OLG Düsseldorf zur Auslegung des §6 II GmbHG

mit bestimmten Vorstrafen sind von weiterer Geschäftsführertätigkeit ausgeschlossen, das ergibt sich aus §6 Abs.2 S.2 Nr.3 GmbHG und gehört zum Basis-Wissen eines professionellen Strafverteidigers. Doch wie ist dieser Teil auszulegen – hier gibt es tatsächlich einen, in der Praxis unbedeutenden, Streit, den das Oberlandesgericht Düsseldorf, 3 Wx 182/21, umfänglich aufbereitet hat. Im Ergebnis: Nichts Neues, aber eine spannende Fundstelle.

Worum geht es beim Auslegungsstreit des §6 Abs.2 GmbHG

Im Kern ging es darum, ob jemand, der wegen der §§265c, 265d, 265e StGB vorbestraft ist, vom §6 Abs.2 GmbHG erfasst wird. Da dort ausdrücklich von den „§§ 265b bis 266a des Strafgesetzbuchs“ als Ausschlussgrund die Rede ist, mag die Diskussion überraschen.

Aber: Es gibt eine Auffassung, die der Meinung ist, dass aus der Entstehungsgeschichte der Vorschrift herauszudeuten ist, dass § 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 lit. e) GmbHG eine statische Verweisung auf die in der Vorschrift genannten Straftatbestände enthalte und gerade keine dynamische.

Das beißt sich natürlich mit dem Wortlaut – verwiesen wird hierzu darauf, dass sowohl im Regierungsentwurf der  Bundesregierung zu § 6 Abs. 2 GmbHG (BT-Drucks. 16/6140 S. 6) als auch in dem vorausgegangenen Entwurf des Bundesrates zum Gesetz zur Sicherung von Werkunternehmeransprüchen und zur verbesserten Durchsetzung von Forderungen (Forderungssicherungsgesetz, BR-Drucks. 878/05 und 458/04) diejenigen Strafnormen, die einer Geschäftsführerbestellung entgegenstehen, einzeln aufgeführt gewesen seien und diese Auflistung im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens ohne nähere Begründung durch die Formulierung „§§ 263 bis 264a oder den §§ 265b bis 266a des Strafgesetzbuchs“ ersetzt worden sei. Die Auffassung ist, insbesondere mit der heutigen Rechtsprechung des BverfG, das in der jüngeren Rechtsprechung nicht mehr so stark am Wortlaut als äussere Grenze der auslegung klebt, durchaus hörbar. Das OLG Düsseldorf stellte sich dem aber entgegen – und liefert eine herausagende Fundstelle zur Auslegung dieser Norm.


Aus der Entscheidung

(1)

Der Regierungsentwurf der Bundesregierung sah vor, die Ausschlussgründe für eine Geschäftsführerbestellung über die bereits bislang normierten Straftatbestände der Insolvenzverschleppung hinaus enumerativ um die §§ 265b, 266 und 266a des Strafgesetzbuchs zu erweitern. In der Begründung des Entwurfs wird im Einzelnen dargelegt, aus welchen Erwägungen heraus die Ungeeignetheit als Geschäftsführer alleine aus diesen drei Strafrechtsvorschriften abgeleitet werden könne. Dazu heißt es auszugsweise (BT-Drucks. 16/6140 S. 32/33):

„Darüber hinaus führt zukünftig eine Verurteilung zu einer von mindestens einem Jahr wegen einer oder mehrerer vorsätzlich begangener Straftaten nach §265b (Kreditbetrug), § 266 () oder § 266a () StGB zur Annahme der generellen Ungeeignetheit als Geschäftsführer. ……. Für die Aufnahme dieser Straftatbestände …….. sprechen gewichtige Gründe. So wird der Tatbestand des § 266a StGB von einem Geschäftsführer, der verspätet die der anmeldet, regelmäßig verwirklicht und spielt in der Praxis aufgrund der einfachen Nachweisbarkeit durch die Aufstellungen der Krankenkassen, welche Beiträge nicht oder nicht rechtzeitig abgeführt wurden, eine wichtige Rolle. Die Aufnahme von Verurteilungen nach § 266 StGB wegen Untreue ist schon deshalb erforderlich, weil nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs typische Bankrottstraftaten eines Geschäftsführers dem § 266 StGB unterfallen, wenn dieser in eigenem Interesse gehandelt hat. Darüber hinaus kann generell davon ausgegangen werden, dass eine Person, die wegen Missbrauchs ihrer Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen, oder wegen Verletzung der ihr obliegenden Vermögensbetreuungspflicht zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt wurde, auch ungeeignet ist, das Amt eines Geschäftsführers zu bekleiden, welches grundsätzlich mit solchen Befugnissen und Pflichten einhergeht. Schließlich weist auch § 265b StGB einen konkreten unternehmerischen Bezug auf, indem er grundsätzlich an einen Betrieb oder ein Unternehmen anknüpft. Durch die Tathandlungen des Vorlegens unrichtiger oder unvollständiger Unterlagen oder der Abgabe unrichtiger oder unvollständiger schriftlicher Angaben rückt die Vorschrift zudem in die Nähe der in § 6 Abs. 2 Satz 2 neu aufgenommenen Verurteilung wegen unrichtiger Darstellung.“

Von der Aufnahme weiterer strafrechtlicher Vermögensdelikte, etwa des Betruges nach § 263 StGB und der weiteren Vermögensstraftatbestände in den §§ 263a, 264, 264a StGB, hat der Regierungsentwurf ausdrücklich abgesehen. In seiner Begründung (BT-Drucks. 16/6140 S. 33) heißt es dazu u.a.:

„Es wird darauf verzichtet, das Bestellungsverbot darüber hinausgehend an weitere Verurteilungen wegen Bestimmungen des allgemeinen Strafrechts zu knüpfen. So wird insbesondere davon abgesehen, die Strafvorschriften der §§ 263, 263a, 264, 264a StGB als Ausschlusstatbestände aufzunehmen. Verurteilungen nach diesen Vorschriften stehen nicht regelmäßig im Zusammenhang mit der Tätigkeit eines Geschäftsführers oder einer sonstigen wirtschaftlichen Tätigkeit. Der Anwendungsbereich ist vielmehr so vielgestaltig, dass nicht zwingend auf eine fehlende Eignung als Geschäftsführer geschlossen werden kann…..“

(2)

Der Bundesrat ist diesem Standpunkt in seiner Stellungnahme zum Regierungsentwurf entgegengetreten und hat die Aufnahme auch der §§ 263, 263a, 264, 264a StGB als Ausschlusstatbestände für erforderlich gehalten (BT-Drucks. 16/6140 S. 64/65). Zur Rechtfertigung hat er darauf hingewiesen, dass es nicht maßgeblich darauf ankommen solle, ob die betreffenden Straftatbestände einen hinreichenden Bezug zu einer unternehmerischen oder wirtschaftlichen Betätigung aufweisen. Vielmehr sei auch derjenige, der wegen Betruges oder wegen einer Straftat nach den §§ 263a, 264, 264a StGB zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt werde, per se ungeeignet, das Amt des Geschäftsführers auszuüben. Wörtlich hat der Bundesrat in diesem Kontext ausgeführt:

Zum einen erscheint die Aufnahme der Straftatbestände der §§ 263, 263a, 264, 264a StGB als Ausschlusstatbestände angezeigt, weil derjenige, der deswegen zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, deutlich zum Ausdruck gebracht hat, dass er eine zweifelhafte zu fremden Vermögensmassen hat. Da eine GmbH/UG (haftungsbeschränkt) über eine eigene – vom Geschäftsführer zu schützende – Vermögensmasse verfügt, kommt es nicht darauf an, ob eine Verurteilung nach diesen Vorschriften im Zusammenhang mit der Tätigkeit eines Geschäftsführers oder einer sonstigen wirtschaftlichen Tätigkeit steht oder nicht. Personen, die wegen Vermögensdelikten zu hohen Strafen verurteilt worden sind, sind per se nicht geeignet, den Aufgabenbereich eines Geschäftsführers auszuüben. Bei derartigen Verurteilungen besteht regelmäßig keine Vertrauensbasis für eine ordnungsgemäße und entsprechend den Regeln des Wirtschaftslebens ausgerichtete Geschäftsführung. ….

Eine dahingehende Erweiterung der Ausschlussgründe in § 6 Abs. 2 GmbHG hatte der Bundesrat übrigens schon in seinem Entwurf zum Forderungssicherungsgesetz vorgeschlagen und zur Begründung ausgeführt, dass der in allen seinen Formen und ebenso der Straftatbestand der Untreue zu erfassen sei, um sowohl die vertretene Gesellschaft als auch ihre Vertragspartner vor Wiederholungstaten und damit Vermögensschäden zu bewahren (BR-Drucks. 458/04 S. 54/55). Bereits seinerzeit hatte der Bundesrat mit der Formulierung „§§ 263 bis 264a, 265b bis 266a Abs. 1 und 2 des Strafgesetzbuchs“ der Sache nach die später Gesetz gewordene Fassung von § 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 lit. e) GmbHG befürwortet (BR-Drucks. 458/04 S. 13)

(3)

Die Bundesregierung hat in ihrer Gegenäußerung keine Einwände gegen die vom Bundesrat angeregte Erweiterung der Ausschlussgründe erhoben (BT-Drucks. 16/6140 S. 75).

(4)

Gesetz geworden ist sodann die vom Bundesrat vorgeschlagene Gesetzesfassung, wonach eine Verurteilung nach den §§ 263 bis 264a StGB oder nach den §§ 265b bis 266a StGB eine Bestellung als Geschäftsführer ausschließt.

(5)

Einen Beleg oder nur einen tragfähigen Hinweis für die Annahme, dass der Gesetzgeber mit der Formulierung §§ 263 bis 264a StGB oder nach den §§ 265b bis 266a StGB“ im Sinne einer statischen Verweisung ausschließlich diejenigen Strafrechtsnormen erfassen wollte, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens des § 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 lit. e) GmbHG am 1. November 2008 dort normiert waren, enthält die dargestellte Entstehungsgeschichte nicht. Für das Gegenteil spricht vielmehr der Wille des Gesetzgebers, die in den §§ 263 bis 264a und §§ 265b bis 266a StGB geregelten Straftatbestände deshalb als Ausschlussgründe vorzusehen, weil das dort verbotene betrügerische Verhalten zwingend die Ungeeignetheit als Geschäftsführer nach sich zieht. Nichts deutet darauf hin, dass der Gesetzgeber die 2017 in das Strafgesetzbuch eingefügten weiteren Betrugstatbestände des Sportwettbetrugs (§§ 265 c, 265 e StGB) und der Manipulation von berufssportlichen Wettbewerben (§§ 265 d, 265 e StGB) im Rahmen des § 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 lit. e) GmbHG anders behandelt wissen will. Auch diese Straftatbestände basieren auf dem Vorwurf eines betrügerischen Verhaltens des Täters und sind mit Blick auf die Geeignetheit einer Person als Geschäftsführer einer GmbH nicht anders zu beurteilen als die Tat des Betruges nach § 263 StGB oder die betrugsähnlichen Straftatbestände der §§ 263 bis 264a StGB und des § 265b StGB. Dass §§ 265 c – e StGB anders als die vorgenannte Tatbestände nicht das Vermögen, sondern die Integrität und Glaubwürdigkeit des Sports schützen, spielt in diesem Zusammenhang keine entscheidende Rolle. Denn der Gesetzgeber knüpft die Ungeeignetheit als Geschäftsführer alleine an den Vorwurf eines betrügerischen Verhaltens.

b)

Ebenso wenig lässt sich annehmen, dass der Gesetzgeber bei Schaffung der neuen Straftatbestände in den §§ 265 c – e StGB den Willen hatte, sie von der Geltung in § 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 lit. e) GmbHG auszunehmen. In diesem Fall hätte der Gesetzgeber die Formulierung in § 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 lit. e) GmbHG ändern und an die neue strafrechtliche Lage anpassen müssen. Das ist unterblieben. Dafür, dass der Gesetzgeber bei Einführung der §§ 265 c – e StGB die Relevanz seiner Gesetzesänderung für das Registerrecht in § 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 lit. e) GmbHG übersehen hat, spricht nichts.

2.

Bei dieser Ausgangslage ist der Schluss zu ziehen, dass § 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 lit. e) GmbHG nach Inkrafttreten der §§ 265 c – e StGB deshalb unverändert geblieben ist, weil der Bundesgesetzgeber die für eine Handelsregistereintragung erforderliche Geschäftsführererklärung auch auf die neu geschaffenen Straftatbestände erstrecken wollte. Der Gesetzeszweck des § 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 lit. e) GmbHG steht damit ohne weiteres in Einklang. Die neuen Strafnormen – und zwar alle, unabhängig von ihrer strafrechtlich-dogmatischen Einordnung, namentlich als Regelbeispiele – kriminalisieren nur Sonderfälle betrügerischen Verhaltens und bringen gleichermaßen wie der Grundtatbestand des Betruges in § 263 StGB, die in den §§ 263a ff. StGB normierten Sonderfälle eines Betruges (u.a. des Computerbetrugs, Subventionsbetrugs, Kapitalanlagebetrugs, Versicherungsmissbrauchs, Kreditbetrugs) und die Untreuetatbestände in den §§ 266, 266a StGB zum Ausdruck, dass der Täter die Eignung zur treuhänderischen Verwaltung fremden Vermögens offenkundig vermissen lässt (deutlich Altmeppen, GmbHG, 10. Aufl. 2021, § 6 Rdnr. 21).

3.

Es kommt hinzu, dass die Abgabe einer falschen eidesstattlichen Versicherung nach    § 82 Abs. 1 Nr. 5 GmbHG ein Vergehen darstellt. Wegen dieses strafrechtlichen Bezuges kommt dem nach §§ 82 Abs. 1 Nr. 5, 8 Abs. 3 Satz 1 GmbHG maßgeblichen Wortlaut des § 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 lit. e) GmbHG besondere Bedeutung zu (Schulte a.a.O.; MK-Herrler, GmbHG, 3. Aufl. 2018, § 8 Rdnr. 66). Für den Rechtsunterworfenen muss klar und deutlich sein, welches Verhalten von ihm strafbewehrt gefordert wird. Dementsprechend bestimmt der eindeutige Wortlaut des § 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 lit. e) GmbHG den Regelungsgehalt der Norm. Nur dadurch ist eine vorhersehbare und verlässliche Handhabung der Vorschrift gewährleistet.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften. Dabei bin ich fortgebildet in Krisenkommunikation und Compliance.

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