Mit Urteil vom 24. September 2024 (Az.: 13 U 20/24) hat das Oberlandesgericht (OLG) Celle die Berufung einer Anbieterin von Online-Coachings zurückgewiesen und festgestellt, dass auch bei Verträgen zwischen Unternehmern das Fernunterrichtsschutzgesetz (FernUSG) zur Anwendung kommen kann. Der Fall betrifft das aktuell relevante Spannungsfeld zwischen digitalen Bildungsangeboten, Unternehmertum und Verbraucherschutzrecht.
Das OLG Celle hat dabei die Berufung der Anbieterin zurückgewiesen und die Entscheidung des Landgerichts Verden bestätigt. Der Vertrag über den Online-Kurs wurde wegen Verstoßes gegen das FernUSG als nichtig eingestuft. Die Rückzahlungspflicht des Kursentgelts wurde bekräftigt. Die Revision wurde zugelassen.
Sachverhalt
Die Parteien stritten über die Rückzahlung eines Entgelts für einen Online-Kurs namens „Dropshipping Elite Coaching“. Der Kläger, selbst Unternehmer, hatte den Kurs zu einem Preis von 4.700 € gebucht, um eine nebenberufliche Selbstständigkeit im E-Commerce aufzubauen. Der Kurs bestand im Wesentlichen aus Lernvideos, einer Messenger-Gruppe und regelmäßigen Videokonferenzen. Nach Auffassung des Klägers war der Vertrag nichtig, da die Beklagte gegen zwingende Vorgaben des FernUSG verstoßen habe.
Das Landgericht Verden hatte in erster Instanz der Klage stattgegeben und die Nichtigkeit des Vertrags bejaht. Das OLG Celle bestätigte diese Entscheidung nun in zweiter Instanz.
Rechtliche Würdigung
Anwendbarkeit des FernUSG auf Unternehmer
Zentrale rechtliche Frage war, ob das Fernunterrichtsschutzgesetz überhaupt Anwendung findet, wenn auf Seiten des Lernenden kein Verbraucher, sondern ein Unternehmer steht. Das OLG Celle bejahte dies in Übereinstimmung mit der Vorinstanz: Entscheidend sei nicht die unternehmerische Stellung der Vertragsparteien, sondern der objektive Vertragsgegenstand. Das FernUSG bezweckt nach § 1 Abs. 1, Teilnehmer vor Risiken strukturierter Fernlehrangebote zu schützen – unabhängig davon, ob diese Verbraucher oder Unternehmer sind.
Räumliche Trennung als Kriterium
Ein weiteres zentrales Merkmal des Fernunterrichts i.S.d. § 1 Abs. 1 FernUSG ist die überwiegende räumliche Trennung zwischen Lehrendem und Lernendem. Das Gericht stellte klar, dass hierfür keine zeitliche Asynchronität erforderlich sei – es genüge, dass der Unterricht nicht am selben Ort stattfindet. Der Zugang zu vorproduzierten Lernvideos erfülle dieses Kriterium ebenso wie regelmäßige Online-Konferenzen.
Zielgerichtete Wissensvermittlung zur Berufsausübung
Die Gerichte betonten, dass der Online-Kurs primär der Vermittlung beruflicher Fertigkeiten mit dem Ziel einer Existenzgründung diente. Dies unterfalle eindeutig dem Schutzbereich des FernUSG. Die Inhalte seien nicht bloß informeller Natur, sondern zielgerichtet auf die Erwerbstätigkeit des Teilnehmers ausgerichtet.
Schlussfolgerung
Die Entscheidung des OLG Celle markiert eine prägnante Zäsur für die Praxis digitaler Bildungsanbieter: Auch Verträge mit Unternehmern unterliegen dem Fernunterrichtsschutz, wenn die Struktur des Angebots und das Ziel der beruflichen Qualifikation dies gebieten. Anbieter von Online-Kursen mit berufsbezogenem Inhalt sollten ihre Verträge und Geschäftsmodelle kritisch prüfen und an die Vorgaben des FernUSG anpassen – andernfalls drohen erhebliche rechtliche Konsequenzen.
Quintessenz: Die rechtliche Einordnung von Online-Coachings unter das FernUSG wird durch dieses Urteil erheblich erweitert. Unternehmerische Selbstständigkeit schützt nicht vor den Anforderungen an transparente, rechtskonforme Fernunterrichtsverträge.
- “Duzen” ist keine Beleidigung - 16. Juli 2025
- Bedrohungslage von kommerziellen Satelliten - 15. Juli 2025
- Influencer im Visier der Steuerfahndung - 15. Juli 2025