OLG Köln zur Einziehung bei unerlaubtem Zahlungsdienst

Eingriff in fremde Vermögenssphären braucht klare Grenze: Mit Beschluss vom 4. Juli 2024 (Az. 3 Ws 33/24) hat das über die Reichweite einer Vermögensabschöpfung bei einer Dritteinziehung nach § 73b StGB entschieden. Konkret ging es um die Frage, ob Vermögenswerte, die bei einem mutmaßlich unerlaubt betriebenen Zahlungsdienstleister liegen, vollständig der unterliegen können, oder ob eine Differenzierung zwischen Taterträgen und bloßen Tatobjekten geboten ist. Die Entscheidung ist ein instruktives Beispiel für die restriktive Handhabung der Einziehung bei Drittbeteiligten und verdeutlicht die notwendige rechtsstaatliche Begrenzung strafprozessualer Zugriffsbefugnisse.

Sachverhalt

Den Angeschuldigten wurde vorgeworfen, unerlaubt Zahlungsdienste im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 ZAG erbracht zu haben – eine strafbewehrte Handlung nach § 63 ZAG. Über Konten einer Drittgesellschaft (der Einziehungsbeteiligten), die formal von den Angeschuldigten als geführt wurde, sollen Gelder transferiert worden sein. Die Staatsanwaltschaft beantragte daraufhin einen in Höhe von über 32 Mio. Euro gegen diese Gesellschaft, um eine spätere Einziehung des Tatertrags zu sichern. Tatsächlich konnten Vermögenswerte in deutlich geringerer Höhe gesichert werden – rund 1,15 Mio. Euro sowie kleinere Beträge in GBP und USD.

Die Einziehungsbeteiligte wandte sich gegen den mit dem Argument, die gesicherten Gelder stellten keine Taterträge im Sinne von § 73 Abs. 1 StGB dar, sondern seien lediglich Tatobjekte – mithin nicht ohne Weiteres nach § 73b StGB einziehbar. Sie verlangte die Freigabe der Beträge.

Rechtliche Analyse

1. Maßstab der Einziehung bei Dritten

Das OLG Köln stellt klar, dass die Einziehung des Wertes von Taterträgen bei Dritten gem. § 73b Abs. 1 Satz 1 StGB eine hinreichend sichere Zuordnung als Tatertrag voraussetzt. Der Rückgriff auf das Vermögen einer nichtbeschuldigten Drittperson sei verfassungsrechtlich nur dann zulässig, wenn eine eindeutige Bereicherung durch die Tat vorliegt. Dies sei insbesondere dann fraglich, wenn das Vermögen nicht aus kriminellen Gewinnen, sondern aus bloßen Durchlaufposten besteht, die für die Durchführung der Tat notwendig waren.

2. Tatobjekt versus Tatertrag

Von besonderer Bedeutung ist die Differenzierung zwischen Taterträgen (§ 73 Abs. 1 StGB) und Tatobjekten (§ 74 StGB). Während Ersteres typischerweise durch die Straftat erlangt wird, handelt es sich bei Tatobjekten um Gegenstände, auf die sich die Tat bezieht. Das OLG verneint in weiten Teilen eine Einziehung über § 73b StGB und subsumiert die fraglichen Vermögenswerte unter § 74 StGB. Dort aber greift ein höherer Eingriffsschwellenwert: Eine Einziehung ist nur zulässig, wenn das Objekt einem gesonderten Einziehungsgrund unterliegt (z. B. Gefahr für die öffentliche Sicherheit).

3. Rückwirkung auf die Arrestentscheidung

Im Ergebnis begrenzt das Gericht die Einziehungsbefugnis auf den Betrag von exakt 671.549,52 €. Alles darüber hinaus Gehende ist freizugeben. Die Staatsanwaltschaft blieb mit ihrer Beschwerde ohne Erfolg.

Rechtsanwalt Jens Ferner, TOP-Strafverteidiger und IT-Rechts-Experte - Fachanwalt für Strafrecht und Fachanwalt für IT-Recht

Das OLG Köln sendet ein deutliches Signal: Die strafprozessuale Einziehung darf nicht zum Einfallstor für pauschale Vermögensabschöpfungen bei unbeteiligten Dritten werden. Die Entscheidung verdeutlicht, dass auch bei massiven Verdachtsmomenten rechtsstaatliche Differenzierungen zwischen Tatmitteln, -objekten und -erträgen zwingend einzuhalten sind. Für Strafverfolger und Gerichte bedeutet dies: Qualität vor Quantität bei der Einziehung – und Respekt vor der Vermögenssphäre Dritter.

Fazit

Die Entscheidung des OLG Köln unterstreicht die notwendige Differenzierung und rechtsstaatliche Begrenzung bei der Vermögensabschöpfung im Strafverfahren. Eine Dritteinziehung nach § 73b StGB darf nicht zur pauschalen Vermögensverlagerung auf die Staatskasse führen. Es bedarf vielmehr einer präzisen Prüfung, ob tatsächlich ein Tatertrag vorliegt oder bloße Tatmittel betroffen sind. Das Urteil mahnt zu einem maßvollen Umgang mit einem scharfen strafprozessualen Instrumentarium.

Fachanwalt für Strafrecht & IT-Recht bei Anwaltskanzlei Ferner Alsdorf
Rechtsanwalt Jens Ferner ist Fachanwalt für Strafrecht sowie Fachanwalt für IT-Recht und widmet sich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht mit Schwerpunkt Cybercrime, Cybersecurity & Softwarerecht. Er ist zertifizierter Experte für Krisenkommunikation & Cybersecurity; zudem Autor sowohl in Fachzeitschriften als auch in einem renommierten StPO-Kommentar zum IT-Strafprozessrecht sowie zur EU-Staatsanwaltschaft. Als Softwareentwickler ist er in Python zertifiziert und hat IT-Handbücher geschrieben.

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Rechtsanwalt Jens Ferner

Von Rechtsanwalt Jens Ferner

Rechtsanwalt Jens Ferner ist Fachanwalt für Strafrecht sowie Fachanwalt für IT-Recht und widmet sich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht mit Schwerpunkt Cybercrime, Cybersecurity & Softwarerecht. Er ist zertifizierter Experte für Krisenkommunikation & Cybersecurity; zudem Autor sowohl in Fachzeitschriften als auch in einem renommierten StPO-Kommentar zum IT-Strafprozessrecht sowie zur EU-Staatsanwaltschaft. Als Softwareentwickler ist er in Python zertifiziert und hat IT-Handbücher geschrieben.

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