Menschen mit Rechtsschutzversicherungen glauben oft, die eigenen Anwaltskosten sind kein Problem – dabei fängt mit der Rechtsschutzversicherung (RSV) der Ärger im Mandant meistens erst an. Ständig werden Selbstbeteiligungen ausgeblendet und gerade im Strafrecht nicht darüber nachgedacht, dass bei vorsätzlich begangener Straftat ohnehin keine Deckung vorliegen wird. Der Bundesgerichtshof konnte hierzu im Jahr 2021 nun grundlegende Fragen klären.
Leistungsausschluss in der Straf-Rechtssschutz
Beim Bundesgerichtshof (IV ZR 324/19) ging es um die Frage der Bewertung der Voraussetzungen eines Leistungsausschlusses, insbesondere wenn vorsätzlich eine Straftat begangen wurde. Nach Ansicht des BGH ist diese Frage im Deckungsprozess zu klären. Dabei besteht weder eine Bindung an die Ergebnisse eines gegen den Versicherungsnehmer oder Versicherten geführten Ermittlungsverfahrens oder des Ausgangsrechtsstreits noch ist der Rechtsschutzversicherer bis zu deren Abschluss vorläufig leistungspflichtig.
Die streitgegenständlichen Versicherungsbedingungen
Es lohnt sich, mal in seine Versicherungsbedingungen zu sehen. In der beim BGH streitigen Fassung etwa fand sich diese ARB Formulierung, die sie so in etwa auch bei sich in Ihrer Police vorfinden werden:
„4.9 Straf-Rechtsschutz
für die Verteidigung wegen des Vorwurfes
4.9.1 eines verkehrsrechtlichen Vergehens. Wird rechtskräftig festgestellt, dass Sie das Vergehen vorsätzlich begangen haben, sind Sie verpflichtet uns die Kosten zu erstatten, die wir für die Verteidigung wegen des Vorwurfes eines vorsätzlichen Verhaltens getragen haben;
4.9.2 eines sonstigen Vergehens, dessen vorsätzliche wie auch fahrlässige Begehung strafbar ist, solange Ihnen ein fahrlässiges Verhalten vorgeworfen wird. Wird Ihnen dagegen vorgeworfen, ein solches Vergehen vorsätzlich begangen zu haben, besteht rückwirkend Versicherungsschutz, wenn nicht rechtskräftig festgestellt wird, dass Sie vorsätzlich gehandelt haben.
4.9.3 Es besteht also bei dem Vorwurf eines Verbrechens kein Versicherungsschutz; ebenso wenig bei dem Vorwurf eines Vergehens, das nur vorsätzlich begangen werden kann (z.B. Beleidigung, Diebstahl, Betrug). Dabei kommt es weder auf die Berechtigung des Vorwurfes noch auf den Ausgang des Strafverfahrens an.
Das ist nicht kompliziert formuliert, man versteht doch wohl direkt: Wenn es besonders gravierend ist (Verbrechen) oder wenn man vorsätzlich agiert hat, gibt es keinen Versicherungsschutz. Im Streitfall ging es dabei übrigens um zivilrechtliche Folgeansprüche, über die man sich streiten wollte – die Thematik „frisst“ sich also fort!
Bei Streit um Einstandspflicht: Deckungsprozess
Der BGH hat sich nun so postiert, als das Vorliegen einer vorsätzlichen Straftat als Voraussetzung des Leistungsausschlusses im Deckungsprozess endgültig zu klären ist und eine vorläufige Leistungspflicht des Versicherers nicht besteht. Dabei ist der Versicherer für die Voraussetzungen des Risikoausschlusses darlegungs- und beweisbelastet, und der Risikoausschluss ist nicht bereits dann zu verneinen, wenn der Versicherungsnehmer die Begehung einer vorsätzlichen Straftat substantiiert bestreitet. Dabei betont der BGH, dass sich einem durchschnittlichen Versicherten aus dem für ihn erkennbaren Sinn und Zweck des geregelten Leistungsausschlusses erschließt, dass es von Anfang an auf die objektive Sachlage ankommt und der Versicherer nicht davon unabhängig zunächst vorläufig leistungspflichtig ist.
Im Streitfall: Pech gehabt
Wozu führt das? Man muss eben selber vorfinanzieren oder auch Prozesskostenhilfe beantragen:
Zwar wird der Versicherungsnehmer oder Versicherte bis zu einer für ihn günstigen Klärung des Vorwurfs einer vorsätzlichen Straftat im Deckungsprozess die Kosten für die von ihm beabsichtigte Rechtsverfolgung oder -verteidigung im Ausgangsprozess zunächst selbst tragen oder – wie hier bei Mittellosigkeit des Versicherten – Prozesskostenhilfe beantragen müssen.
Dabei handelt es sich aber – worauf die Revisionsbegründung zutreffend hinweist – um eine typische Konfliktlage bei einem Streit über die Berechtigung zur Leistungsverweigerung des Schuldners, die für sich genommen eine vorläufige Leistungspflicht des Rechtsschutzversicherers nicht begründen kann. Dadurch wird auch nicht das Kostenrisiko „voll“ auf den Versicherungsnehmer oder Versicherten abgewälzt. Denn wenn dieser eine vorsätzliche Straftat nicht begangen hat, sind ihm seine Rechtsverfolgungskosten zu erstatten. Hat er hingegen eine vorsätzliche Straftat begangen, bestand von Anfang an kein Versicherungsschutz und damit kein Anspruch auf Versicherungsleistungen. Mit Blick darauf widerspricht das dargelegte Verständnis der Klausel, dass eine vorläufige Leistungspflicht des Versicherers nicht besteht, auch nicht dem Wesen der Rechtsschutzversicherung.
Man mag sich immer die Konfliktlage vor Augen halten: Der Versicherte schließt die Versicherung ab, damit sie zahlt; der Versicherer aber lebt wirtschaftlich davon, gerade nicht zu zahlen.
Hinweis: Deswegen ist es ehrlicher und aus meiner Sicht auch deutlich professioneller, hier als Anwalt gar nicht erst rumzueiern. Wir rechnen etwa mit RSV in Strafsachen gar nicht ab. Es gibt potenzielle Mandanten, die dann schimpfend von dannen ziehen, aber mit Verlaub: Beim Zahnarzt hat auch keiner ein Problem damit, die Rechnung hinterher beim Versicherer einzureichen. Wir wollen uns auf die Strafverteidigung konzentrieren und die kostet nun mal Geld. Wenn der Fokus des Mandanten darauf liegt, möglichst ohne Zahlung etwas zu erhalten, wird die Sache ohnehin undankbar. Aus meiner Sicht erkennt man professionelle Verteidiger inzwischen daran, dass Sie sich aus diesem Moloch fernhalten. Und wem seine Reputation und seine Freiheit nichts Wert ist, mit dem wird es ohnehin – in diesem speziellen Bereich – nur undankbar.
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