Zeugenbeistand: BVerfG stärkt Zeugenrecht auf Rechtsanwalt

Zeugen haben in Deutschland das Recht auf einen „Zeugenbeistand“, das ist ein vom Zeugen hinzugezogener Rechtsanwalt, der den Zeugen begleitet und juristisch Betreut. Kürzlich stellte das BVerfG (2 BvR 941/09) dazu fest:

Das Recht auf ein faires Verfahren gewährleistet dem Zeugen […] nicht schlechthin ein allgemeines Recht auf Rechtsbeistand. Mit dem Postulat der Aufrechterhaltung einer funktionsfähigen, wirksamen Rechtspflege ist es nicht vereinbar, die Mitwirkung eines Rechtsbeistands in jedem Fall und ohne jede Einschränkung zu dulden. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verlangt vielmehr eine Abwägung zwischen dem Anspruch des Zeugen und dem öffentlichen Interesse an der Effizienz des Strafprozesses, die die Behörden und Gerichte unter Beachtung aller persönlichen und tatsächlichen Umstände des Einzelfalles vorzunehmen haben.

Für die Hinzuziehung eines Rechtsbeistands bedarf es daher einer besonderen rechtsstaatlichen Legitimation, die sich in unterschiedlicher Ausprägung aus der jeweiligen besonderen Lage des Zeugen, insbesondere aus den ihm im eigenen Interesse eingeräumten prozessualen Befugnissen bei der Erfüllung der allgemeinen staatsbürgerlichen Zeugenpflichten ergibt […]

Ein Rechtsanwalt kann von der Vertretung des Zeugen dann ausgeschlossen werden, wenn seine Teilnahme erkennbar dazu missbraucht wird, eine geordnete und effektive Beweiserhebung zu erschweren oder zu verhindern und damit das Auffinden einer materiell richtigen und gerechten Entscheidung zu beeinträchtigen […]

Konkret hält dabei das BVerfG fest, dass

  1. Es nicht Aufgabe des Zeugen ist, selbst zu Begründen, warum er einen Zeugenbeistand wünscht – in der Begründung liegt ja gerade die Gefahr, sich selbst zu belasten, was ausdrücklich nicht erzwungen werden darf
  2. Auch wenn im Vorhinein vom Zeugen verneint wird, sich auf das (§55 StPO) zu berufen, kann dies keine Ablehnung des Zeugenbeistands begründen. Nicht zuletzt deswegen, weil Zeugen erst angesichts der konkreten Fragen entscheiden können, ob sie nun von dem situativen Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch machen oder nicht. Eine vorherige Einschätzung ist schon gar nicht möglich – worin ja nicht zuletzt auch der Sinn des Zeugenbeistands liegt.

Vor der Entscheidung des BVerfG (10.3.2010) trat am 1.10.2009 der §68b StPO in Kraft, der ein Recht auf einen Zeugenbeistand ausdrücklich vorsieht und Ablehnungsgründe ausdrücklich (wenn auch nicht abschließend) normiert – die Unsitte, eine Begründung des Zeugen einzufordern (oben Punkt 1) dürfte seitdem ein Ende haben. Die Frage, wann ein Zeugenbeistand abzulehnen ist, bedarf aber weiterhin der Auslegung – hier wird man diese Entscheidung des BVerfG bei der Anwendung des §68b StPO durchaus nutzen können.

Im Ergebnis kann man die des BVerfG, auch mit Blick auf die aktuelle Entscheidung, kurz in eine Floskel packen: Pauschal den Zeugenbeistand ablehnen geht nicht. Der §68b StPO stützt dies, da er konkrete Tatsachen fordert und Regelbeispiele benennt. Das Gericht wird also immer eine konkrete Gefährdung der „geordneten Beweiserhebung“ (bzw. funktionsfähigen Rechtspflege) erkennen und dann ausführlich mit den Rechten des Zeugen abwägen müssen. Ein nebulöses vorheriges Ablehnung ist schlichtweg nicht möglich, insbesondere kein pauschales bejahen eines der im §68b StPO benannten Regelbeispiele.

Hinweis: In der ursprünglichen Fassung dieses Artikels wurde der §68b StPO nicht thematisiert – dank einem Hinweis bei Detlef Burhoff ist das aufgefallen und wurde nachträglich eingebaut.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

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