Missbrauch von Kindern: Erheblichkeit sexualbezogener Handlungen

Alleine das schlichte Berühren des Geschlechtsteils über der Kleidung ist nicht ohne weiteres als sexuelle Handlung im Sinne des § 184h Nr. 1 StGB anzusehen (BGH, 3 StR 122/17). Selbst wenn in einer Handlung nach ihrem äußeren Erscheinungsbild ein danach erforderlicher sexueller Bezug zu erkennen ist, müssen Feststellungen getroffen werden, die die insoweit erforderliche Erheblichkeit belegen (BGH, 3 StR 255/80).

Als erheblich im Sinne von § 184h Nr. 1 StGB sind solche sexualbezogenen Handlungen zu werten, die nach Art, Intensität und Dauer eine sozial nicht mehr hinnehmbare Beeinträchtigung des im jeweiligen Tatbestand geschützten Rechtsguts bedeuten (BGH, 3 StR 255/80, 5 StR 364/91, 5 StR 417/11, 3 StR 437/15). Um die Erheblichen sind diesem Sinne festzustellen bedarf es einer Gesamtbetrachtung sämtlicher Umstände im Hinblick auf die Gefährlichkeit der Handlung für das jeweils betroffene Rechtsgut; unter diesem Gesichtspunkt belanglose Handlungen scheiden aus (BGH, 2 StR 582/90, 5 StR 364/91, 5 StR 417/11, 2 StR 558/15).

Dies sind die allgemeinen Überlegungen, doch mit dem BGH sind bei denjenigen Tatbeständen, die dem Schutz von Kindern oder Jugendlichen dienen, an das Merkmal der Erheblichkeit geringere Anforderungen zu stellen als bei Delikten gegen die sexuelle Selbstbestimmung Erwachsener (BGH, 3 StR 122/17, 3 StR 255/83, 2 StR 558/15). Doch auch hier genügen kurze, flüchtige oder aus anderen Gründen unbedeutende Berührungen, insbesondere des bekleideten Geschlechtsteils, grundsätzlich nicht (BGH, 3 StR 255/83, 3 StR 546/88, 2 StR 582/90, 3 StR 87/17, 1 StR 476/98, 3 StR 357/99, 2 StR 311/05, 2 StR 558/15).

Die Schwelle zur Erheblichkeit kann jedoch überschritten sein, wenn über die bloße kurze Berührung hinaus weitere Umstände hinzukommen, die das Gewicht des Übergriffes erhöhen; dies ist mit dem BGH etwa der Fall, wenn

  • der Täter ein sich wehrendes 8-jähriges Mädchen mit der linken Hand festhält, mit der rechten Hand zwischen die Beine des Kindes fasst und dessen bekleidetes Geschlechtsteil „einige Male streichelt“ (BGH, 4 StR 23/92);
  • wenn er einem 9-jährigen Mädchen „mit festem Griff“ an das bekleidete Geschlechtsteil fasst (BGH, 2 StR 490/91);
  • wenn er einen 13-jährigen Jungen in ein Gebüsch zerrt und ihn, während er ihn fest umklammert, „an das bekleidete Geschlechtsteil fasst“ sowie dabei teilweise „fest drückt“ (BGH, 2 StR 453/99).

Die kurze Berührung des Geschlechtsteils oberhalb der Kleidung allein vermag also die Wertung, es sei in einem erheblichen Maße in die geschützte ungestörte Entwicklung des Kindes eingegriffen und diese in einem nicht nur unbedeutenden Maße gefährdet worden, nicht tragen. Um solche Fälle anzunehmen bedarf es Feststellungen wie Folgt:

  • Intensität oder Festigkeit des Griffes
  • Art der Bekleidung (nur leichte Kleidung oder ggf. mehrere Schichten)
  • Dauer der Berührung
  • Spezifisch sexualbezogener Handlungsrahmen
  • Beeinträchtigung der Fortbewegungsfreiheit
  • Ein sonst erhebliches Einwirken auf das Opfer
Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

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