Gesetz zur Stärkung des Schutzes von Vollstreckungsbeamten und Rettungskräften

Die Bundesregierung möchte eine „Stärkung des Schutzes von Vollstreckungsbeamten und Rettungskräften“ erreichen, indem mit einem Gesetz der §113 StGB erweitert und um zwei neue Paragraphen ergänzt wird. Ich sehe das durchaus kritisch. Hierzu führt die Mitteilung des BMJV inhaltlich aus:

Kommt es bei der Ausübung des Dienstes zu einem Angriff auf Vollstreckungsbeamte, werden diese nicht als Individualpersonen angegriffen, sondern als Repräsentanten der staatlichen Gewalt. Daher zielt dieser Gesetzentwurf auf eine Stärkung des Schutzes dieser Personengruppe. Die Tatbegehungsform des tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte wird aus § 113 StGB herausgelöst und in § 114 StGB-E als selbständiger Straftatbestand mit verschärftem Strafrahmen ( von drei Monaten bis zu fünf Jahren) ausgestaltet. Der neue Straftatbestand verzichtet für tätliche Angriffe gegen Vollstreckungsbeamte auf den Bezug zur Vollstreckungshandlung. Damit werden künftig tätliche Angriffe gegen Vollstreckungsbeamte auch schon bei der Vornahme allgemeiner Diensthandlungen gesondert unter Strafe gestellt.

Das bringt es bezüglich der Änderungen erst einmal ganz gut auf den Punkt: Der §113 StGB wird auf den reinen Widerstand reduziert, die gemeinschaftliche Begehung dabei als besonders schwerer Fall erfasst.

Im neuen §114 StGB wird dann der tätliche Angriff geregelt:

Wer einen Amtsträger oder Soldaten der Bundeswehr, der zur Vollstreckung von Gesetzen, Rechtsverordnungen, Urteilen, Gerichtsbeschlüssen oder Verfügungen berufen ist, bei einer Diensthandlung tätlich angreift, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

Es ist klar, was gemeint ist, die schlechte sprachliche Fassung entspricht der seitens des modernen Gesetzgebers gewohnten „Qualität“. So drängt sich durchaus die Frage auf, ob die Tätlichkeit während oder nur gelegentlich einer Diensthandlung auftreten muss – oder ob es auf die Vornahme einer Diensthandlung oder nur das dienstliche Handeln im Allgemeinen ankommt. Da insoweit der §113 StGB sprachlich erheblich besser gefasst ist, ist es doch überraschend, dass der Gesetzgeber an dieser Stelle „schludert“ (sicherlich von dem Wunsch getragen, den Tatbestand möglichst weitreichend formuliert zu haben, wodurch er letztlich aber sehr unbestimmt wirkt).

Wirklich schwierig wird es aber beim gewünschten §115 StGB, der wie folgt lauten soll:

§ 115 Widerstand gegen oder tätlicher Angriff auf Personen, die Vollstreckungsbeamten gleichstehen

(1) Zum Schutz von Personen, die die Rechte und Pflichten eines Polizeibeamten haben oder Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft sind, ohne Amtsträger zu sein, gelten die §§ 113 und 114 entsprechend.
(2) Zum Schutz von Personen, die zur Unterstützung bei der Diensthandlung hinzugezogen sind, gelten die §§ 113 und 114 entsprechend.
(3) Nach § 113 wird auch bestraft, wer bei Unglücksfällen, gemeiner Gefahr oder Not Hilfeleistende der Feuerwehr, des Katastrophenschutzes oder eines Rettungsdienstes durch Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt behindert. Nach § 114 wird bestraft, wer die Hilfeleistenden in diesen Situationen tätlich angreift.

Hier wird also nun eine gesetzliche Analogie formuliert, was zu dem Ergebnis führt, dass das Analogieverbot im Strafrecht dadurch umgangen wird, dass man die Analogie ins Gesetz schreibt. Dies ist wichtig, wenn man sich einen der Gründe für das Analogieverbot vor Augen hält: Es geht mit auch darum, zu verhindern, dass Gesetze ins Konturlose unvorhersehbar ausgedehnt werden. §115 Abs.2 StGB macht deutlich, wohin das führen kann, wenn nämlich entsprechend Personen geschützt sind „die zur Unterstützung bei der Diensthandlung hinzugezogen sind“.
Woran man diese Personen erkennt, von wem die Hinzugezogen werden können, ob die eine Diensthandlung aktiv unterstützen müssen oder nur passiv zugezogen werden müssen – all dies kümmert hier nicht mehr, die Analogie schlägt voll durch und bedeutet das Risiko, dass jegliche zum Strafrahmen des §114 Abs.2 StGB führen kann. Denn vom kurzfristig zur Sicherung der Unfallstelle hinzugezogenen Passanten bis zum hinzugerufenen Abschleppunternehmer kann jeder durch Absatz 2 betroffen sein.

Fazit

Alles in allem: Eine m.E. durchaus sinnvolle Intention des Gesetzgebers, jedenfalls was den erweiterten Schutz für Rettungskräfte im neuen §115 Abs.3 angeht – der aber aus meiner Sicht leider in seiner Fähigkeit sprachlicher Formulierung einen neuen Tiefpunkt erreicht hat.

Das Gesetz ist schlecht geschrieben und lädt zu dogmatischen Streitpunkten ein, die auch vor dem Hintergrund der durchaus zu begrüssenden Initiative dringend zu führen sind. Ebenso dringend sollte man aber auch thematisieren, wann der Gesetzgeber der Neuzeit endlich wieder lernt, sauber formulierte Gesetze hervor zu bringen. Freilich muss man sich hierfür aber sicherlich von der Prämisse lösen, auf jede aktuelle Entwicklung mit einem Aktionismus-Gesetzentwurf „schnell“ reagieren zu wollen.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
Benutzerbild von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

Unsere Kanzlei ist spezialisiert auf Starke Strafverteidigung, seriöses Wirtschaftsstrafrecht, Arbeitsrecht und IT-Recht / Technologierecht. Beachten Sie unsere Tätigkeit im Steuerstrafrecht, digitaler gewerblicher Rechtsschutz, IT-Sicherheitsrecht sowie Softwarerecht.