RGSt 74, 84 – Badewannenfall

Der Badewannenfall behandelt die Frage, wie man Täter und Teilnehmer auseinander hält. Hier wird die (heute von der Rechtsprechung wieder vertretene) subjektive Theorie aufgeworfen: Entscheidend ist der Wille des Handelnden. Der BGH gab Anfangs diese Theorie auf, kehrte aber beim Stachinskij Fall wieder dorthin zurück.

Links zum Urteil:

Im Folgenden das Urteil:

[74, 84]

Wer zu einer Tat nach dem § 217 StGB. hilft, kann nur wegen zum oder zum Totschlage verurteilt werden. Bei ihm ist aber zu prüfen, ob der Haupttäter mit Überlegung gehandelt hat oder nicht, obwohl diese Unterscheidung für den Tatbestand des § 217 StGB. selbst rechtlich unerheblich ist.

III. Strafsenat vom 19.02.1940 – 3 D 69/40

Die Beschwerdeführerin hat in bewußtem und gewolltem Zusammenwirken mit ihrer Schwester, der mitangeklagten Maria

[74, 85]

Anna R., deren neugeborenes, uneheliches Kind, das nach der Geburt deutlich hörbar atmete, in der Weise getötet, daß sie es in eine Badewanne legte, in der das Kind ertrank. Wegen dieser Tat hat das LG. die Beschwerdeführerin des Verbrechens des Mordes nach dem § 211 StGB. für schuldig erkannt. Es stellt fest, die Beschwerdeführerin habe gewußt, daß das Kind lebend zur Welt gekommen sei, und habe das Kind in die Badewanne gelegt, damit es ertrinke. Sie habe daher das Kind vorsätzlich und, wie das LG. aus den näheren Tatumständen weiter folgert, auch mit Überlegung getötet.

Diese Verurteilung kann auf Grund der bisherigen Feststellungen nicht aufrechterhalten werden.

Nach den Ausführungen des angefochtenen Urteils ist die Annahme nicht von der Hand zu weisen, daß das LG. die Beschwerdeführerin nur deshalb des Verbrechens des Mordes als Täterin schuldig erkannt hat, weil sie die tatbestandsmäßige Handlung selbst ausgeführt habe. Diese Rechtsansicht widerspräche aber der ständigen Rechtsprechung des RG. zur Auslegung der Begriffe Täterschaft (Mittäterschaft) und Beihilfe. Danach sind alle Bedingungen des Erfolges, einerlei, ob sie der Täter oder der Gehilfe gesetzt hat, völlig gleichwertig; auf die Beteiligung an der Ausführungshandlung allein kann es daher als Unterscheidungsmerkmal nicht ankommen. Entscheidend ist vielmehr, ob der Beschuldigte die Ausführungshandlung mit Täterwillen unternommen, d. h. die Tat als eigene gewollt hat, oder ob er damit lediglich eine fremde Tat als fremde hat unterstützen wollen. Nur im ersten Fall ist er Täter, im zweiten bloßer Gehilfe.

Nach der Annahme des LG. hat die Beschwerdeführerin die Tötungshandlung alsbald nach der Geburt in bewußtem und gewolltem Zusammenwirken mit ihrer Schwester ausgeführt. Dann genügt für die Unterstellung ihrer Tat unter den Tatbestand des Mordes noch nicht die Feststellung, sie habe die Tötung vorsätzlich und mit Überlegung ausgeführt. Es wäre vielmehr weiter zu prüfen und festzustellen gewesen, ob sie die Tötungshandlung als eigene gewollt hat oder lediglich die Tat ihrer Schwester hat unterstützen wollen. Ob jemand die Tat als eigene will, richtet sich vornehmlich, wenn auch nicht ausschließlich, nach dem Grade seines eigenen Interesses am Erfolg. In dieser Beziehung führt das angefochtene Urteil an, daß bei der Maria Anna R. „das größere Interesse an der Beseitigung des Kindes vorhanden gewesen sei, da ja die Vorwürfe ihres Vaters

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und die öffentliche Mißachtung als uneheliche Mutter gerade sie hätten treffen müssen“. An anderer Stelle sagt es: „Wenn die Niederkunft ihrer Schwester (das ist die Maria Anna R.) in der Familie und im Orte bekannt geworden wäre, so hätten die unangenehmen Folgen hiervon nicht sie (das ist die Beschwerdeführerin), sondern in erster Linie ihre Schwester getroffen. Gegen sie hätten sich die Vorwürfe ihres Vaters und die öffentliche Mißachtung gerichtet.“ Diese Erwägungen hätten das LG. um so mehr veranlassen sollen, sich eingehend mit der Frage zu befassen, ob unter diesen Umständen die Beschwerdeführerin mit Täterwillen gehandelt hat oder nur ihrer Schwester bei der Ausführung der Tat hat helfen wollen. Da es das in offensichtlicher Verkennung des Unterscheidungsmerkmales der Täterschaft und der Beihilfe nicht getan hat, ist das Urteil aufzuheben, um die Überprüfung des Sachverhaltes auch in dieser Richtung zu ermöglichen.

Hierbei wird das LG. gegebenenfalls folgendes zu beachten haben:
Daß Maria Anna R. lediglich nach dem § 217 StGB. strafbar ist, kann der Beschwerdeführerin nach dem § 50 StGB. nicht zustatten kommen. Sie wäre daher dessen ungeachtet – eine Beihilfehandlung und den entsprechenden Vorsatz vorausgesetzt – wegen Beihilfe zum Morde (§ 211 StGB.) oder zum Totschlage (§ 212 StGB.) zu verurteilen. Hierbei käme es nicht darauf an, ob die Beschwerdeführerin mit oder ohne Überlegung gehandelt hat. Entscheidend wäre lediglich, inwieweit das bei der Kindesmutter der Fall gewesen ist, zu deren Tat die Beschwerdeführerin Beihilfe geleistet hat, wenn auch diese Unterscheidung für den Tatbestand des § 217 StGB. selbst rechtlich unerheblich ist (RGSt. Bd. 72 S. 373).

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

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