Preußisches Obertribunal – Rose-Rosahl

Die Rose-Rosahl-Problematik behandelt zwei Kernthemen, die heute Standard-Probleme des Strafrecht AT sind:

  1. Wie ist der Error in objecto vel persona beim unmittelbaren Täter zu behandeln?
  2. Wie wirkt sich ein solcher auf den Anstifter aus?

Auch wenn die Probleme Standard-Probleme sind: Ausdiskutiert sind sie noch lange nicht. Klar ist bei Frage (1), dass der Irrtum „in persona“ unbeachtlich ist – bei (2) dagegen scheiden sich die Geister. Je nach fehlgehen der Tat, also abstellend auf die Umstände, wollen manche im konkreten Fall eine aberratio ictus für den Anstifter annehmen. Andere lehnen jede privilegierung generell ab.

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Im Folgenden nun die Entscheidung:

[GA 7, 322]

Über den Einfluß des Irrthums im Objekte beim Morde und bei der Anstiftung und Hilfsleistung zu diesem Verbrechen.

PrObTr in GA 7 (1859), 322

Der Zimmermann und Kossäth Schliebe ging am 11. September 1858 Abends nach 9 Uhr in Begleitung seines Gesellen auf dem Wege von Schliepzig nach Lieskau bei Halle. Es war ziemlich dunkel Sie fanden einen Leichnam, machten davon dem Schulzen in Lieskau Anzeige, und es fand sich, daß der Leichnam der des 17 jährigen Gymnasiasten Enst Harnisch, Sohnes des Kantor Harnisch in Lieskau, war, welcher in Schliepzig sein Taufzeugnis zum Eintritt in den Jägerdienst an jenem Abend geholt hatte und demnach auf dem Rückwege von dort nach Lieskau begriffen gewesen war.
An dem Leichnam wurden mehrere Verletzungen, insbesondere Schußwunden gefunden, und nach dem Obduktionsberichte und dem Gutachten der Sachverständigen ist der Harnisch lediglich und sofort an diesen Verletzungen und insbesondere an Kopfwunden gestorben; der Schädel war zertrümmert.
In dem Graben zur Seite der Straße, der Hasengarten genannt, bemerkte man auf der Sohle deutlich den Abdruck eines Stiefelabsatzes und damit korrespondirend an der Böschung des Grabens zwei Vertiefungen, welche vermuthen ließen, daß es die Abdrücke der Kniee eines im Graben Lauernden gewesen seien. Von dieser Stellung aus konnte der Lauernde mit dem Gewehr eine ziemlich weite Strecke des nach Schliepzig führenden Weges bestreichen. Die Entfernung der erwähnten Eindrücke im Graben von der Stelle, wo der Leichnam gefunden wurde, etwa 9 Schritte.
Schliebe, welcher den Leichnam gefunden hatte, gab sofort die Vermuthung kund, daß der tödtende Schuß nicht dem Ermordeten, sondern iihm selbst gegolten habe. Erstehe mit dem Holzhändler Rosahl zu Schliepzig in Geschäftsverbindungen, und habe von demselben Geldsummen, die dieser ihm und anderen Personen dort schulde, zu erheben. Es sei zu vermuthen, daß es den Einwohnern von Schliepzig bekannt sei, wie er dorthin nur zur Erhebung dieser Geldsumme zu kommen pflege. Namentlich sei dies den Rosahlschen Arbeitern bekannt. Er lenkte den Verdacht auf einen dieser Arbeiter Namens Rose.

Rose ward verhaftet und gestand auch alsbald die Ermordung zu, aber zugleich, daß er von seinem Dienstherrn Rosahl zur Ermordung des Schliebe, nicht aber des Harnisch, angestiftet worden sei. Rosahl wurde gleichfalls verhaftet und legte eben so ein Geständnis ab.
Hiernach hatte Rosahl bis zu Anfang des Jahres 1858 mit dem Schliebe

[GA 7, 323]

gemeinschaftlich Holzgeschäfte gemacht. Schliebe hat sodann das ganze Geschäft an Rosahl verkauft, und dieser glaubte sich dabei durch den ersteren bevortheilt. Bereits im März oder April 1858 nun hat Rosahl mit bezug hierauf zu Rose erklärt

”ich gäbe gleich Etwas darum, wenn Schliebe weg wäre, daß ich Nichts mehr mit ihm zu tun hätte; ich gäbe Dir 300 Rthlr. und 1 Trhlr. die Woche, wenn Du ihn wegbringst.”

Diese Aufforderung, den Schliebe umzubringen, hat Rosahl zu verschiedenen Malen wiederholt, und namentlich dann, wenn Schliebe bei ihm gewesen war und Geld aus dem eben erwähnten Kaufgeschäfte geholt hatte. Nachdem nun Rose sich endlich zur Beseitigung des Schliebe bereit erklärt hatte, händigte Rosahl dem ersteren zu verschiedenen Malen Geldbeträge aus, um die zur Beseitigung des Schliebe erforderlichen Schußwaffen zu repariren rep. Anzuschaffen. Ferner kaufte Rosahl in Leipzig Pulver und Blei, entnahm in Schliepzig vom Kaufmann Zündhütchen, und lieh von einem Fuhrmann dort dessen kurze Flinte. Alle diese Vorbereitungen wurden getroffen, um die Beseitigung des Schliebe zu erwirken. Am Sonnabend den 11. September 1858 war Schliebe zur Instandsetzung der Dorfplumpe nach Schliepzig gekommen. Rose hatte an diesem Tage für Rosahl Gras gemäht und erschien um 6 Uhr auf dem Holzplatze des Rosahl, um die Stiefeln zu wechseln. Rosahl ging hinter ihm her und sagte zu ihm:

”Höre, jetzt ist die höchste Zeit; Schliebe hat an der Plumpe bis spät zu thun; ich muß ihm zu Michael 400 Rthlr. Zahlen, die bin ich dann los; auch habe ich noch 200 Rthlr. Zu heben, die sonst auch zu Michael gezahlt würden; ich bin dann gleich geholfen und Du mit; der verfluchte Schurke; denke nicht, daß Du Sünde thust, dabei ist gar nichts. Du kriegst die 300 Rthlr. Und so alle Woche 1 Rthlr. 1000 Rthlr. Kann ich mir noch machen, wenn der schlechte Schurke weg ist.”

Rose erklärte sich dieser Aufforderung zufolge bereit zur That, lud die Schußwaffen, ein Doppelterzerol mit je einem Rehposten, und das von Rosahl von dem Fuhrmann geliehene Gewehr mit mehreren Rehposten. So bewaffnet ging er nach dem Hasengarten an die oben bezeichnete Stelle der Straße, die Rosahl ihm als diejenige bezeichnet hatte, welche Schliebe passiren würde, in der Absicht, den Schliebe auf seinem Rückwege mittelst dieser Schußwaffen zu tödten. Er legte sich in den Graben nieder, die Hähne seiner Schußwaffen gespannt, und zugleich mit dem Terzerol den Lauf der Flinte, die er angelegt hatte, unterstützt. In dieser Stellung erwartete er die Ankunft des Schliebe. Als er nun Schritte kommen hörte, und in der Vermuthung und zuversichtlichen Meinung, daß sich Schliebe nahe, gab Rose, ohne sich von der Person näher zu vergewissern, mit der Flinte auf die herankommende Person Feuer. Auf diesen Schuß fing der Getroffene an zu wimmern, sodann nahm Rose das Terzerol in die rechte Hand, zielte wiederum nach dem Menschen, schoß es ab, und als der zjm zweitenmale Getroffenen noch Lebenszeichen von sich gab, sprang Rose auf ihn zu und versetzte ihm mit dem Flintenkolben mehrere Schläge auf den Kopf.
Nach der That lief Rose zu Rosahl, theilte ihm mit, daß Schliebe todt sei, und warf auf Rosahls Rath die Waffen in die Saale.
In der Audienz vor den Geschworenen haben die Angeklagten ihre Geständnisse widerrufen oder doch wesentlich modifiziert.

Die behauptete also:

1. gegen Rose des Harnisch, welchen er irrthümlich für denSchliebe hielt;
2. gegen Rosahl:
a. Anstiftung zu diesem Morde,
b. Anleitunggeben und Hülfeleistung zu demselben durch Verschaffung der Werkzeuge der That.

[GA 7, 324]

Vor den Geschworenen führten die Vertheidiger aus:

1. gegen Rose liege nur fahrlässige Tödtung des Harnisch und versuch de Mordes des Schliebe,
2. gegen Rosahl nur Anstiftung resp. Hülfsleistung zu dem versuchten Morde des Schliebe vor.

Es wurden den Geschworenen folgende Fragen gestellt:

I. Ist der Rose schuldig, sich zur Ausführung der Tödtung des Zimmergesellen Schliebe, welche er vorher mit dem Holzhändler Rosahl überlegt und verabredet hatte, am 11. September 1858 Abends am Schliepziger Kommunikationswege mit geladenem Schießgewehr bewaffnet, auf die Lauer gelegt, und hiernächst in der Person des an jener Stelle vorübergehenden Gymnasiasten Harnisch durch mehrere Schüsse und Kolbenschläge einen Menschen, und zwar:
a. vorsätzlich und
b. mit Ueberlegung
getödtet zu haben, den er in der Dunkelheit für den von ihm erwarteten Schliebe hielt?
II. Ist der Rosahl schuldig, an der durch den Rose am 11. September 1858 in der Person des Harnisch, welchen Rose in der Dunkelheit für den Zimmergesellen Schliebe gehalten hat, und zwar:
a. vorsätzlich und
b. mit Ueberlegung
bewirkten Tödtung eines Menschen dadurch wesentlich Theil genommen und dazu mitgewirkt zu haben, daß er
a. den Rose durch das Versprechen einer Geldbelohnung zur Tödtung des Schliebe angereizt und verleitet,
b. dem Rose zur Ausführung dieser Tödtung des Schliebe Anleitung gegeben, ihm auch Waffen und andere Mittel, welche zu der Ausführung der That gedient haben, wissend, daß sie dazu dienen sollten, verschafft hat?

Die Geschworenen haben diese beiden Fragen mit allen in denselben enthaltenen Umständen mit mehr als 7 Stimmen bejaht.

Für den Fall der Verneinung jener Fragen waren eventuell folgende aufgestellt, die indeß nun unbeantwortet blieben:

III. Ist Rose schuldig, den Versuch gemacht zu haben, den Zimmergesellen Schliebe zu tödten, und zwar:

a.vorsätzlich und
b.mit Ueberlegung;

hat er mit der Ausführung dieses Vorhabens bereits dadurch den Anfang gemacht, daß er sich am 11. September 1858, mit geladenem Schußgewehr versehen, am Schliepziger Kommunikationswege in einem Graben auf die Lauer gelegt, und hier den Schliebe, welcher nach seiner Ansicht um jene Zeit den fraglichen Weg passiren mußte, zu erschießen, – und ist das gegen den Schliebe gerichtete Vorhaben des Rose nur durch den äußeren, von dem Willen des Angeklagten unabhängigen Umstand ohne Erfolg geblieben, daß in der Person des Gymnasiasten Harnisch ein anderer Mensch, welchen Rose in der Dunkelheit für den Schliebe hielt, und den er in dieser Meinung durch Abfeuern mehrerer Schüsse und durch Kolbenschläge tödtete, vorüberging?

IV. Ist Rosahl schuldig, an der von dem Rose am 11. September 1858 am Schliepziger Kommunikationswege durch Auflauern in einem Graben mit geladenem Gewehr, durch Abfeuern mehrerer Schüsse und durch Kolbenschläge vorsätzlich und mit Überlegung versuchten Tödtung des Zimmergesellen Schliebe, welche einen Anfang der Ausführung enthaltende Hand-

[GA 7, 325]

lungen nur durch den äußeren, von dem Willen des Rose unabhängigen Umstand ohne Erfolg blieben resp. nicht zum Ziele führten, weil der Rose in der Dunkelheit einen anderen, in der Person des Harnisch wirklich getödteten, Menschen für Schliebe hielt – dadurch wesentlichen Theil genommen zu haben, daß er

a. den Rose durch das Versprechen einer Geldbelohnung zur Tödtung des Schliebe angereizt und verleitet,
b. dem Rose zur Ausführung dieser Tödtung des Schliebe Anleitung gegeben, ihm auch Waffen und andere Mittel, welche zur Ausführung der That dienen sollten, und von dem Rose bei der Tödtung des Harnisch, den er mit dem Schliebe verwechselt, benutzt sind, wissend, daß sie zur Tödtung des Schliebe dienen sollten, verschafft hat?

Der Schwurgerichtshof zu Halle erkannte auf Grund der oben zu I. und II. angegebenen Verdikte am 18. Februar 1859 gegen Rose wegen Mordes und gegen Rosahl wegen Theilnahme am Morde auf Todesstrafe. Angewendet wurden die §§. 175., 34. und 35. des Strafgesetzbuches.
Er führte in seinem Urteil Folgendes aus:

Der §. 175. des Strafgesetzbuches schreibt vor:

Wer vorsätzlich und mit Ueberlegung einen Menschen tödtet, begeht einen Mord.

Es steht fest, daß Rose den Harnisch, also einen Menschen, vorsätzlich und mit Ueberlegung getödtet hat. Der Irrthum, in welchem sich rose hierbei über die Person des Getödteten befunden hat, kann ihm weder zur Entschuldigung, noch zur Strafmilderung dienen, weil das Gesetz die Tödtung jeder Person, jedes Menschen mit der Strafe bedroht. Abgesehen hiervon vermag auch die bloße Nichtidentität des Objektes, an welchem Jemand, der überhaupt die Verübung einer Tödtung sich vorgenommen hatte, dieses Verbrechen begangen hat, und desjenigen Objektes, an welchem er dasselbe begehen wollte, weder den Thatbestand des Verbrechens der Tödtung als eines vollendeten zu ändern (denn die Lebensberaubung ist ja auch an dem anderen Objekte faktisch eingetreten), noch den Begriff des Verbrechens als eines vorsätzlichen aufzuheben. Denn die Handlungen, durch welche die Konsummation herbeigeführt wurde, sind ja von der Absicht, zu tödten, auch dem wirklich Getödteten gegenüber begleitet gewesen. (Pfotenhauer, über den Einfluß des faktischen Irrthums u. s. w. II Abth. S. 63 ff. – Gesterding, über Verbrechen, insbesondere Todtschlag aus Irrthum in Ansehung der Person im Neuen Archiv III. Stück III. – Heffter, Lehrbuch §. 73. S.63. – Temme, Lehrbuch des Preußischen Strafrechts S. 195 – Zachariä, vom Versuche in Goltdammers Archiv V. S. 536).
In Betreff des Rosahl ist es bei dem durch den Spruch der Geschworenen festgestellten Thatbestande der wesentlichen Theilnahme an der von Rose mit Vorsatz und Ueberlegung in der Person des Harnisch verübten Tödtung eines Menschen nicht mehr gestattet, auf die Behauptung der Vertheidigung Rücksicht zu nehmen, daß Rosahl Vorsatz, Anleitung und Hülfsleistung keinesweges gegen den von Rose getödteten Harnisch, sondern nur gegen den Schliebe gerichtet gewesen sei. Uebrigens würde es gegen den Angeklagten immer ins Gewicht fallen, daß ohne seine Anstiftung und Anreizung die von Rose gegen Harnisch, wenn auch durch Verwechselung der zu tödtenden Person, verübte Mordthat ohne Zweifel nicht stattgefunden haben würde.
Gegen diese Erkenntniß haben sowohl Rose als Rosahl die Richtigkeits-Beschwerde eingelegt.
I. Rose führt aus, daß durch das Verdikt der Thatbestand des Mordes nicht für festgestellt erachtet werden könne. Denn es erhelle daraus nicht, daß der für diesen Thatbestand erforderliche Kausalnexus zwischen dem Vorsatz und der

[GA 7, 326]

Ueberlegung in Bezug auf die Person des Getödteten, den Harnisch, vorhanden gewesen sei; es sei zweifelhaft geblieben, ob dieser Nexus in Bezug auf Harnisch, der nur irrthümlich getödtet worden, oder auf Schliebe vorhanden gewesen sei. Die Frage hätte sich daher einfach darauf beschränken sollen:
ob Angeklagter den Harnisch mit Vorsatz und Ueberlegung getödtet habe?

II. Rosahl führt Folgendes aus: die Rechtsfrage, welchen Einfluß bei der Tödtung der Irrthum in der Person des Getödteten habe, gebühre nur dem Gerichtshofe und nicht den Geschworenen. Ihre Entscheidung sei dadurch bedingt, ob die mit Vorsatz und Ueberlegung verübte Tödtung eines Menschen allein genüge, oder ob der Effekt dieser Tödtung in einem nothwendigen und bewußten ursachlichen Zusammenhange mit Vorsatz und Ueberlegung stehen müsse. Ungleich wichtiger aber werde noch der Einfluß jenes Irrthums des physischen Urhebers auf die Verantwortlichkeit des Anstifters und Gehülfen, welcher einen ganz anderen Effekt, als den wirklich eingetretenen, bezweckt habe. Es sei also hierbei die Frage, in wieweit namentlich der intellektuelle Urheber auch für alle Ueberschreitungen und Abweichungen des ertheilten Mandats verantwortlich werde? Ferne, ob bei der Hülfsleistung durch Verschaffung von Mitteln, welche zur That gedient haben, die Ansicht und Wissenschaft des Hülfsleistenden dem von dem Thäter selbst gewollten und erreichten Zwecke entsprechen müsse, oder ob es genüge, wenn auch nur ein zufälliger, von dem Hülfsleistenden nicht gewollter und nicht vorhergesehener Effekt durch die von ihm zu anderen, wenn auch ähnlichen Zwecken angeschafften Mittel erreicht worden sei? Bei der Entscheidung dieser Fragen könne der Gerichtshof durch die Verdikte der Geschworenen nicht gebunden sein. Wollte man annehmen, durch das Verdikt sei der Thatbestand eines Mordes des Rose an der Person des Harnisch festgestellt und der Gerichtshof habe dieser Feststellung folgen müssen, so würde doch eine unrichtige Fragestellung vorliegen.

Der Fehler derselben würde darin liegen, daß gefragt worden:

und hiernächst in der Person des an jener Stelle vorübergehenden Harnisch einen Menschen, den er in der Dunkelheit für den von ihm erwarteten Schliebe gehalten hat u.s.w., vorsätzlich und mit Ueberlegung getödtet zu haben,

während es hätte heißen müssen:

und hiernächst den Harnisch, den er für den Schliebe hielt, durch vorsätzlich auf denselben gerichtete Schüsse u.s.w. getödtet zu haben.

Es würden dann alle Umstände, auf welche die Anklage die mit Vorsatz und Ueberlegung verübte Tödtung eines Menschen stützte, in der Frage enthalten, dem Rechtshofe aber die freie Beurteilung geblieben sein, ob in diesem Thatbestande das Verbrechen des Mordes vorliege. Ebenso würde bei gleicher Voraussetzung eine unrichtige Fragestellung gegen Rosahl vorliegen, indem dieselbe zur Vermeidung der Einmischung rechtlicher Momente vielmehr hätte lauten Müssen:

ob derselbe schuldig, den Rose zu der am 11. September durch mehrere Schüsse u.s.w. nach vorgängigem Auflauern bewirkten Tödtung des Harnisch, den er für Schliebe hilet,
a.durch eine für den Fall der Tödtung des Schliebe versprochene Geldbelohnung angereizt und verleitet zu haben,
b.dem Rose zur Ausführung dieser Tödtung (des Schliebe) Anleitung gegeben, 8ihm sauch Waffen und andere Mittel, welche zur Ausführung der That gedient haben, wissend, daß sie dazu dienen sollten, verschafft zu haben.

Dadurch würde dann der Irrthum der Geschworenen, daß der zufällig und wider den Willen de Rosahl eingetretene Erfolg des von Rosahl in dem Rose angeregten verbrecherischen Vorsatzes dem Rosahl anzurechnen sei, vermieden worden sein.

[GA 7, 327]

Jedenfalls habe der Gerichtshof in der Anwendung des Gesetzes in freier Beurtheilung der Rechtslage gefehlt.
In Beziehung auf die That des Rose. Der Einfluß des Irrthums im Objekte bei der Tödtung werde in der Regel nur in der Beziehung wissenschaftlich erörtert, ob in solchen Fällen vorsätzliche Tödtung anzunehmen sei oder nicht. Die Frage, ob bei der Annahme des Vorsatzes nicht wenigstens das andere nothwendige Moment, die Ueberlegung, zu verneinen sei, insofern diese erweislich auf ein ganz anderes Objekt gegangen, sei früher ohne praktisches Interesse gewesen, da auch die im Affekt und ohne Ueberlegung verübte vorsätzliche Tödtung die Todesstrafe nach sich gezogen habe. Dies habe sich jetzt nach unserem Rechte geändert. Die gründliche historische Entwickelung von Leib im Archiv des Kriminalrechts 1837 s. 588 und 1838 S. 36 weise nach, daß die älteren Italienischen Juristen bei einem Irrthum im Objekte überall ein doloses Verbrechen nicht angenommen haben, diese Annahme vielmehr erst lange nach der Carolina zuerst von Carpzow aufgestellt, und dann von Anderen aus unzureichenden Gründen vertheidigt worden sei. Es werde schließlich von Leib ausgeführt, daß ein doloses Verbrechen nur im Falle eines wirklichen Kausalnexus zwischen Absicht und Effekt angenommen werden könne, daß dagegen in Fällen der hier vorliegenden Art nur ideale Konkurrenz von versuchtem Morde und fahrlässiger Tödtung vorliege. – Insbesondere sei Leib der Ansicht, daß die Fälle der aberratio ictus, in welchen man neuerlich übereinstimmend nur Conat und culpa annehme, im Wesentlichen von dem vorliegenden Falle des Irrthums im Objekte nicht verschieden seien, indem die allerdings im Momente der That vorhanden gewesene Absicht, denjenigen zu tödten, der irrthümlich für einen Anderen gehalten wurde, ein bloßer Scheinwille sei, welcher strafrechtlich als imputabler dolus nicht gelten könne.

Die Fassung des Preußischen Strafgesetzes enthalte Nichts dem Widersprechendes. Die Vorschrift des §. 807. Tit. 20. Th. II. des Allg. Landrechts, also unseres früheren Strafrechts, welche unter Umständen einen solchen Irrthum sogar als Erschwerungsgrund behandelte, sei aufgehoben, also jetzt auch nicht mehr doktrinell von Einfluß. Wäre aber auch wirklich bei solchem Irrthum der Vorsatz, einen Menschen, und wzar den wirklich umgebrachten zu tödten, nicht wegzuleugnen, weil der Irrthum ja nur im Motiv gelegen hätte, so wäre doch jedenfalls die Ueberlegung dieses Vorsatzes zu verneinen. Sei der Vorsatz wirklich vorhanden gewesen, den Harnisch zu tödten, so sei er doch immer nur erst im Momente der That, welcher mit dem Momente der Entstehung des Irrthums zusammenfiel, gefaßt gewesen, und die Veranlassung zu diesem Vorsatze sei nicht eine vorangegangene, wenn auch noch so kurze Ueberlegung, sondern einzig und allein Sinnestäuschung. Die wirklich vorangegangene Ueberlegung habe zwar einen bestimmten Vorsatz zur Reife gebracht, aber nur den auf Schliebe gerichteten, und dieser sei nicht zur Ausführung gekommen, könne also nur als Versuch in Betracht kommen. Auf diesen Gesichtspunkt gelange das angefochtene Urteil gar nicht; es suche nur auszuführen, daß der Vorsatz zu tödten in Bezug auf den Getödteten ebenso vorhanden gewesen sei, wie der tödtliche Effekt. Die Sinnestäuschung und die Richtung der Ueberlegung auf eine ganz andere That ziehe es gar nicht in Erwägung.

In Beziehung auf den Rosahl: Es frage sich also hier, ob diesem der Irrthum des Thäters Rose zugerechnet werden könne. Das Urteil erwäge, es falle gegen ihn immer ins Gewicht, daß ohne seine Anstiftung die von Rose gegen Harnisch, wenn auch durch Verswechselung der zu tödtenden Person, verübte Mordthat nicht stattgehabt haben würde. Aber darin liege eine gänzliche Verkennung der Verantwortlichkeit des Anstifters. Damit würde die Haftung für alle auch nur zufälligen Folgen des Auftrags, also für alle ohne oder gar wider den Willen des Mandanten verübten strafbaren Handlungen des beauftragten Thäters ausgesprochen sein . Das würde aber undenkbar sein. Die wahre Meinung des Preußischen Strafgesetzes lasse sich aus den Worten des §. 34 des Strafgesetzbuches:

[GA 7, 328]

”wer – zur Begehung des Verbrechens oder Vergehens angereizt u.s.w. hat”,

entnehmen. Die härteste der verschiedenen Ansichten, welche dem Anstifter auch den eigentlichen Exceß des Angestifteten zurechne, beschränke dies doch auf die Fälle, wo dieser Exceß vorauszusehen war.

Ausführlicher seien diese Ansichten von Hälschner System des Preußischen Strafrechts II. S. 352 erörtert; hiernach sei nach diesem das Resultat: daß durch die Anstiftung eine Theilnahme am Verbrechen nur insoweit begründet werde, als die Thätigkeit des physischen der Absicht des intellektuellen Urhebers wirklich entspreche; daß aber dem Anstifter nicht bloß der von ihm ausschließlich, sondern auch der eventuell beabsichtigte Erfolg zuzurechnen sei, und daß, wenn die Thätigkeit des physischen Urhebers seiner Absicht durchaus entspreche, er nicht nur den vorsätzlichen, sondern auch den eingetreten vorauszusehenden Erfolg als culpa vertreten müsse; daß aber der Anstifter nicht verantwortlich sei für eigentliche Excesse des Angestifteten, d. h. für Handlungen, zu denen dieser nicht durch den Willen jenes bestimmt worden, sondern zu denen er sich selbst bestimmt habe; da0ß endlich der Anstifter ebenso wenig verantwortlich sei für den nicht vorauszusehenden durch culpa des Angestifteten eingetretenen Erfolg seiner dem Willen des Anstifters entsprechenden Thätigkeit.

Dem Rosahl könne also so wenig eine wesentliche Theilnahme, noch insbesondere eine solche durch wissentliche Verschaffung der zur Tödtung des Schliebe dienenden Waffen zugerechnet werden, denn was die letzteren betreffe, so sei der Grund der Strafbarkeit des Gehülfen die auf eine gemeinschaftliche strafbare Absicht mit dem Haupturheber gerichtete gemeinsame Thätigkeit. Der nicht gewollte und nicht vorauszusehende Effekt der That des Haupturhebers könne daher auch dem Gehülfen nicht zugerechnet werde. Hälschner §. 82. 83.
Der Antrag geht daher dahin, den Rosahl nur wegen Theilnahme an dem Versuche eines Mordes zu verurtheilen.

So weit die Richtigkeitsbeschwerden. Es ist nicht ohne Interesse, daß sofort nach dem Erlasse des Schwurgerichtsurteils der Privatdozent an der Universität zu Halle, der Dr. Hugo Böhlau, welcher den Schwurgerichtsverhandlungen daselbst in dieser Sache beigewohnt hat, sein Interesse an diesem Falle durch Herausgabe einer juridischen Abhandlung über denselben:
Der Kriminalprozeß Rose und Rosahl. Besprochen von Dr. Hugo Böhlau. Weimar 1859 bei Böhlau.
Bethätigt hat. Dieselbe ist von dem Vertheidiger des Rosahl als Ergänzung seiner Richtigkeitsbeschwerde zu den Akten gegeben. Wir geben hier in dem Folgenden den wesentlichen Inhalt der rechtlichen Erörterung.
I. Rose als physischer Urheber der vollendeten Tödtung des Harnisch.
Rose ist unzweifelhaft der vorsätzlichen Tödtung des Harnisch schuldig. Mit der Meinung nun, daß Vorsatz und That, obwohl gegen verschiedene Species gerichtet, doch in dem Genus zusammenträfen, könnte man es für gleichgültig erklären, ob Rose gerade den Harnisch vorsätzlich getödtet habe. Allein das Geschehene ist ein Gewolltes, und zwar in der Weise ein Gewolltes, daß die Beziehung des Vorsatzes auf die äußere Handlung gerade die Identität ist. Ferner muß der Kausalnexus zwischen Vorsatz und That ein innerer sein. Wer also ein bestimmtes Individuum tödten will, der hat nicht den Vorsatz, ein anderes, ganz verschiedene Individuum zu tödten. Freilich ist ein auf das Genus Mensch gerichteter Vorsatz zu tödten denkbar (Brunnenvergiftung, Schießen in einen Menschenhaufen). Allein deshalb eben ist der auf ein Individuum gerichtete Vorsatz nicht

[GA 7, 329]

Als ein auf Tödtung anderer Menschen, außer diesem Individuum, gerichteter anzusehen. Nicht deshalb, weil Rose einen Menschen, den Schliebe, tödten wollte, und in äußerem Kausalnexus mit diesem Vorsatze den Harnisch, gleichfalls einen Menschen, wirklich tödtete, ist seine vollendete Tödtung eine vorsätzliche, sondern sie ist es, weil Rose sich, als er auf der Lauer lag, positiv entschloß, das des Weges kommende Individuum zu tödten, weil also diese Tödtung mit jenem im Hasengarten (dem Orte, wo er auf der lauer lag) gefassten Vorsatze im inneren Kausalnexus steht.

Ist nun aber diese vorsätzliche Tödtung auch eine mit Ueberlegung verübte?

Das gemeine Deutsche Kriminalrecht fordert Prämeditation für den Mord, im Gegensatze zur impetuos vorsätzlichen, d. h. im Affekt verübten Tödtung. Wissenschaft und positive Gesetzgebung, namentlich die Preußische, geben jene praemeditatio durch ”Ueberlegung” wieder. Giebt es nun freilich, wenigstens nach der Voraussetzung des Preußischen Rechtes, auch ohne Affekt einen Mangel an Ueberlegung, so ist doch die Bedeutung dieser letzteren, wie der praemeditatio, jedenfalls immer: Berathung, Beschluß und Entschluß in geistiger Ruhe vor sich gegangen. Mangel dieser geistigen Ruhe also ist das Requisit des Todtschlags. Die Ueberlegung nun muß mit der tödtenden Handlung in demselben inneren Kausalnexus stehen, um den Thatbestand des Mordes darzustellen, wie der Vorsatz, und ohne Vorsatz ist eine praemeditatio unmöglich. Der die Tödtung als eine vorsätzlich-qualifizirende dolus des Rose begann aber erst im Hasengarten und zwar in dem Momente, in welchem Rose den Harnisch kommen sah. Da es also bis zu diesem Zeitpunkte an einem gegen das wirklich getödtete Indiviuum gerichteten dolus fehlt, so kann die bis dahin auf Tödtung eines anderen Individui gerichtete praemeditatio die Handlung des Rose als einen Mord nicht qualifiziren. Das Ziel der in dieser Zeit allerdings verübten Prämeditationshandlungen war lediglich Schliebe. An einem inneren Kausalnexus zwischen ihnen und der Tödtung des Harnisch ist aber nicht zu denken.

Dagegen läßt sich in der Zeit der Entstehung des Vorsatzes dem Rose eine Ueberlegung nachweisen, ”in Folge welcher” oder ”mit welcher”, wie sich der Preußische Entwurf von 1845 ausdrückt, der Harnisch getödtet worden ist. Mit dem überlegten Vorsatze, den Schliebe zu tödten, lag Rose im Hasengarten. Seine Absicht überträgt sich durch den Irrthum mit allen ihren Bestandtheilen auf das herannahende Individuum. Der überlegte Vorsatz, den Schliebe zu tödten, dauerte in dieser geistigen Ruhe fort, als das Individuum erschien, welches nach der Meinung des Rose das Ziel seiner praemeditatio war. Es giebt freilich Fälle, in denen zum prämeditirten Vorsatze im Augenblicke seiner Ausführung geistige Unruhe, z. B. der Affekt des Zornes tritt; diese ist jedenfalls dann zu berücksichtigen, wenn sich mit solchen Umständen ein error in corpore genau in dem Momente des Aufhörens der Ruhe verbindet; dann ist eben in keinem Momente der auf das irrthümlich angegriffene corpus gerichtete Vorsatz ein überlegter gewesen. Rose sagt:
”Vor innerer Unruhe unterschied ich nicht, ob es Schliebe oder ein Anderer sei, nahm mir auch nicht die Zeit, ihn genau erkennen zu wollen.”

Affekt ist dies aber nicht; es ist etwa nur eine aus potenzirter Ueberlegung hervorgegangene Aufregung. Die Vermuthung der Fortdauer und Uebertragung der praemeditatio wird mithin dadurch nicht entkräftet, das folgt aus den Anstalten, die rose nun beim Herannahen des Individuums trifft. Dazu tritt die konkomititrende Ueberlegung bei der in mehrfacher Weise verübten That. Diese ist also, was den Harnisch betrifft, nicht nur eine vorsätzliche, sondern auch eine überlegte gewesen. Die physische Urheberschaft des Rose an der vollendeten Tödtung des Harnisch ist demnach Mord.

[GA 7, 330]

II. Rose als physischer Urheber eines Mordversuches an Schliebe.
Konkurrenz von Mord und Mordversuch.
Für die Beurtheilung eines Mordversuches von Rose gegen Schliebe bieten sich drei verschiedene Ansichten in der Rechtswissenschaft dar:

1). Die erste verlangt nur eine aus einem innerlich abgeschlossenen Plane, aus einer bestimmten Absicht auf ein bestimmtes Verbrechen hervorgehende Handlung, ohne Rücksicht darauf, ob die Absicht aus dem Akte an und für sich schon erkennbar gewesen sei, oder nicht. Sie zieht also schon bloße Vorbereitungshandlungen in den Thatbestand hinein. Hiernach würde, zumal dabei die Untauglichkeit des Objektes für unerheblich erachtet wird, in dem Zielen auf Harnisch, in dessen Tödtung, mindestens in dem Auflauern schon ein Versuch der Tödtung des Schliebe zu finden sein.

2) Die andere Meinung fordert aber einen Anfang der Ausführung, ein taugliches Mittel und ein taugliches Objekt. Hiernach liegt ein Versuch so wenig in dem Zielen auf Harnisch, als in der Tödtung des Harnisch, denn es war ein untaugliches Objekt vorhanden. Wohl aber liegt ein solcher Versuch ach der in foro communi recipirten Ansicht in dem Auflauern auf den Schliebe mit tödtlichen Waffen und in tödtlicher Absicht.

3) Die dritte Ansicht rechnet den Irrthum in der Tauglichkeit des Mittels und des Objekts dem Handelnden zu, indem nicht das, was seine Handlung wirklich, sondern was sie seiner Meinung nach war, in Betracht kommt. Für das Strafrecht habe aber nur dieVersuchshandlung Bedeutung, in welcher sich die verbrecherische Absicht zu verwirklichen anfange; sei schon die Absicht auf eine Handlung gegangen, die im regelrechten Verlaufe durchaus das Gewollte nicht zu bewirken vermöge, so liege kein Versuch vor.
Nach dieser Ansicht wollte Rose, als er den Harnisch kommen sah, durch dessen Tödtung den Schliebe umbringen; die Handlung gegen Harnisch konnte aber das Gewollte nicht vollbringen; weder das Zielen auf jenen, noch dessen Tödtung war eine Versuchshandlung in Bezug auf die Mordabsicht gegen Schliebe. Anders dagegen das Auflauern. Nach jener Ansicht bildet für den Anfang der Ausführung der Umstand allein die Norm, daß aus ihr selbst (d. h. ohne Hinzunahme von Geständniß u. s. w. über den Vorsatz) das volle Wesen der Absicht erkennbar sei. Hiernach aber war unbedenklich in der ganzen Thätigkeit des rose bis zum Auflauern kein Zweifel darüber, daß dieselbe der Tödtung des Schliebe galt, ohne daß es erst seines Geständnisses darüber bedarf.

Also nach der gemeinrechtlichen Ansicht lag in dem Auflauern des Rose ein Mordversuch gegen Schliebe. Dasselbe ist aber der Fall nach §. 31. des preußischen Strafgesetzbuchs, obwohl dessen Praxis bisher bestimmte Anhaltspunkte dafür nicht gewährt, nur daß sie sich wenigstens darüber ausgesprochen hat, der ”Anfang der Ausführung” sei derjenige des ”Verbrechens” und nicht der ”Absicht” allein.
Für die Bestrafung des Rose ist dieses Resultat nicht gleichgültig, weil sein Versuch mit dem vollendeten Morde an dem Harnisch real konkurrirt, denn es liegen zwei Entschlüsse, der Vorsatz der Tödtung des Schliebe zuvor, und nachher der Tödtung des herannahenden Individuums, und es liegen zwei Handlungen vor, das Auflauern auf Schliebe, welches in keinem inneren Kausalnexus mit der nachfolgenden Tödtung des Harnisch, welche als Verbrechen erst in dem Augenblicke sich zu entwickeln beginnt, als Harnisch kommt, in dem selben Moment also, in welchem der gegen Schliebe gerichtete Versuch durch eben diesen äußeren von dem Willen des Thäters unabhängigen Umstand abgebrochen ist.

[GA 7, 331]

III. Rosahl als intellektueller Urheber und als Gehülfe zu dem durch Rose begangenen Mord.
Der äußere Kausalnexus zwischen dem Auftrag, den Schliebe zu tödten, und dem Mord des Harnisch ist unbedenklich vorhanden. Aber so wenig dieser Nexus zwischen dem Mordvorsatz gegen Schliebe und dem Mord des Harnisch genügt, um dadurch allein die That des Rose zum vollendeten Mord zu machen (oben sub I.), so wenig kann er genügen, um die Thätigkeit des Rosahl als Anstiftung zum vollendeten Mord zu prädiciren. Rosahl ist Veranlasser, nicht aber Anstifter dieses Mordes des Harnisch. Zu diesem ist vielmehr auch hier der innere Nexus erforderlich.

Der Grundsatz des gemeinen Rechts ist:
Soweit ein Handeln des Beauftragten als ein Handeln des Auftragenden durch ein willenloses Werkzeug angesehen werden kann, soweit haftet der Auftraggeber für dieses Handeln. Alles aber, was bei der Thätigkeit des Beauftragten gegen den Willen des Auftraggebers lediglich aus dem Willen des Beauftragten hervorgeht, wird nur diesem letzteren angerechnet, ist also nicht angestiftet.
Dieser Grundsatz wird von verschiedenen Seiten, wenn auch auf verschiedenem Wege, durch die Wissenschaft begründet. Man ist darin einverstanden, daß der anstiftende intellektuelle und der angestiftete physische Urheber gleich strafbar, jener also so zu behandeln sei, als ob die Handlungen des freiwillig seinen Agenten machenden physischen Urhebers unmittelbar von ihm selbst ausgegangen wären. Anders aber stellt sich die Frage nach der Strafbarkeit bei der mißlungenen Anstiftung. Zu dieser wird von der einen Seite auch die relativ erfolglos gebliebene resp. überschrittene Anstiftung gerechnet, d. h. wenn der Thäter sich bestimmen ließ, sofort aber ein anderes Verbrechen oder neben dem angesonnenen noch ein weiteres beging, oder wenigstens in Bezug auf die Modalitäten des Auftrags dessen Grenzen überschritt. In diesen Fällen bestimmt sich die Schuld des Anstifters, soweit der Angestiftete mit ihm identisch erscheint. Was insbesondere den quantitativen Exceß (im Gegensatze des qualitativen) betrifft, so ist der Anstifter in allen Fäällen verantwortlich, und zwar in vollem Maaße ebensoweit, als die Ausführung dem Auftrage entspricht. Die Abweichung von seinem Ansinnen kann darin bestehen, daß der Angestiftete neben dem angesonnenen noch ein weiteres Verbrechen verübt; dann muß dieses als Folge des angesonnenen auch dem Anstifter zum dolus, zur luxuria oder zur culpa zugerechnet, resp. derselbe dafür verantwortlich gemacht werden, je nachdem er den Exceß voraussehen mußte, voraussah, voraussehen konnte oder nicht voraussehen konnte. Von der anderen Seite wird dagegen unter den Fällen der sogenannten relativ mißlungenen Anstiftung ein Theil als wirkliche Excesse von allen übrigen gewöhnlich als Excesse bezeichneten Fällen ausgeschieden. Jene wirklichen Excesse sind hiernach daran erkennbar, daß sie lediglich aus der eigenen Entschließung des Angestifteten hervorgehen. In diesen Fällen kann die Handlung des angestifteten physischen Urhebers dem intellektuellen auch nicht einmal als culpa zugerechnet werden. Im Gegensatze zu diesen wirklichen Excessen entspricht die Thätigkeit des Mandatars in den Fällen unechter Excesse der Absicht des Mandanten; es ergiebt sich aus ihr ein weiterer Erfolg, welcher dem Mandatar zur culpa zuzurechnen ist, und hier fällt die culpa des Mandatars auch dem Mandanten zur Last.

Nach dieser Unterscheidung zwischen bloßer Veranlassung und wirklicher Anstiftung ist Rosahl nicht Anstifter, sondern nur Veranlasser des an Schliebe verübten vollendeten Mordes. Bis dahin, daß Rose sich auf die Lauer gegen Schliebe legte, richtet sich der Vorsatz des Rose auf Harnisch, und aus diesem neuen Vorsatze entwickelt sich ein vollendeter Mord. Diese That entspricht weder der wirklichen,

[GA 7, 332]

noch auch nur der aus dem Auftrage des Rosahl erkennbaren Absicht desselben; sie findet vielmehr ihren Anstoß nur in dem höchstpersönlichen Entschlusse des Rose. So wenig man, wen Rose in dem kritischen Momente aus Feindschaft u. s. w. den Entschluß zur Tödtung des Harnisch gefaßt hätte, den Rosahl als Anstifter desselben betrachten könnte, ebenso wenig kann man dies, da nun bei sonst gleicher Sachlage nur das Motiv statt Feindschaft Irrthum ist. In Bezug auf den vollendeten Mord ist also Rosahl nicht Anstifter. Nicht anders ist dies nach jener oben zuerst vorgetragenen Ansicht über die sogenannte mißlungene Anstiftung. Denn daß der Irrthum des Rose außer aller Berechnung lag, von Rosahl nicht vorausgesehen werden konnte, ist außer Zweifel.

Das so gewonnene Resultat ist auch nach Preußischem Rechte, welches in dieser Beziehung lediglich auf die Jurisprudenz verweist, festzuhalten.
Was die Hülfsleistung des Rosahl durch Verschaffung von Waffen u. s. w. zur Tödtung des Schliebe betrifft, so würde sie ihm natürlich zuzurechnen sein, wenn eben Schliebe wirklich getödtet worden wäre. Zu dem Morde des Harnisch kann sie also ebenso wenig als eine Anstiftung zu demselben gefunden werden. Insbesondere fordert der §. 34. des Strafgesetzbuches ”Mittel, welche zu der That gedient haben, wissend, daß sie dazu dienen sollten.” Ist aber die That der Mord des Schliebe und nicht der Mord irgend eines anderen Menschen, welche letztere That gar nicht in der Absicht des Rosahl lag, so findet auch nach diesem Gesetze die Zurechnung gegen den Letzteren nicht statt; denn daß die Waffen zum Morde des Harnisch dienen würden, wußte er nicht.

IV. Rosahl als intellektueller Urheber und als Gehülfe zu dem gegen Schliebe verübten Mordversuch.
Liegt in dem Auflauern des Rose auf den Schliebe ein Mordversuch gegen den Letzteren, so ist Rosahl Anstifter und nicht angestifteter Gehülfe dazu. Die Voraussetzungen dazu sind vorhanden. Insbesondere liegt, was die Beihülfe betrifft, die Wissentlichkeit vor, daß die Waffen zum Morde des Schliebe dienen sollten, und sie haben dazu gedient.
So weit die Ausführung des Dr. Bölau über die rechtliche Seite des vorliegenden Rechtsfalles.
Das Ober-Tribunal hat auf die obigen Richtigkeits-Beschwerden der beiden Angeklagten am 5. Mai 1859 (Nr. 138. II.) erkannt, und zwar dahin, daß dieselben zurückzuweisen.

Nach kurzer Darlegung des Sachverhältnisses, der gegebenen Verdikte und des Inhalts der Richtigkeits-Beschwerden heißt es sodann in den Gründen:

Den Anführungen in den Beschwerdeschriften der beiden Angeklagten wird zugegeben werden können, daß die den geschworenen gestellten Fragen angemessener hätten gefasst werden können. In die erste Frage sind unnütze Spezialien aufgenommen. Soviel ersichtlich – motivirt ist nämlich im Sitzungsprotokolle der Beschluß, durch welchen die von dem Staatsanwalte beantragt gewesene anderweite Fassung der Fragen abgelehnt wurde, nicht – hat aber auch bei der Aufnahme dieser Spezialien den Gerichtshof die – an sich richtige – Ansicht geleitet, daß die Entscheidung der allerdings als Rechtsfrage sich darstellenden Frage, welchen Einfluß der nach der Anklage bei der Ausführung der That des Angeklagten Rose vorgefallene Irrthum in der Person des Getödteten auf die Zurechnung habe, ihm freibleiben müsse.

Die auf die That des Rose Bezug nehmende, doch auch dieselbe in ihren wesentlichen Merkmalen angebende zweite Frage hätte allerdings die Theilnahme durch Anstiftung und die Theilnahme durch Beihülfe mehr sondern und in Bezug auf die letztere die Wesentlichkeit derselben abgesondert und ihn anderer Fassung hervorheben können.

[GA 7, 333]

Allein auch so, wie die Fragen gestellt worden sind, haben sie dem Gerichtshofe die Entscheidung jener Rechtfrage freigelassen. Sie ist von dem Gerichtshofe nicht unrichtiger Weise entschieden, vielmehr sind die zur Anwendung gebrachten Gesetze auf den durch den Ausspruch der Geschworenen festgestellten Thatbestand richtig angewandt worden.
Die Anklage ging dahin, daß Rosahl (als Morddinger) den Rose (als Lohnmörder) zur Ermordung des Schliebe angestiftet, auch bei der Ausführung des aufgetragenen Mordes sich als Hülfsleistender betheiligt, Rose bei der Ausführung des übernommenen Auftrages aber sich aus Irrthum in der Person des Schlachtopfers vergriff, eine andere ihm bei seinem Auflauern entgegenkommende Person, welche er für den Schliebe hielt, in welcher er den Schliebe zu erkennen meinte, diesen tödten wollte und getödtet zu haben glaubte, nämlich den Harnisch, vorsätzlich und mit Ueberlegung getödtet habe.

Festgestellt ist durch das Verdikt der Geschworenen:

I. daß Rose nach vorgängiger, mit Rosahl über die Tödtung des Schliebe geschehener Verabredung und Ueberlegung, und nach vorgängigem, zur Ausführung dieser mit Rosahl verabredeten und überlegten Tödtung des Schliebe geschehenen bewaffneten Auflauern auf Schliebe, in der Person des Harnisch einen Menschen, den er für den Schliebe hielt, vorsätzlich und mit Ueberlegung getödtet habe;

II. daß Rosahl an dieser, durch Rose in der Person des von dem Rose für den Schliebe gehaltenen Harnisch vorsätzlich und mit Ueberlegung bewirkten Tödtung eines Menschen dadurch wesentlich Theil genommen und mitgewirkt habe, daß er zur Tödtung des Schliebe den Rose durch Versprechen einer Geldbelohnung angereizt und verleitet, auch demselben Anleitung gegeben und demselben Waffen und andere Mittel, welche zur Ausführung der That gedient haben, wissend, daß sie dazu dienen sollten, verschafft habe.
So sehr nun auch die neueren Rechtslehrer- von denen fast jeder bei seinen Ausführungen sich erst seine eigene Terminologie bildet – da von einander abweichen, wo es darauf ankommt, in strafrechtlicher Beziehung die Begriffe von ”Vorsatz”, ”Absicht”, ”Entschluß”, ”Handlung”, ”That”, ”Erfolg”, ”Motiv” und ”Zweck”, und ihr Verhältniß zu einander zu bestimmen, und so oft es selbst vorkommt, daß in einer und derselben Deduktion einer dieser Ausdrücke, oder auch der Ausdruck ”Versuch” bald mit dieser, bald mit jener Bedeutung gebraucht wird, so ist man doch im Wesentlichen darüber einig und es entspricht insbesondere auch der Bedeutung, welche nach dem Strafgesetzbuche – das allerdings sowohl des ”Vorsatzes zu tödten”, als der ”Absicht zu tödten” Erwähnung thut den Ausdrücken ”Vorsatz” und ”Absicht” beizulegen ist, daß, wenn bei doloser verbrecherischer Thätigkeit Seitens des Thäters ein Irrthum in dem Gegenstande, gegen welche seine Thätigkeit gerichtet war (error in corpore oder in persona), vorgefallen ist, und dieser Irrthum zur Folge hat, daß seine Thätigkeit einen andern Erfolg, als den beabsichtigten hatte, dieser Irrthum – also

[GA 7, 334]

der in dem Moment des Entschlusses zur Ausführung der beschlossenen That, bei der Ausführung der vorsätzlichen That eintretende, an sich das Bewußtsein selbst und mit diesem den Willen nicht aufhebende
von Savigny, System des Röm. Rechts III. S. 199, 388,
Zustand des Bewußtseins, in dem die wahre Vorstellung eines Gegenstandes von einer unwahren verdeckt und verdrängt wird,
von Savigny I e S. 111, 326a
zunächst nur dasjenige Moment der verbrecherischen Willensbestimmung berührt, welches der Denkthätigkeit, also, wenn man – was nicht durchgängig geschieht – überhaupt im dolus beide unterscheidet, der Absicht (der in einem solchen Falle der eintretende Erfolg nicht entspricht) nicht aber dem Vorsatze (dem Willen) angehört, daß durch einen solchen Irrthum, bei dem nicht ein der Wirklichkeit nicht entsprechender Kausalzusammenhang selbst zwischen der vorsätzlichen Thätigkeit und dem beabsichtigten Erfolge irrig vorausgesetzt, sondern nur ein äußerer, einen solchen Zusammenhang vermittelnder umstand als vorahnden irrthümlich angenommen wird, das Wesen der Handlung nicht aufgehoben wird, daß jene Folge, ungeachtet solchen Irrthums, eine zurechenbare bleibt, ein im ursächlichen Zusammenhange mit dem Vorsatz und mit der Handlung stehender Erfolg ist, daß daher ein solcher Irrthum ohne Einfluß auf die Zurechnung des Erfolges ist.

Wird nun aber durch einen solchen Irrthum des Thäters, in Folge dessen zwar die Person getroffen wird, gegen welche seine (äußere) Thätigkeit sich richtete, aber, weil sein Irrthum ihn dieselbe mit einer anderen Person verwechseln ließ, nicht der Erfolg, auf welchen es abgesehen war, eintritt, nicht der Vorsatz, mit welchem der Thäter handelte, beseitigt; so gilt dies, wo der Vorsatz ein überlegter war, auch von der Ueberlegung. Diese ist in dem zum Thatbestande des Mordes erforderlichen dolus (wie in dem Falle des §. 190. des Strafgesetzbuches) nur eine Qualifizirung des Vorsatzes, nicht ein hiervon getrennt erscheinender besonderer Bestandtheil.

Eine für Lohn übernommene und zur Erlangung dieses Mordlohns ausgeführte Tödtung namentlich ist, auch wenn bei der Ausführung in der Person dessen, auf den es abgesehen war, eine Verwechselung durch Irrthum vorfällt und demzufolge zwar ein anderer, als der beabsichtigte Erfolg thatsächlich eintritt, immer aber auch ein Mensch getödtet wird, mit überlegtem Vorsatze geschehen.

[GA 7, 335]

Der Thäter, welcher in solchem Falle den A tödtet, den er für den B hielt, und welchen Letzteren er tödten wollte, um den ihm hierfür zugesicherten Mordlohn zu erhalten, erreicht allerdings seinen Zweck nicht; aber dadurch hört seine That nicht auf, eine mit überlegtem Vorsatze verübte Tödtung zu sein.

Für den Thatbestand des Mordes ist die Nichterreichung dieses Zweckes – in Bezug auf welchen letzteren sich nur davon, daß es bei einem bloßen Versuche geblieben sei (in der allgemeinen, nicht juridischen Bedeutung dieses Wortes) sprechen ließe – von keiner Bedeutung.
Es ist zum Thatbestande des Mordes nicht erforderlich, daß die mit überlegtem Vorsatze beschlossene Tödtung eines Menschen, bei der jedoch dieser Vorsatz dergestalt fortdauernder Bestimmungsgrund war, daß die That, als damit im ursachlichen Zusammenhange stehend, also als Produkt desselben erscheint, auch mit Ueberlegung ausgeführt sei. Ein solcher Kausalzusammenhang wird dadurch nicht ausgeschlossen, daß in dem Momente, wo der Thäter sich zur Ausführung entschließt und er zu dieser schreitet, ihn sein Bewußtsein, verbrecherisch zu handeln, in Unruhe versetzt und dieser Unruhe ihn zu einem Irrthum im Gegenstande, zu einer Verwechselung der Person, gegen welche er handeln will, welche zu tödten er beschlossen hat, mit einer anderen veranlasst.
Hiernach hat in dem vorliegenden Falle die durch das Verdikt der Geschworenen bewirkte Feststellung vollständig den Thatbestand eines von dem Angeklagten Rose verübten Mordes hergestellt. Die Fragestellung war im Wesentlichen nicht unrichtig, vielmehr entsprach sie dem Art. 81. des Gesetzes vom 3. Mai 1852, in Verbindung mit §. 175. des Strafgesetzbuches. Sie hat das Moment eines bei der Ausführung der That in der Person des Getödteten vorgefallenen Irrthums mit aufgenommen, dem Gerichthofe die Beurtheilung des Einflusses dieses Irrthums nicht beschränkt, und der Gerichtshof hat bei dieser Beurtheilung, indem er auf den festgestellten Tahtbestand den §. 175. des Strafgesetzbuches anwandte, nicht gefehlt.

Es hat nach dieser Feststellung der Angeklagte Rose mit überlegtem Vorsatze einen Menschen getödtet, was nach §. 175. a. a. O. den Thatbestand des Mordes bildet. Allerdings war es dabei auf den Schliebe abgesehen und diese Absicht ist, wie der weitere Zweck, zu welchem Rose handelte, in Folge des, wie ebenfalls durch das Verdikt festgestellt worden, bei der Ausführung der That vorgefallenen Irrthums in der Person des Getödteten, nicht erreicht worden; aber dies ist, nach dem Obigen, von keinem rechtlichen Einflusse. Nach der thatsächlichen Feststellung sah Rose, als er dem Schliebe auflauerte, keinesweges den Harnisch, nämlich den von ihm als solchen erkannten Harnisch, sondern einen Menschen kommen, den er für den Schliebe hielt und den er in dieser Meinung mit Vorsatz und Ueberlegung, mit dem auch da noch vorhandenen, ihn zu seiner Thätigkeit bestimmenden, überlegten Vorsatze, den Schliebe zu tödten, welchen Letzteren er in der sich ihm nähernden Person vor sich zu haben glaubte und tödten wollte, tödtete, um dadurch sich den für die Tödtung des Schliebe ihm versprochenen Lohn zu verdienen.

Es liegt daher der Richtigkeits-Beschwerde des Rose und der des Rosahl, soweit diese auf die That des Rose Bezug hat, eine verkehrte Auffassung zum Grunde, wenn sie annehmen und davon ausgehen, daß in dem Momente, wo Rose sich zur Ausführung der mit überlegtem Vorsatze beschlossenen That bestimmte und zu dieser Ausführung schritt, also bei der Ausführung der That, der Angeklagte Rose einen anderen Vorsatz, als den vorher überlegten Vorsatz, den Schliebe zu tödten, gehabt habe, daß in Folge seines Irrthums an die Stelle dieses Vorsatzes ein neuer Vorsatz und Entschluß, die ihm entgegenkommende Person, nämlich den ihm entgegenkommenden Harnisch, oder überhaupt ein anderes Individuum zu tödten, getreten sei, oder daß gar Rose den Harnisch unvorsätzlich, nur fahrlässig, getödtet und nur außerdem den Schliebe zu tödten versucht habe. Rose

[GA 7, 336]

wollte, wie gesagt, auch bei Ausführung der That den Schliebe tödten; er meinte den Schliebe getödtet zu haben. Erst am andern Morgen erfuhren er und Rosahl, daß nicht Schliebe, sondern Harnisch getödtet sei. In Bezug auf einen bloßen Versuch, zu tödten, nämlich einen Versuch, den Schliebe zu tödten, würde die Person des Harnisch gewiß ein untaugliches Objekt gewesen sein; von einem nur festgestellten, gegen Schliebe gerichteten Tödtungsversuche kann daher nicht die Rede sein, abgesehen auch davon, daß die durch einen und denselben Vorsatz bestimmte verbrecherische Thätigkeit des Rose in ihrem ganzen Verlauf nur eine That ausmacht.

Ebensowenig sind – was die den Angeklagten Rosahl insbesondere betreffenden Angriffe seiner Richtigkeitsbeschwerde anlangt – auf den durch die Beantwortung der zweiten Frage festgestellten Thatbestand die §§. 175. 34. 35. des Strafgesetzbuchs unrichtig angewandt, und auch hier war die Fragestellung im Wesentlichen nicht unrichtig.
Wären die Geschworenen blos befragt worden, ob Rosahl an der That des Rose Theil genommen und mitgewirkt habe, so würde allerdings eine ungenügende Fragestellung stattgefunden haben. Auch würde, wenn von den Geschworenen die einzelnen Thätigkeiten, durch welche solche Theilnahme und Mitwirkung – welche Ausdrücke offenbar nur gebraucht wurden, um Anstiftung und Beihülfe zusammenzufassen – nach der gestellten Frage stattgefunden haben sollte, sämmtlich verneint wäre, die Feststellung eine nicht blos bedenkliche, sondern in Bezug auf Anstiftung (Präjudiz Nr. 30., Entscheidungen Bd. 25. S. 212a.) auch die Freisprechung erheischende geworden sein. Die Geschworenen haben aber die Frage 2 mit allen Umständen, also auch hinsichts dieser einzelnen Thätigkeiten, bejaht. Es sind dadurch in Bezug auf Anstiftung auch die Mittel derselben festgestellt. Es kommt deshalb nicht einmal weiter auf die Theilnahme durch Hülfsleistung (§. 34. Nr. 2) wesentlich an; auch von der letztern würde aber, wenn sie überhaupt neben der Anstiftung noch als besondere verbrecherische Thätigkeit, als davon verschiedene selbständige Handlung in Betracht kommen müsste, dasselbe gelten, was von der Anstiftung gilt, da hinsichts ihrer festgestellt ist, daß sie wesentliche Theilnahme war.

Die Entscheidung der Rechtsfrage über den Einfluß des bei der Ausführung der That vorgefallenen Irrthums des Thäters auf die Zurechenbarkeit des thatsächlich eingetretenen Erfolges in Bezug auf den Anstifter resp. Gehülfen war auch hier dem Gerichtshofe durch die Fragestellung gewahrt und er hat diese Entscheidung nicht unrichtig getroffen.

Nach §. 35. des Strafgesetzbuchs ist auf den Theilnehmer an einem Verbrechen dasselbe Strafgesetz anzuwenden, welches auf den Thäter Anwendung findet. Der Anstifter soll also dem Strafgesetz verfallen, welches die auszuführende That bedroht; er soll als Thäter (als Miturheber) des Verbrechens, welches er wirklich angestiftet hat, bestraft werden; es ist auf ihn das Strafgesetz anzuwenden, welches auf ihn anzuwenden wäre, wenn er die That, wie sie auf seine Anstiftung – also nicht etwa auf eigene selbständige Entschließung des Thäters über solche Anstiftung hinaus und nicht etwa unter persönlichen Verhältnissen des Thäters zu der Person des Verletzten, um derentwillen vielleicht der Thäter für seine Person mit Strafe verschont bleibt. Wirklich verübt ist, selbst als Thäter (als physischer Urheber) begangen hätte.

[GA 7, 337]

Seine Strafbarkeit ist von der Thätigkeit des Angestifteten, in dessen Hand er die Ausführung gelegt und dessen Geschicktheit oder Ungeschicktheit er diese anvertraut hat, dergestalt abgängig, daß nur ein wirklicher Exceß – wo ein Mehreres oder Anderes gethan ist – ihm nicht zuzurechnen ist. Ein solcher wirklicher Exceß liegt aber da nicht vor, wo, wie hier, der gedungene Angestiftete, der Lohnmörder, nur durch Irrthum in der Person desjenigen, gegen welchen er, um dem Auftrage des Anstifters zu genügen, seine Thätigkeit richtet, sich in dem Schlachtopfer vergreift. Dieser handelt aber dann nicht etwa blos auf Veranlassung des Anstifters oder bei Gelegenheit der Ausführung des Auftrages – so daß dem Thäter die Einwirkung des Anstifters auf ihn nur das Motiv zu einem eigenen selbständigen Entschlusse geworden wäre – sondern die Anstiftung ist für ihn dergestalt fortdauernd bestimmend gewesen, daß seine That als Produkt der Anstiftung erscheint. Es hat Kausalnexus zwischen der Anstiftung zu einem Morde, und der, eine qualitativ gleiche Handlung ausmachenden That stattgefunden und nur hat der Anstifter, in Folge des bei der Ausführung eingetretenen Irrthums des Thäters seinen Zweck nicht erreicht, was für den Thatbestand des angestifteten Verbrechens und für die Strafbarkeit des Anstifters ebenso wenig, als für die des angestifteten Thäters von rechtlicher Bedeutung ist.

Hälschner, auf den die Beschwerdeschrift des Angeklagten Rosahl sich beruft, sagt (Preuß. Strafrecht Th. II. S. 355):

”Rücksichtlich eines solchen Excesses (nämlich eines wirklichen, wo der Angestiftete aus eigener Entschließung ein Mehreres thut, als der Anstifter beabsichtigte oder qualitativ ein anderes Verbrechen begeht) liegt es in dem Wesen der Anstiftung, daß dem intellektuellen Urheber das nicht zugerechnet werden kann, was er eben nicht angestiftet hat, sondern aus der eigenen Entschließung des physischen Urhebers hervorging.”

Und (Seite 356):

”Der Anstifter kann aber außer für seinen dolus für seine culpa nur in sofern haften, als die vorsätzliche Thätigkeit des physischen Urhebers seiner Absicht entspricht, d. h. in sofern der über seine Absicht hinausgehende Erfolg seinen Grund nicht in dem freien Entschlusse des Thäters hat, sondern eine vorauszusehende nothwendige Folge der von dem Angestifteten gleichmäßig beabsichtigten That ist.”

Hier im vorliegenden Falle hatte nun aber, nach der Feststellung, Rosahl den Rose angestiftet, den Schliebe, also denjenigen, den er als den Schliebe erkennen würde, zu tödten, und dies hat Rose gethan. Er hat den Schliebe, dem er auflauerte, in der ihm entgegenkommenden Person erkannt und diese Person getödtet. Wenn ihm Mangel an richtiger Einsicht- Irrthum – in dieser ihm entgegenkommenden Person nicht den Harnisch, sondern den erwarteten Schliebe erkennen ließ, so war dies Ungeschicktheit des Angestifteten in der Ausführung, welche den Anstifter von der vollen Verantwortlichkeit für den eingetretenen Erfolg nicht befreit, weil darin seine eigene Entschließung des Thäters liegt, also ein wahrer Exceß nicht vorhanden ist, vielmehr eine mit der aufgetragenen Handlung – einem Morde – qualitativ gleiche Handlung – ein Mord, dessen Thatbestand vorhanden ist, wenn Jemand mit überlegtem Vorsatze einen Menschen tödten wollte und in seiner durch solchen Vorsatz bestimmten Thätigkeit einen Menschen, gegen den diese Thätigkeit gerichtet ist, wirklich tödtet – ausgeführt ist.

Da hiernach weder die in den Richtigkeitsbeschwerden behauptete Verletzung wesentlicher Vorschriften des Verfahrens, noch die behauptete Verletzung der in dem angefochtenen Erkenntnisse zur Anwendung gekommenen Gesetze oder von Rechtsgrundsätzen vorliegt, so waren die Richtigkeitsbeschwerden der beiden Angeklagten zurückzuweisen und diesen, nach §. 179. der Verordnung vom 3. Januar 1849, auch die Kosten des eingewandten Rechtsmittels zur Last zu legen.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

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