Sicherungsverwahrung: Scheint eine Klärung in Sicht?

Die beschäftigt uns weiter, nun wurde gestern bekannt, dass die Bundesregierung sich auf Änderungen geeinigt haben soll – mangels konkretem Gesetzesentwurf wäre jede Überlegung im Detail hierzu aber unsinnig und überflüssig. Interessant ist für viele sicherlich, neben der längst überfälligen Umstrukturierung der Sicherungsverwahrung insgesamt, die Frage, wie man mit denjenigen „umgeht“, die auf Grund des EGMR-Urteils wohl entlassen werden müssen (um die 80 Personen werden betroffen sein). Die Süddeutsche führt dazu aus:

Dieser am Donnerstag vorgestellte Kompromiss von Union und FDP dürfte aber nicht für alle 60 bis 80 Altfälle greifen, die nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) jetzt aus der Sicherungsverwahrung entlassen werden müssen.

Für diese Täter, die frei kommen, solle weiterhin die sogenannte elektronische Fußfessel als Überwachungshilfe für die Polizei zum Einsatz kommen, erklärte Justizministerin Sabine Leutheusser- Schnarrenberger (FDP) am Donnerstag.

Das passt erst einmal, denn die Bundesjustizministerin hatte schon mehrfach – u.a. auf dem Anwaltstag in Aachen in diesem Jahr – geäußert, der Gesetzgeber könne hinsichtlich der vor 1998 betroffenen Sicherungsverwahrten kaum mehr etwas tun. Auch Detlef Burhoff bringt es gut auf den Punkt:

Und wie bitte schön will man, ohne wieder in Konflikt mit Karlsruhe oder dem EGMR zu kommen, eigentlich die bereits schon aus der Sicherungsverwahrung freigelassenen Straftäter unter die Neuregelung fassen?

Ich denke aber, eine Antwort ist durchaus möglich: Das EGMR-Urteil spielt, da man die Art. 5 I, 7 I EMRK betroffen sah, nur eine Rolle, solange die entsprechende Maßnahme als Strafe eingestuft wird. Und es ist problemlos möglich, dies als Ansatz, Menschen in Deutschland auf Grund eines richterlichen Beschlusses in einer psychiatrischen Betreuung unterzubringen, wobei diese Form der – die in den Psychisch-Kranken-Gesetzen der Bundesländer geregelt ist – von der EMRK im Art. 5 I (e) EMRK ausdrücklich mit der EMRK vereinbar ist.

Vielleicht muss man den Gedanken gehen, dass es per se ein schlechter Ansatz ist, Menschen alleine auf Grund einer Norm des StGB „in Sicherung zu nehmen“, wenn es am Ende vielleicht (?) um eine „psychische Krankheit“ und damit verbundenen Gefahren für die Allgemeinheit geht. Mit diesem Gedanken wäre zugleich eine – laut BVerfG ohnehin notwendige – Hürde geschaffen, um nicht einfach eine allgemeine Gefährlichkeit anzunehmen, sondern eine gutachtlich indizierte und wissenschaftlich greifbare Gefahr zu verlangen. Dass unser jetziges System diese Hürde keinesfalls garantiert, hat das BVerfG kürzlich eindrücklich klargestellt.

Anmerkung, da vielleicht leicht missverständlich: Keinesfalls möchte ich anregen, die PsychkrG der Bundesländer anzuwenden, was eine Zweckentfremdung wäre. Vielmehr geht es darum, zu überlegen, ob ein Gesetz speziell für diesen Fall geschaffen werden muss, dass auf der Gefährdung bedeutender Rechtsgüter auf Grund einer krankhaften Störung aufbaut (Vorbild: Die PsychkrG der Bundesländer) und dann im Einklang mit Art. 5 I (e) EMRK die Unterbringung in einer geeigneten „Anstalt“ vorsieht.

Wie gesagt: Es bleibt der Gesetzesentwurf abzuwarten, wobei man als Laie nicht auf die Schlagzeilen mancher Boulevard- und Revolverblätter setzen sollte, die in erster Linie ihre Auflagen damit verkaufen möchten, indem Richter und Rechtsanwälte fernab jeder Realität als „Irrsinns-Justiz“ an den Pranger gestellt werden. Skeptisch mutet dabei zunehmend an, wie Journalisten auch ernst zu nehmender Medien seit Monaten gesellschaftspolitische Ideologien und juristische Fakten in einer Form vermischen, die einer Hetze gleich kommen – wobei ich weniger Vorsatz, als vielmehr Unverstand und fehlendes Fachwissen unterstellen möchte.

Interessant ist dabei am Rande die bisher wohl großteils unbemerkt gebliebene Änderung des §121 II GVG, in der seit dem 1.8.2010 eine Vorlagepflicht von OLGen an den BGH in dieser Frage normiert ist. Freilich hatte dies mit der Entscheidung des OLG Köln, unseren Fall dem BGH vorzulegen, noch nichts zu tun.

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Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

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