Beleidigung: „Du kannst mich mal“ ist keine zwingende Beleidigung

Das Amtsgericht Plettenberg (9 Cs – 262 Js 1764/16 – 4/17) hat – richtiger Weise – klargestellt, dass alleine wegen der Äußerung gegenüber von zwei Polizeibeamten „Ihr könnt mich mal!“ nicht zwingend eine ehrabschneidende Bedeutung zukommt. Dabei führt das Gericht zutreffend und nachvollziehbar aus, dass für die Interpretation einer Äußerung als herabsetzendes Werturteil, nicht alleine am Wortlaut haften geblieben werden kann, sondern es vielmehr auf den objektiven Sinn der Äußerungen ankommt, der aus der Sicht eines unbefangenen Erklärungsempfängers zu erforschen ist – dies ohne, dass es auf die Intention des Täters oder das subjektive Empfinden des Adressaten ankommt.

Eine nach § 185 StGB strafbare liegt dann vor, wenn eine Äußerung eine Kundgabe der Missachtung oder Nichtachtung enthält. Dies ist der Fall, wenn dem Betroffenen der ethische oder soziale Wert ganz oder teilweise abgesprochen und dadurch der grundsätzlich uneingeschränkte Achtungsanspruch verletzt oder gefährdet wird. Bei der Auslegung müssen im Gesamtbild der sprachliche Zusammenhang und die außertextlichen Begleitumstände des konkreten Einzelfalls, soweit diese für die Adressaten der Äußerung wahrnehmbar waren, berücksichtigt werden.

Das Gericht setzt sich sehr zielgerichtet mit der Äusserung auseinander. Dabei macht es deutlich, dass schon zu fragen ist, ob man einfach „du kannst mich mal“ oder vollständig „…am arsch lecken“ äussert. Wobei letzteres durchaus grundsätzlich als Beleidigung anzunehmen sein dürfte:

Dabei ist zunächst zu berücksichtigen – und insoweit schließt sich das Gericht ausdrücklich den Ausführungen des OLG Karlsruhe in NStZ 2005, 158 an – , dass bei Vervollständigung der Aussage mit dem sog. Goetz-Zitat („am Arsch lecken“) einiges dafür spricht, bei einer solchen Äußerung eine Herabwürdigung des Geltungsgehaltes des Adressaten anzunehmen ist (…) Zu Recht weist das OLG Karlsruhe darauf hin, dass dem Ausdruck auch nach heutigem Verständnis „Lass mich zufrieden, lass mich in Ruhe, die Sache ist auch für mich erledigt” beikommt. Dies wird im Übrigen auch von kritischen Stimmen in der Literatur für das vollständige Zitat eingeräumt (vgl. Jerouschek NStZ 2006, 345, beck-online).

Dies ist ein wichtiger Aspekt, der aber durchaus auch regional von Bedeutung sein dürfte, so ist es in der heimischen Region mitunter verbreiteter etwas offener seinem gegenüber eine kritische zu äussern als vielleicht in anderen Regionen. Was mir an der Entscheidung des Gerichts besonders gefiel war dabei eine klare Absage an akademische Überlegungen zu der Äußerung die auf einem teilweise gekünstelten dogmatischen Niveau angestellt werden – da sagt das Gericht (wenn auch stilvoll) kurzerhand „ihr könnt mich mal zu“:

Soweit dieser Ansatz in der Literatur (Jerouschek a.a.O) Kritik erfahren hat mit der Begründung, dass es sich bei der Aussage für sich stehend oder mit anderen möglichen Endungen „…mal gern haben“ „…kreuzweise“ „…den Buckel runterrutschen“ bloß um Euphemismen, Abkürzungen und Chiffrierungen des Götzzitates handele, vermag dem das Gericht nicht zu folgen. Die hierzu weitergehend angebrachten Exkurse zu Abbreviaturen bei blasphemischen Äußerungen oder zur historischen Entwicklung des Goetzzitates, dem sich im Übrigen auch König Friedrich Wilhelm I. sogar in seinen Kabinettsordnern oder gegenüber seinen Ministern wiederholt bediente, mögen sich womöglich dem höheren Bildungsbürgertum oder mehrfach promovierten und habilitierten Gelehrten an der Universität erschließen. Für die Auslegung nach dem Empfängerhorizont eines (bloß) verständigen Dritten fehlt es derlei Anknüpfungspunkten an einem brauchbaren Maß von Wirklichkeitsbezug, denn solche Erwägungen wird ein verständiger Dritter nicht anstellen.

Als letztes dann kommt ein wichtiger Gedanke: Wenn jemand zudem das „am arsch lecken“ weg lässt, darf das nicht einfach unter den Tisch fallen. Denn die Gesamtäußerung ist faktisch jedem bekannt, wenn man letzteres Weg lässt handelt es sich regelmäßig um eine bewusste Entscheidung – und auch das ist eben dann in die Wertung mit einzubeziehen:

Als brauchbarer Ausgangspunkt für den Horizont des verständigen Dritten ist vorrangig in den Blick zu nehmen, dass die Wendung „Du kannst mich mal…am Arschlecken“ durchweg und in allen Gesellschaftskreisen an sich bekannt ist. Ferner, dass der Äußerung in jeder Form – wie schon ausgeführt – die Bedeutung zukommt, dass man in Ruhe gelassen werden will. Seine besondere Form der Herabwürdigung mit „anale[r] Kontur und Dominanz“ (Jerouschek, a.a.O) erlangt die Äußerung „Du kannst mich mal“ folglich erst durch die Ergänzung mit („am Arsch lecken“).

Entscheidet sich vor diesem Hintergrund der Äußernde, es bei einem „Du kannst mich mal“, evtl. in Verbindung mit einer der oben genannten unverfänglicheren Vervollständigungen, zu belassen, kann diese bewusste Entscheidung nicht einfach ausgeblendet und unterstellt werden, es sei ohnehin in jeder Ausdrucksform „am Arsch lecken“ gemeint.

Die Entscheidung ist richtig und betrifft eine Gratwanderung, die ich seit langem beobachte: Während die Gesellschaft zunehmend unangemessen verbal rauer und aggressiver wird, scheinen unsere Polizeibeamten immer häufiger umso empfindlicher zu werden. Man mag sich nicht alles anhören wollen, gleichwohl gehört es zu einer Gesellschaft, dass man – auch seiner Polizei gegenüber – Kritik und missfallen äussern darf. Das bedeutet noch lange nicht, dass man sich jede Frechheit und Unverschämtheit bieten lassen muss, insbesondere keine Beleidigungen – ein Respektvoller Umgang auch in der Kritik sollte das Ziel am Ende sein. Dabei muss man auch einfach mal Stärke zeigen können, in dem man sich nicht immer bei jedem Unsinn gleich Beleidigt fühlt sondern Dinge an sich abprallen lässt.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

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