Sexting – Rechtslage und rechtliche Folgen

Das so genannte „Sexting“ – gemeint ist das digitale versenden von eigenen Nacktaufnahmen – beschäftigt immer häufiger Juristen. Im August 2015 hat die Staatsanwaltschaft Aachen in der Aachener Zeitung (Ausgabe 191, Seite 9) das Thema offensiv angesprochen und vor den Folgen gewarnt. Die dortigen Hinweise decken sich insoweit auch mit unseren Erfahrungen in solchen Fällen.

Problem 1: Missbrauchtes Vertrauen

Betroffene Fälle

Hier geht es um die Fälle, an die man im Allgemeinen unmittelbar denkt: Jemand stellt seinem Partner intime Aufnahmen im Vertrauen zur Verfügung, die der Partner dann böswillig an Dritte weiter gibt. Doch nicht immer muss es missbrauchtes Vertrauen sein, das zur Weitergabe führt: Ein heimlicher Zugriff aufs Handy ist ebenso gut möglich, wie der Fall, in dem ein Mädchen bei seiner Freundin das Handy an den PC anschloss um es aufzuladen – und der PC kopierte automatisch die auf dem Handy vorhandenen Bilder.

Was kann man tun?

Juristisch ist man in Fällen der Weitergabe an Dritte nicht wehrlos: Man kann einen , und Beseitigungsanspruch durchsetzen. Hinzu kommt ein Schadensersatzanspruch, der ebenfalls durchgesetzt werden kann. Selbst schulische Maßnahmen gegenüber dem Schädiger sind denkbar.

Doch dies ist nur die theoretische juristische Sicht: In der Praxis zeigt sich, dass wenn man zu lange wartet, am Ende schon rein faktisch die Verbreitung so hoch ist, dass man zwar den unmittelbaren Schädiger in Anspruch nehmen kann, daneben aber der Gesamtschaden weiterhin bestehen bleibt. Daher kann der Rat nur sein, sofort erfahrene Hilfe in Anspruch zu nehmen.

Dieser Rat ist in der Praxis aber schwierig umzusetzen – es dauert zum einen immer eine gewisse Zeit, bis man überhaupt selber merkt, was passiert ist. Daneben ist als wesentlicher Faktor auch die eigene Scham zu sehen, verbunden mit der Angst, sich Vertrauenspersonen gegenüber zu öffnen. Ohne geht es nicht, und jedes bisschen vergangene Zeit ist verlorene Zeit.

Problem 2: Vertrauensvolle Strafbarkeit

Ein ganz anderes Problem verdanken wir dem Gesetzgeber: Die Strafbarkeit des Versendens von Bildern, selbst wenn diese gar nicht weitergegeben werden. Hintergrund ist, dass zum einen der Besitz kinderpornographischer Bilder strafbar ist (also von Kindern unter 14 Jahren), daneben aber auch der Besitz jugendpornographischer Schriften (also von jugendlichen zwischen 14 und 18). Bei der jugendpornographie drängt sich die Problematik auf, hier hat der Gesetzgeber dann reagieren wollen und festgehalten, die Strafvorschrift sei

nicht anzuwenden auf Handlungen von Personen in Bezug auf solche jugendpornographischen Schriften, die sie im Alter von unter achtzehn Jahren mit Einwilligung der dargestellten Personen hergestellt haben.

Dies aber ist in vielfacher Hinsicht problematisch. Noch schnell zu erkennen ist, dass der gerade 18 Jahre als gewordene Freund ich strafbar macht, wenn er Bilder seiner Freundin macht, wenn diese jünger als 18 ist (und sei sie auch 17 Jahre und 364 Tage alt). Diese Strafbarkeit ist nur kurzfristig, nämlich solange die Freundin 17 ist – wer nun meint, dies sei hinnehmbar irrt, denn Strafverfolgungsbehörden lesen gerne die Erstellungsdaten von Fotos und fangen dann an zu rechnen.

Noch wilder wird es aber, wenn man genau liest – straffrei ist nämlich nur, wer selber die Fotos erstellt! Wenn also die 17jährige Freundin alleine Fotos von sich fertigt und ihrem Partner – der ebenfalls 17 Jahre alt ist – zur Verfügung stellt, steht hier mit dem Wortlaut des Gesetzes ebenfalls die Strafbarkeit im Raum.

Wer nun meint, dies ist theoretisch, der irrt: Von wütenden Eltern über enttäuschte und erpressende Ex-Partner bis zu strafrechtlichen Ermittlungen nachdem auf Grund der Weitergabe von Bildern Ermittlungen angestellt wurden haben wir schon alles erlebt. Das Strafbarkeitsrisiko als nur theoretisch abzutun ist insoweit gefährlich.

Erpressungsfälle

Es gibt einige neuartige Entwicklungen, die bisher aber wohl nur Einzelfälle sind – etwa mit Männern, die in Chats zu intimen Momenten vor der Webcam verführt werden und dann hinterher mit den Aufnahmen erpresst werden. So hart es ist: Hier hilft nur noch die Gegenwehr, wer zahlt hängt am Fliegenfänger.

Eigene Ermittlungen

Aus irgendeinem Grund möchten häufig Dritte helfen und lassen sich etwa Bilder zusenden um zu Beraten – lassen Sie es! Egal worum es geht, Ermittlungen in diesem Bereich gehören in die Hände der Ermittlungsbehörden, Privatpersonen sind gut beraten sich raus zu halten. Wer sich Fotos zusenden lässt begründet Besitz an diesen Dateien, wer später Anzeige erstattet hat dann ein böses Erwachen (auch dies haben wir schon erlebt).

Schulen

Ein ganz grosses Problem aus meiner Sicht sind Schulen, die häufig zwar sehr bemüht agieren, aber vollkommen hilflos bis überfordert wirken. Insbesondere ist zu sehen, dass besonders gerne mit blinden Sanktionen und disziplinarischen Maßnahmen agiert wird, wo vielmehr Aufklärung und Hilfe notwendig währen. Zum Thema digitaler Alltag in Schulen halten wir eine eigene Beitragskategorie bereit.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

Unsere Kanzlei ist spezialisiert auf Starke Strafverteidigung, seriöses Wirtschaftsstrafrecht, Arbeitsrecht und IT-Recht / Technologierecht. Beachten Sie unsere Tätigkeit im Steuerstrafrecht, digitaler gewerblicher Rechtsschutz, IT-Sicherheitsrecht sowie Softwarerecht.