Die Strafbarkeit wegen Gefährdung des Straßenverkehrs (§ 315c Abs. 1 StGB) setzt in allen seinen Tatvarianten eine konkrete Gefährdung von Leib oder Leben eines anderen oder fremder Sachen von bedeutendem Wert voraus. Im Alltag ist eine Strafbarkeit nach §315c StGB dabei viel öfter gegeben, als vielen Autofahrern klar ist (ähnlich wie beim gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr)
Zu typischen Delikten im Verkehrsstrafrecht bei uns:
Gefährdung des Straßenverkehrs
Für die Annahme einer Gefährdung des Straßenverkehrs ist es erforderlich, dass die Tathandlung über die ihr innewohnende latente Gefährlichkeit hinaus in eine kritische Situation geführt hat, in der – was nach allgemeiner Lebenserfahrung aufgrund einer objektiv nachträglichen Prognose zu beurteilen ist – die Sicherheit einer bestimmten Person oder Sache so stark beeinträchtigt war, dass es im Sinne eines „Beinahe-Unfalls“ nur noch vom Zufall abhing, ob das Rechtsgut verletzt wurde oder nicht.
Das heißt: § 315 Abs. 1 StGB setzt eine konkrete Gefährdung der dort genannten Rechtsgüter voraus. Für einen Gefährdungsvorsatz reicht das allgemeine Bewusstsein, fremde Rechtsgüter zu gefährden, nicht. Erforderlich ist vielmehr, dass der Täter die Umstände kennt und billigend in Kauf nimmt, die einen konkreten Schadenseintritt als nahe liegende Möglichkeit erscheinen lassen (so Oberlandesgericht Hamm, 5 RVs 42/22).
Voraussetzung: „Beinahe-Unfall“
Für die Annahme des Tatbestandes ist damit die Feststellung eines „Beinahe-Unfalls“ erforderlich, also eines Geschehens, bei dem ein unbeteiligter Beobachter zu der Einschätzung gelangt, „das sei noch einmal gut gegangen“ (BGH, 4 StR 112/22).
Das bietet Verteidigungspotenzial: Für die Annahme einer konkreten Gefahr genügt es daher nicht, dass sich Menschen oder Sachen in schlicht enger räumlicher Nähe zum Täterfahrzeug befunden haben (BGH, 4 StR 725/94). Umgekehrt wird die Annahme einer Gefahr aber auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass ein Schaden ausgeblieben ist, weil sich der Gefährdete – etwa aufgrund überdurchschnittlich guter Reaktion – noch zu retten vermochte (BGH, 4 StR 155/21). Wenn dann also ein Urteil lediglich feststellt, dass eine Kollision mit dem vorfahrtsberechtig- ten Kraftfahrzeug nur durch eine „Notbremsung bzw. eine Vollbremsung“ habe vermieden werden können, ist das ausdrücklich nicht ausreichend (BGH, 4 StR 377/22). Es bedarf gerichtlicher Feststellungen und Darlegungen zu
- den gefahrenen Geschwindigkeiten der Fahrzeuge,
- den Abständen zwischen den Fahrzeugen und zur Intensität der zur Vermeidung einer Kollision vorgenommenen Bremsung durch den Fahrer,
- wobei allein die Begriffe der Not- und Vollbremsung nichts konkretes hergeben
Eine Gefährdung des Straßenverkehrs ist schnell vorgeworfen – und hat gravierende rechtliche Konsequenzen
Gefährdung des Strassenverkehrs: Konkrete Gefahr
Es reicht daher für die Annahme einer konkreten Gefahr nicht aus, dass sich Menschen oder Sachen in enger räumlicher Nähe zu dem Täterfahrzeug befunden haben. Umgekehrt wird die Annahme einer Gefahr aber auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass ein Schaden ausgeblieben ist, weil sich der Gefährdete ‒ etwa aufgrund überdurchschnittlich guter Reaktionen – noch zu retten vermochte.
Die Gefährdung einer fremden Sache von bedeutendem Wert ist dabei nicht schon dann gegeben, wenn eine werthaltige Sache in einer solchen Weise gefährdet worden ist. Vielmehr ist auch erforderlich, dass ein bedeutender Schaden gedroht hat. Dessen Höhe ist nach der am Marktwert zu messenden Wertminderung zu berechnen (BGH, 4 StR 528/20).
Vollendete Gefährdung des Straßenverkehrs
Eine vollendete Gefährdung des Straßenverkehrs im Sinne des § 315c Abs. 1 StGB erfordert, dass die Tathandlung über die ihr innewohnende latente Gefährlichkeit hinaus in eine kritische Situation geführt hat, in der – was nach allgemeiner Lebenserfahrung auf Grund einer objektiv nachträglichen Prognose zu beurteilen ist – die Sicherheit einer bestimmten Person oder Sache so stark beeinträchtigt war, dass es im Sinne eines „Beinahe-Unfalls“ nur noch vom Zufall abhing, ob das Rechtsgut verletzt wurde oder nicht (BGH, 4 StR 240/20).
Konsequenzen einer Gefährdung des Straßenverkehrs
Das größte Problem ist gar nicht so sehr die eigentliche Strafe, hier bietet sich immer noch die Möglicheit im Einzelfall als Verteidiger zu argumentieren und drastische Reduzierungen zu erreichen. Wenn aber von einem Fall des §315c StGB auszugehen ist, steht mit §69 II StGB die Entziehung der Fahrerlaubnis im Raum, was kein Fahrverbot, sondern der endgültige Verlust der Fahrerlaubnis ist!
- Isolierte Sperre für die Erteilung einer Fahrerlaubnis für Beifahrer - 17. März 2024
- Einziehung bei LFGB-Verstoß: kein Abzug abgeführter Branntweinsteuer - 17. März 2024
- Körperverletzung mit Todesfolge und Doppelverwertungsverbot - 17. März 2024