vereins aus Anlass des
sog. Torunfalls – bei diesem wurde ein elfjähriger Junge durch ein umstürzendes
Handballtor schwer verletzt – erhobene Vorwurf der fahrlässigen
Körperverletzung muss erneut geprüft werden. Das hat der 3.
Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 12.01.2016 entschieden
und damit das Berufungsurteil der kleinen Strafkammer des Landgerichts
Detmold aufgehoben.
Der im Jahre 1971 geborene Angeklagte aus Augustdorf gehörte als
Jugendobmann eines örtlichen Sportvereins zum Organisationsteam
des Vereins, welches im Januar 2013 die Hallenkreismeisterschaften
im Fußball für die D-Jugend ausrichtete. Neben einer großen, für den
Spielbetrieb vorgesehenen Sporthalle verfügte der Verein über eine
kleine, im Wesentlichen als Abstellraum genutzte Halle, in der am Turniertag
2 unbefestigte Hallenhandballtore aufgestellt waren. Die kleinere
Halle stand den Spielern zum Aufwärmen oder zum Verweilen während
der Spielpausen zur Verfügung. Ein Schild an ihrem Eingang wies
darauf hin, dass ein Aufenthalt ohne Betreuer untersagt war. In einer
Spielpause spielten Kinder eines anderen Sportvereins, unter ihnen
der seinerzeit 11 Jahre alte Geschädigte, in der kleinen Halle Fußball.
Eine erwachsene Aufsichtsperson war nicht anwesend. Durch einen
Lattentreffer geriet eines der unbefestigten Handballtore ins Wanken
und stürzte auf den Geschädigten, der schwere Kopfverletzungen erlitt.
Die kleine Strafkammer des Landgerichts hat den Angeklagten der
fahrlässigen Körperverletzung durch Unterlassen für schuldig befunden.
Dabei hat es die amtsgerichtliche Verurteilung bestätigt, mit der
Angeklagte unter dem Vorbehalt der Verurteilung zu einer
von 40 Tagessätzen zu je 50 Euro verwarnt wurde. Als Mitglied des
Organisationsteam habe der Angeklagte, so das Landgericht, eine
Überwachungspflicht gehabt. Ihm sei bekannt gewesen, dass die
Handballtore in der kleinen Halle nicht ordnungsgemäß zu befestigen
gewesen seien. Auch habe er damit rechnen müssen, dass Kinder
beim Verweilen in der kleinen Halle auf die Tore schießen würden, so
dass diese umfallen könnten. Deswegen habe er die Handballtore entfernen
oder so sichern müssen, dass diese nicht zum Spielen verwendet
werden konnten.
Die Revision des Angeklagten gegen das Berufungsurteil war erfolgreich.
Der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm hat das angefochtene
Urteil aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung
und Entscheidung an das Landgericht Detmold zurückverwiesen.
Die Feststellungen des Landgerichts seien, so der 3. Strafsenat des
Oberlandesgerichts Hamm, lückenhaft und unzureichend. Sie rechtfertigten keine Verurteilung des Angeklagten wegen fahrlässiger Körperverletzung.
Der Anklagevorwurf sei daher vom Landgericht erneut zu
prüfen und zu entscheiden.
Fahrlässig handele, wer eine objektive Pflichtwidrigkeit begehe, sofern
er diese nach seinem subjektiven Kenntnissen und Fähigkeiten vermeiden
konnte. Außerdem müsse die Pflichtwidrigkeit den Erfolg objektiv
und subjektiv vorhersehbar herbeigeführt haben.
Das Landgericht habe bereits nicht ausreichend aufgeklärt, ob der Angeklagte
den Torunfall objektiv sorgfaltspflichtwidrig herbeigeführt habe.
Zu prüfen sei unter anderem, ob der Angeklagte trotz des eingeschränkten
Reife- und Verantwortungsgrades der in der kleinen Halle
spielenden, 10- bis 12-jährigen Kinder darauf habe vertrauen können,
dass der Geschädigte die von den ungesicherten Hallentoren ausgehende
Gefahr kennen konnte. Außerdem könne es darauf ankommen,
ob den Kindern bekannt gewesen sei, dass der Aufenthalt in der kleinen
Halle ohne Betreuer untersagt war. Zudem sei zu prüfen, ob der
Angeklagte darauf habe vertrauen dürfen, dass die Kinder in der kleinen
Halle von einem erwachsenen Betreuer beaufsichtigt werden würden.
Da der Angeklagte ehrenamtlich tätig gewesen sei, seien jedenfalls
keine übersteigerten Anforderungen im Sinne einer Sicherheitsgarantie
an seine Sorgfaltspflicht zu stellen.
Bei der Beurteilung, ob der Torunfall für den Angeklagten vorhersehbar
gewesen sei, seien die bislang ungeklärte Betreuung der Gastmannschaft
sowie der Reife- und Verantwortungsgrad des geschädigten
Kindes ebenfalls zu berücksichtigen. Auch hierzu fehlten Feststellungen
des Landgerichts. Wirkten in einem Schadensereignis mehrere
Umstände zusammen, müssten alle, wenn auch nicht in allen Einzelheiten,
für den Täter erkennbar sein.
Unklar bleibe zudem, worauf das Landgericht seine Beurteilung stütze,
der Angeklagte habe mit einem Umstürzen der Handballtore rechnen
müssen sowie damit, dass Kinder in der kleinen Halle unbeaufsichtigt
durch ihre Betreuer die Handballtore zum Fußballspiel nutzen würden.
Rechtskräftiger Berschluss des 3. Strafsenats des Oberlandesgerichts
Hamm vom 12.01.2016 (3 RVs 91/15)

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
Letzte Artikel von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht) (Alle anzeigen)
Benutzerbild von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

Unsere Kanzlei ist spezialisiert auf Starke Strafverteidigung, seriöses Wirtschaftsstrafrecht, Arbeitsrecht und IT-Recht / Technologierecht. Beachten Sie unsere Tätigkeit im Steuerstrafrecht, digitaler gewerblicher Rechtsschutz, IT-Sicherheitsrecht sowie Softwarerecht.