Mit der nun anstehenden Sommerzeit beginnt auch die Zeit in Schwimmbädern – und leider auch die Unfallzeit. Beim OLG Stuttgart (13 U 16/11) ging es dabei um einen regelrechten Klassiker: Zwei Schwimmbadbesucher kollidierten miteinander, als der Kläger (7 Jahre alt) vom Dreimeterbrett sprang und beim Eintauchen ins Wasser mit dem brustschwimmenden Beklagten zusammenstieß. Im Nachhinein liessen sich – wie eigentlich immer – die wesentlichen Fragen auch nicht mehr klären: Nahm der Springer Anlauf, sprang er „besonders wild“? Schwamm der Schwimmer unter dem Sprungbrett hervor und wäre gar nicht zu sehen gewesen? Doch: Darauf kam es dann auch nicht mehr an.
Das Gericht untersuchte die möglichen Pflichten des Schwimmers und erkannte:
- Eine Haftung allein schon deshalb, weil man bei gleichzeitig stattfindendem Sprungbetrieb unter dem Sprungbrett hindurch bzw. in einen Bereich des Schwimmbeckens schwimmt, in dem Springer auf dem Wasser aufkommen können, ginge zu Weit.
- Eine Verkehrspflicht im konkreten Fall, einen hinreichend großen „Bogen“ um den Sprungbereich herum zu machen, bestand für den Beklagten schon deshalb nicht, weil es keine strikte Trennung von Sprung- und Schwimmbetrieb gab – also keine praktizierte Regelung dahin, dass während des Sprungbetriebs vom Dreimeterbrett der Schwimmbetrieb ganz oder räumlich begrenzt eingestellt wurde. Das Nebeneinander von Sprung- und Schwimmbetrieb entsprach also der konkreten Ausgestaltung des Verkehrs durch den Betreiber des Bades und damit auch der Verkehrserwartung der daran Teilnehmenden. Oder verständlich: Jeder wusste, worauf er sich eingelassen hat.
- Daneben kann natürlich grundsätzlich eine Verkehrspflicht eines Schwimmers gegenüber einem Springer bestehen, unmittelbar vor einem bevorstehenden Sprung vom Dreimeterbrett nicht in die zu erwartende Sprungbahn zu schwimmen, um eine sonst drohende Kollision zu vermeiden und der Gefahr vorzubeugen, dass sich der Springer dadurch Verletzungen zuzieht (vgl. etwa LG Stuttgart, Urteil vom 11.05.1966 – 4 S 10/66). Das aber kann eben nicht uneingeschränkt gelten, sondern nur unter erschwerenden Umständen, etwa wenn erkennbar ein Sprung vom Brett unmittelbar bevor steht.
- Und grundsätzlich ist natürlich auch derjenige, der in das Schwimmbecken springt, zum Schutz von Schwimmern, aber insbesondere auch zum Eigenschutz verpflichtet, sich vor dem Sprung zu vergewissern, dass der Sprungbereich frei ist, und es dürfen Schwimmer in weitem Umfang auf ein Verhalten von Springern vertrauen, das eine Gefährdung von Schwimmern im Becken wie eine Eigengefährdung der Springer ausschließt.
Somit ergibt sich im Fazit das Ergebnis: Am klügsten fährt man im Schwimmbad mit dem Gedanken des §1 StVO: „Die Teilnahme … erfordert ständige Vorsicht und gegenseitige Rücksicht“. Ein Streitfall jedenfalls wird sich nur sehr, sehr selten lohnen.
Dazu auch bei uns:
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