BGH zur Reichweite des § 129 StGB: Mit Beschluss vom 18. März 2025 (3 StR 452/24) hat der Bundesgerichtshof die Anforderungen an eine strafbare mitgliedschaftliche Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung gemäß § 129 Abs. 1 Satz 1 Alternative 2 StGB konkretisiert und zugleich wichtige Aussagen zur tateinheitlichen Verknüpfung mit Beihilfehandlungen getroffen. Die Entscheidung setzt ein deutliches Signal zur kriminalpolitischen Reichweite dieses Tatbestands im Kontext organisierter Wirtschaftskriminalität – hier konkret im Bereich des gewerbsmäßigen Betriebs von Ausrüstungszentren für illegale Cannabisplantagen.
Der Sachverhalt: Legaler Schein mit kriminellem Kern
Die beiden Angeklagten waren als Geschäftsführer bzw. Angestellter in einem Unternehmen tätig, das in einer ehemaligen Supermarkthalle professionelles Zubehör für den Cannabis-Anbau vertrieb – darunter Beleuchtungstechnik, Belüftungssysteme, Dünger und Pflanzerde. Trotz äußerlich legaler Fassade war das Geschäftsmodell darauf ausgelegt, den Schwarzmarkt zu bedienen. Das Sortiment war auf diskrete Nutzung zugeschnitten, Rechnungen wurden anonymisiert ausgestellt und Lieferungen neutral verpackt. Der wirtschaftliche Fokus lag nachweislich auf Kunden, die mit den Waren illegale Plantagen betrieben. Über Jahre erzielte das Unternehmen einen Jahresumsatz in Millionenhöhe.
Die beiden Angeklagten agierten dabei in Kenntnis des kriminellen Gesamtkonzepts und teilten über das finanzielle Interesse hinaus eine ideologische Motivation: Sie wollten die staatliche Kontrolle über den Cannabismarkt bewusst unterlaufen und Dritten ein unreguliertes Anbausystem ermöglichen.
Rechtliche Bewertung: Was ist eine kriminelle Vereinigung?
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist eine kriminelle Vereinigung ein organisatorisch gefestigter Zusammenschluss von mindestens drei Personen, der auf eine gewisse Dauer angelegt ist und Straftaten zum Zweck oder Gegenstand hat. Im vorliegenden Fall war diese Voraussetzung nach Auffassung des Senats zweifelsfrei erfüllt. Die organisatorische Struktur des Unternehmens, das arbeitsteilige Zusammenwirken, die geteilte Zielsetzung sowie die systematische Unterstützung rechtswidriger Handlungen begründeten den Vereinigungscharakter.
Bemerkenswert ist, dass der BGH in seiner Entscheidung ausdrücklich klarstellt, dass auch Beihilfetaten – wie etwa die vorsätzliche Lieferung von Ausrüstungsmaterial an bekannte Betreiber illegaler Plantagen – als „kriminelle Zwecke“ im Sinne des § 129 StGB genügen. Die Strafbarkeit hängt also nicht davon ab, ob die Mitglieder selbst Haupttäter sind; entscheidend ist das gemeinsame strafbare Ziel.
Die Rolle der Beteiligung: Mitgliedschaft statt Einzelhandlungen
Entscheidend für die strafrechtliche Bewertung war nicht allein die einzelne Lieferung oder Handlung, sondern die auf Dauer angelegte Mitwirkung an der kriminellen Gesamtstruktur. Der BGH betont, dass sämtliche Handlungen eines Mitglieds – selbst wenn sie jeweils für sich strafbar wären – als einheitliche mitgliedschaftliche Beteiligung zu betrachten sind. Dies führt dazu, dass die jeweiligen Beihilfen zum Handeltreiben mit Cannabis nicht eigenständig nebeneinanderstehen, sondern tateinheitlich mit dem Vereinigungsdelikt verklammert werden. Erst wenn weitere Gesetzesverstöße das Gewicht des Vereinigungsdelikts deutlich übersteigen, könnte man von Tatmehrheit ausgehen – eine Schwelle, die im vorliegenden Fall nicht überschritten war.
Die Entscheidung bricht insofern mit früheren Ansätzen in der Rechtsprechung, die Einzeltaten neben dem Vereinigungsdelikt isoliert betrachteten. Der BGH stellt nun klar, dass § 129 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 StGB einen umfassenden Handlungsrahmen darstellt, der auch begleitende Beihilfedelikte strukturell integriert.
Resümee
Der Beschluss des Bundesgerichtshofs ist ein markantes Beispiel für die dogmatische Schärfung eines vielschichtigen Straftatbestands. Er zeigt, dass strafrechtliche Verantwortung nicht nur auf unmittelbare Tatbeiträge reduziert werden darf, sondern auch strukturelles Mitwirken an kriminellen Systemen sanktioniert werden kann. Die Konklusion lautet: Wer sich bewusst in eine Organisation einfügt, die systematisch Straftaten ermöglicht oder fördert, kann sich nicht hinter der Legalität einzelner Teilakte verstecken. § 129 StGB erfasst nicht nur klassische mafiöse Strukturen, sondern auch wirtschaftlich durchstrukturierte Netzwerke mit krimineller Zielrichtung – selbst dann, wenn sie unter dem Deckmantel legaler Geschäftsmodelle operieren.
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