Voraussetzung der Unterbringung nach §63 StGB

nach §63 StGB: Eine Unterbringung nach § 63 StGB kommt nur in Betracht, wenn eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades dafür besteht, dass der Täter infolge seines Zustandes in Zukunft Straftaten von erheblicher Bedeutung begehen wird, also solche, die eine schwere Störung des Rechtsfriedens zur Folge haben. Immer wieder muss sich der BGH zu den Voraussetzungen des §63 StGB äußern.

Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB beschäftigt dabei auch regelmässig das , das klarstellen erinnern muss, dass die Fachgerichte es sich auch und insbesondere bei der Feststellung der Gefährlichkeit hinsichtlich zukünftiger Taten nicht zu einfach machen dürfen. Im Sexualstrafrecht etwa muss ausdrücklich festgehalten werden, welche Taten hier konkret zu befürchten sind, die schlichte Feststellung es würden weitere Sexualtaten zu erwarten sein ist nicht ausreichend. Eben dies ist aber durchaus verbreitete Praxis.

Grundsätzliche Voraussetzungen einer Unterbringung nach §63 StGB

Bei der grundsätzlich unbefristeten Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB handelt es sich um eine außerordentlich belastende Maßnahme, die besonders gravierend in die Rechte des Betroffenen eingreift. Sie darf daher nur dann angeordnet werden, wenn

  • wenn zweifelsfrei feststeht, dass der Unterzubringende bei Begehung der Anlasstat aufgrund eines psychischen Defekts schuldunfähig oder vermindert schuldfähig war und die Tatbegehung auf diesem Zustand beruht sowie
  • eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades dafür besteht, dass vom Täter infolge seines fortdauernden Zustands erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist.

Der Defektzustand muss dabei, um eine Gefährlichkeitsprognose tragen zu können, von längerer Dauer sein (BGH, 6 StR 106/20, 2 StR 358/14, 4 StR 210/16, 4 StR 520/12). Die notwendige Prognose ist auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit des Täters, seines Vorlebens und der von ihm begangenen Anlasstaten zu stellen und hat sich darauf zu erstrecken, ob und welche rechtswidrigen Taten vom Täter infolge seines Zustands drohen, wie ausgeprägt das Maß der Gefährdung ist (Häufigkeit, Rückfallfrequenz) und welches Gewicht den bedrohten Rechtsgütern zukommt. So hat der (1 StR 142/15) die prognostischen Voraussetzungen einer Unterbringung nach §63 StGB etwa wie folgt zusammengefasst:

Eine Unterbringung nach § 63 StGB kommt nur in Betracht, wenn eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades dafür besteht, dass der Täter infolge seines Zustands in Zukunft Straftaten von erheblicher Bedeutung begehen wird, also solche, die eine schwere Störung des Rechtsfriedens zur Folge haben.

Die Annahme einer gravierenden Störung des Rechtsfriedens setzt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs voraus, dass die zu erwartenden Delikte wenigstens in den Bereich der mittleren Kriminalität hineinreichen, den Rechtsfrieden empfindlich stören und geeignet sind, das Gefühl der Rechtssicherheit der Bevölkerung erheblich zu beeinträchtigen (vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 16. Juni 2014 – 4 StR 111/14, NStZ 2014, 571; vom 3. September 2015 – 1 StR 255/15). Ergibt sich die Erheblichkeit drohender Taten nicht aus dem Delikt selbst, wie etwa bei Verbrechen, kommt der zu befürchtenden konkreten Ausgestaltung der Taten maßgebliche Bedeutung zu (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Juni 2014 – 4 StR 111/14, NStZ 2014, 571 mwN; Urteil vom 29. September 2015 – 1 StR 287/15).

Umfassende Würdigung bei Unterbringung nach §63 StGB ist notwendig

Insbesondere ist eine umfassende Würdigung notwendig, Formelhafte Wendungen mag der BGH gar nicht erst lesen: Neben der sorgfältigen Prüfung dieser Anordnungsvoraussetzungen ist das Tatgericht dabei auch verpflichtet, die wesentlichen Gesichtspunkte in den Urteilsgründen so umfassend darzustellen, dass das Revisionsgericht in die Lage versetzt wird, die Entscheidung nachzuvollziehen (BGH, 6 StR 247/20).

Auch darf man weder schlicht auf die Zustimmung noch auf die Ablehnung einer Unterbringung durch den Beschuldigten setzen.

Die erforderliche Prognose ist auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit des Täters, seines Vorlebens und der von ihm begangenen Anlasstat(en) zu entwickeln und hat sich darauf zu erstrecken, ob und welche Taten von dem Beschuldigten infolge seines Zustandes drohen, wie ausgeprägt das Maß der Gefährdung ist und welches Gewicht den bedrohten Rechtsgütern zukommt (vgl. Senat a.a.O. Rdnr. 15).

BGH, 1 StR 308/18

Teil der Prognose muss insbesondere sein, ob und welche Taten von dem Beschuldigten infolge seines Zustands drohen, wie ausgeprägt das Maß der Gefährdung ist und welches Gewicht den bedrohten Rechtsgütern zukommt (BGH, 1 StR 287/18). Hierbei muss auch der Zeitraum gut gewählt sein, der BGH etwa störte sich bereits daran, wenn zwei Taten an zwei aufeinander folgenden Tagen begangen wurden und somit aus Sicht des BGH nicht von einem relevanten Verlaufszeitraum gesprochen werden kann (BGH, 1 StR 287/18).

Unterbringung nach §63 StGB: Rechtsanwalt und Strafverteidiger Ferner zur Unterbringung nach §63 StGB

Die Unterbringung nach §63 StGB ist eine einschneidende und gefährliche Sanktion, die sich faktisch lebenslänglich auswirken kann.

Zu erwartende Straftaten bei Unterbringung nach §63 StGB

Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung stellt somit die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus entsprechend §63 StGB eine außerordentlich beschwerende Maßnahme dar.

Deshalb darf sie nur angeordnet werden, wenn die Wahrscheinlichkeit höheren Grades besteht, der Täter werde infolge seines fortdauernden Zustandes in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten begehen. Dies erfordert zwar nicht, dass die Anlasstaten selbst erheblich sind, die zu erwartenden Taten müssen aber schwere Störungen des Rechtsfriedens besorgen lassen und daher zumindest dem Bereich der mittleren Kriminalität zuzuordnen sein.

Bei den zu erwartenden Taten muss es sich also um solche handeln, die geeignet erscheinen, den Rechtsfrieden schwer zu stören sowie das Gefühl der Rechtssicherheit erheblich zu beeinträchtigen, und die damit zumindest der mittleren Kriminalität zuzuordnen sind (BGH, 5 StR 683/18, 4 StR 195/18, 3 StR 174/18 und 1 StR 128/20). Straftaten, die im Höchstmaß mit mindestens fünf Jahren bedroht sind, können dem Bereich der mittleren Kriminalität zugerechnet werden (siehe BGH, 5 StR 211/21), wobei insbesondere Gewalt- und Aggressionsdelikte, soweit es sich nicht um bloße Bagatellen handelt, in der aktuellen Fassung des § 63 StGB regelmäßig zu den erheblichen Straftaten im Sinne des § 63 Satz 1 StGB gehören.

Erheblich können insbesondere Taten sein, die Zufallsopfer im öffentlichen Raum treffen und zu erheblichen Einschränkungen in der Lebensführung des Opfers oder sonst schwerwiegenden Folgen führen; denn derartige Taten sind in hohem Maße geeignet, den Rechtsfrieden empfindlich zu stören und das Gefühl der Rechtssicherheit der Bevölkerung erheblich zu beeinträchtigen.

Insoweit gilt zur Orientierung:

  • Einfache Körperverletzungen im Sinne von § 223 Abs. 1 StGB, die nur mit geringer Gewaltanwendung verbunden sind und die Erheblichkeitsschwelle der tatbestandlich vorausgesetzten Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit lediglich unwesentlich überschreiten, reichen grundsätzlich nicht aus (BGH, 3 StR 174/18). Faustschläge ins Gesicht sind aber in der Regel bereits der mittleren Kriminalität zuzurechnen, insbesondere dann, wenn sie Verletzungen zur Folge haben, die ärztlich versorgt werden müssen; bei der Prüfung der Erheblichkeit ist auch zu bedenken, dass ein Beschuldigter, der in wahnhafter Verkennung der Realität oder krankheitsbedingter Einschränkung oder Aufhebung der Steuerungsfähigkeit handelt, es insbesondere bei Schlägen gegen bzw. in Richtung des Kopfes häufig nicht in der Hand hat, die Folgen seines aggressiven Vorgehens zu steuern, und der Umfang der Verletzungen deshalb häufig vom Zufall abhängt (BGH, 4 StR 380/21).
  • Ebenfalls ist das Delikt des Hausfriedensbruchs (§ 123 Abs. 1 StGB) grundsätzlich der niedrigschwelligen Kriminalität zuzuordnen (BGH, 4 StR 614/08 und 4 StR 6/08).
  • Gleiches gilt für eine (§ 241 Abs. 1 StGB), wenn sie in ihrer konkreten Ausgestaltung aus der Sicht des Betroffenen nicht die naheliegende Gefahr ihrer Verwirklichung in sich trägt (BGH, 4 StR 359/16).
  • Abschliessend auch im Fall des Stalkings.
  • Die Erheblichkeit ist neben diesen allgemeinen Erwägungen aber immer anhand der Umstände des konkreten Einzelfalls zu würdigen (BGH, 4 StR 359/16, 4 StR 635/10, 2 BvR 64/14, 4 StR 256/20).

Zu beachten ist dabei, ob der Betroffene trotz einer psychischen Erkrankungüber einen nennenswerten Zeitraum keine Straftat beging. Dies ist regelmäßig ein gewichtiges Indiz gegen die Wahrscheinlichkeit künftiger gefährlicher Straftaten und vom Gericht zu erörtern (BGH, 2 StR 436/19, 1 StR 253/19, 4 StR 135/19, 2 StR 278/17 und 1 StR 128/20).

Die Unterbringung nach §63 StGB ist eine schwerwiegende Rechtsfolge, die statistisch betrachtet vor dem Ablauf von 8 Jahren im Durchschnitt keine ernsthafte Aussicht auf Entlassung bietet. Umso überraschender ist bei dieser massiven Entscheidung, wie oft der Bundesgerichtshof hier regulierend eingreifen muss.

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Jens Ferner

Strafverteidiger

Allgemeine Abwägungskriterien bei der Unterbringung entsprechend §63 StGB

Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beherrscht Anordnung und Fortdauer der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus. Das hier bestehende Spannungsverhältnis zwischen dem Freiheitsanspruch des betroffenen Einzelnen und dem Sicherungsbedürfnis der Allgemeinheit vor zu erwartenden erheblichen Rechtsgutverletzungen verlangt nach gerechtem und vertretbarem Ausgleich:

Dieser lässt sich für die Entscheidung über die der Maßregelvollstreckung nur dadurch bewirken, dass die Sicherungsbelange und der Freiheitsanspruch des Untergebrachten als wechselseitiges Korrektiv gesehen und im Einzelfall gegeneinander abgewogen werden (BVerfGE 70, 297BVerfGE 70, 297

Je länger die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB andauert, umso strenger sind die Voraussetzungen für die Verhältnismäßigkeit des Freiheitsentzugs. Bei langdauernden Unterbringungen in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) wirkt sich das zunehmende Gewicht des Freiheitsanspruchs bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung auch auf die an die Begründung einer Entscheidung zu stellenden Anforderungen aus. In diesen Fällen engt sich der Bewertungsrahmen des Strafvollstreckungsrichters ein; mit wachsender Intensität des Freiheitseingriffs wächst auch die verfassungsgerichtliche Kontrolldichte. Dem lässt sich dadurch Rechnung tragen, dass der Richter seine Würdigung eingehender abfasst, sich also nicht etwa mit knappen, allgemeinen Wendungen begnügt, sondern seine Bewertung anhand der dargestellten einfachrechtlichen Kriterien substantiiert offenlegt. Erst dadurch wird es möglich, im Rahmen verfassungsgerichtlicher Kontrolle nachzuvollziehen, ob die von dem Täter ausgehende Gefahr seinen Freiheitsanspruch gleichsam aufzuwiegen vermag (vgl. BVerfGE 70, 2972 BvR 2462/13 -, juris, Rn. 37; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 4. Oktober 2012 – 2 BvR 442/12 -, juris, Rn. 17).

BVerfG, 2 BvR 517/16

Konkrete Vorgaben für die Fachgerichte bei einer Unterbringung

Zu verlangen ist die Konkretisierung der Art und des Grades der Wahrscheinlichkeit zukünftiger rechtswidriger Taten, die von dem Untergebrachten drohen. Dabei ist auf die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles einzugehen:

Zu erwägen sind das frühere Verhalten des Untergebrachten und von ihm bislang begangene Taten. Abzuheben ist aber auch auf die seit Anordnung der Maßregel eingetretenen Umstände, die für die künftige Entwicklung bestimmend sind. Dazu gehören der Zustand des Untergebrachten und die künftig zu erwartenden Lebensumstände (vgl. BVerfGE 70, 297BVerfGK 16, 5012 BvR 2462/13 -, juris, Rn. 38; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 17. Februar 2014 – 2 BvR 1795/12, 2 BvR 1852/13 -, juris, Rn. 40; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 4. Oktober 2012 – 2 BvR 442/12 -, juris, Rn. 15).

Genügen die Gründe einer Entscheidung über die Fortdauer einer bereits außergewöhnlich lange währenden Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus diesen Maßstäben nicht, so führt dies dazu, dass die Freiheit der Person des Untergebrachten nicht rechtmäßig eingeschränkt werden kann; sein Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG ist verletzt, weil es an einer verfassungsrechtlich tragfähigen Grundlage für die Unterbringung fehlt (vgl. BVerfGE 70, 297

BVerfG, 2 BvR 517/16
Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

Unsere Kanzlei ist spezialisiert auf Starke Strafverteidigung, seriöses Wirtschaftsstrafrecht, Arbeitsrecht und IT-Recht / Technologierecht. Beachten Sie unsere Tätigkeit im Steuerstrafrecht, digitaler gewerblicher Rechtsschutz, IT-Sicherheitsrecht sowie Softwarerecht.