In der Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 14. Mai 2024 (6 StR 502/23) ging es um die Frage der Sperrwirkung des Strafrahmens des § 177 Abs. 6 Satz 1 StGB im Verhältnis zum Strafrahmen des § 177 Abs. 9 Variante 3 StGB. Im konkreten Fall wurde ein Täter wegen besonders schwerer Vergewaltigung verurteilt. Diese Entscheidung beleuchtet die rechtliche Problematik und die Anwendung der Sperrwirkung in solchen strafrechtlichen Konstellationen.
Sachverhalt
Der Angeklagte hatte die im Wald spazierengehende 61-jährige Nebenklägerin angegriffen, sie mit einem Küchenmesser bedroht und eine Vergewaltigung begangen. Das Landgericht Nürnberg-Fürth hatte ihn deshalb zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt und die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet.
Rechtliche Analyse
Sperrwirkung des § 177 Abs. 6 Satz 1 StGB
Die zentrale Frage in diesem Fall war, ob die Sperrwirkung des § 177 Abs. 6 Satz 1 StGB auch die Strafobergrenze betrifft. Der BGH hat klargestellt, dass diese Sperrwirkung nicht nur die Mindeststrafe, sondern auch die Höchststrafe umfasst. Dies bedeutet, dass die mildere Strafrahmenregelung des § 177 Abs. 9 Variante 3 StGB nicht zur Anwendung kommen kann, wenn der Täter einen Qualifikationstatbestand erfüllt hat.
Gesetzeskonkurrenz und gerechter Schuldausgleich
Die Entscheidung basiert auf dem Prinzip des gerechten Schuldausgleichs und der Vermeidung von Wertungswidersprüchen. Das Rechtsinstitut der Sperrwirkung dient dazu, dass dem Täter aus seiner Schuld keine unbilligen Vorteile erwachsen. Die BGH-Entscheidung betont, dass der Täter nicht davon profitieren darf, indem er durch zusätzliche Straftaten einen milderen Strafrahmen anstrebt.
Besonderheiten der Gesetzeskonkurrenz
Der BGH hat auch hervorgehoben, dass die Regelbeispiele des § 177 Abs. 6 Satz 2 StGB eigenständiges Unrecht indizieren, welches nicht zwingend in den Qualifikationen des § 177 Abs. 7 und Abs. 8 StGB enthalten ist. Dies unterstreicht die Bedeutung der Sperrwirkung in Fällen, in denen mehrere strafverschärfende Tatbestände zusammentreffen.
Fazit
Die Entscheidung des BGH vom 14. Mai 2024 ist von großer Bedeutung für die Praxis der Strafzumessung bei Sexualdelikten. Sie stellt klar, dass die Sperrwirkung des § 177 Abs. 6 Satz 1 StGB umfassend ist und sowohl die Mindest- als auch die Höchststrafe betrifft. Dadurch wird ein gerechter Schuldausgleich sichergestellt und Wertungswidersprüche vermieden. Diese Klarstellung dient dem Opferschutz und der Verhinderung von Fehlanreizen für Täter.
Für die Praxis bedeutet diese Entscheidung, dass bei der Strafzumessung in Fällen von Sexualdelikten mit Qualifikationstatbeständen stets die umfassende Sperrwirkung des § 177 Abs. 6 Satz 1 StGB zu berücksichtigen ist.
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