Schmerzensgeld bei Nacktfoto: Wenn unwissentlich und ungewollt Nacktfotos verbreitet werden, steht selbstverständlich ein Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch zur Verfügung. Was aber verständlicherweise vielfach auch bedeutend ist, ist die Frage nach einem Schmerzensgeld. Dabei ist allerdings Vorsicht vor zu hohen Erwartungen geboten!
Grundsätzlich gilt erstmal: Wenn jemand ein intimes Foto eines anderen veröffentlicht, muss er ein Schmerzensgeld zahlen – Das Oberlandesgericht Hamm (3 U 138/15) konnte insoweit klarstellen, dass dann wenn ein intimes Foto ohne Zustimmung der abgebildeten Person im Internet veröffentlicht wird und die abgebildete Person dadurch einen gesundheitlichen Schaden erleidet, ihr wegen der Verletzung der Gesundheit ein Anspruch auf Schmerzensgeld zu stehen kann:
Wird ein intimes Foto ohne Zustimmung der abgebildeten Person im Internet veröffentlicht und erleidet die abgebildete Person dadurch einen gesundheitlichen Schaden, kann ihr wegen der Verletzung der Gesundheit ein Anspruch auf Schmerzensgeld und wegen der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts in Gestalt des Rechts am eigenen Bild ein Anspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung zustehen. Ein auf beide Anspruchsgrundlagen gestütztes Klagebegehren stellt einen prozessual einheitlichen Streitgegenstand dar.
Leitsatz des OLG Hamm
Darüber hinaus wegen der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts in Gestalt des Rechts am eigenen Bild. Vorliegend ergab sich ein Schmerzensgeld in Höhe von 7.000 Euro für die Veröffentlichung eines Bildes auf dem Oralverkehr zu sehen war. Beachten Sie dabei, dass auch mit Einwilligung erstellte intime Fotos nach Ende der Beziehung zu löschen sind.
Hinweis: Beachten Sie unseren Beitrag zum Thema „Schmerzensgeld bei Persönlichkeitsrechtsverletzung“
Ausführungen des OLG Hamm zu intimen Fotos
Interessant sind zudem einige Zeilen zur Verantwortlichkeit des Handlenden, wenn dieser am PC saß und vorher Alkohol getrunken hatte:
Auch wenn sich der Beklagte nach seinem Vortrag infolge starken Alkoholkonsums nicht mehr an das Einstellen des Fotos in sein Internetprofil erinnert kann, war er trotzdem nicht nach § 827 BGB schuldunfähig, weil das Hochladen eines Fotos auf eine Interseite derartige manuelle und intellektuelle Fähigkeiten voraussetzt, dass er sich nicht in einem Ausschluss freier Willensbestimmung befunden hat. Nur ergänzend ist anzumerken, dass dem Beklagten auch bei Ausschluss der Verantwortlichkeit im Sinne von § 827 S. 1 BGB jedenfalls gem. § 827 S. 2 BGB ein fahrlässiges Handeln zur Last zu legen wäre, weil er sich durch alkoholische Getränke in diesen Zustand versetzt hatte und es auch nach seinem eigenen Vortrag keine Anhaltspunkte dafür gibt, dass dies schuldlos geschah.
Nacktbilder unter Schulfreunden geteilt – 1000 Euro Schmerzensgeld
Ein klassisches Beispiel für einen solchen Streitfall fand sich etwa beim LG Frankfurt (2-03 O 189/13), wo eine Mitschülerin zufällig Nacktfotos der betroffenen Schülerin erhielt (die Fotos wurden von der betroffenen selber beim Geschlechtsverkehr mit ihrem Freund erstellt, allerdings sah man auf einem besonders einschlägigen Foto weder ihren Kopf noch Oberkörper). Dies geschah tatsächlich zufällig, als nämlich das Handy zum Aufladen an das Notebook angeschlossen wurde und hierbei Fotos kopiert wurden. Nachdem sie dies bemerkt hatte, verteilte die Mitschülerin die Fotos an andere Schüler, es folgte die rechtliche Auseinandersetzung.
Gefordert wurde zuerst ein Schmerzensgeld in Höhe von 10.000 Euro, das Gericht kürzte dies dann auf 1.000 Euro ein. Ein gutes Beispiel, wie in persönlichkeitsrechtlichen Angelegenheiten Erwartungshaltung der Opfer und Urteil der Justiz auseinander klaffen können. Hintergrund war hier, dass diverse Umstände zu Gunsten der Täterin zu berücksichtigen waren, so unter anderem dass sie bei Erlangung der Fotos nicht böswillig handelte, das sie ihr Bedauern ausgedrückt hat, dass die Fotos vom Opfer selbst erstellt wurden und dass die Täterin noch jugendlich war. Daneben war das Strafverfahren zu berücksichtigen (siehe unten).
Mitschuld beim eigenen Verbreiten?
Eine Auffassung bei selbst angefertigten und versendeten Bildern geht dahin, dass eine „Mitschuld“ zu sehen ist, da die spätere Verbreitung erst durch das eigene Handeln ermöglicht wurde:
Zwar ist im vorliegenden Fall bei der Bemessung der Geldentschädigung wesentlich darauf abzustellen, dass die Klägerin selbst die Bilder gefertigt und weitergeleitet hat und damit selbst die Ursache für die gegen ihren Willen erfolgte Weiterleitung der Fotos durch die Beklagte gesetzt hat. Hieraus kann aber entgegen der Auffassung der Beklagten keine Einwilligung der Klägerin zur (weiteren) Verbreitung der Bilder abgeleitet werden.
OLG Oldenburg, Beschl. v. 06.04.2018, Az.: 13 U 70/17
Diese Auffassung lehne ich ab, weder gibt es eine juristische noch sonst verwertbare Mitschuld – eher ist die Schuld des Schädigend, der ein in ihn gesetztes Vertrauen enttäuscht hat, steigernd hinzu zu nehmen.
Reizfotos innerfamiliär verteilt – kein Anspruch
Ich selbst habe einen Fall vertreten, in dem innerfamiliär intime Fotos einer Frau an deren Tochter versendet wurden, um der Tochter den Lebensstil der Mutter bildlich vor Augen zu führen. Hier erkannte das Gericht zwar einen Unterlassungsanspruch, ein Schmerzensgeld wurde aber nicht zugestanden. Mit der Entscheidung tue ich mich eher schwer und denke, dass dies dem Einzelfall geschuldet war.
Kompensation durch Strafverfahren
Ein wesentlicher Aspekt ist immer wieder, ob ein Strafverfahren geführt wurde – dies wird schnell von Betroffenen unterschätzt! Da dem Schmerzensgeld bei einer Persönlichkeitsrechtverletzung eine „Genugtuungsfunktion“ zukommt, ist immer zu fragen, ob dies nicht (und sei es anteilig) auf anderem Wege schon erreicht wurde. Dies kann dann auch durch ein Strafverfahren der Fall gewesen sein. Ich hatte dies hier an Hand eines Beispiels aus meiner Praxis beschrieben.
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