In einem aktuellen Beschluss vom 27. März 2025 (Az. 4 U 185/25) hat das Oberlandesgericht (OLG) Dresden eine zentrale Weichenstellung im Äußerungsrecht vorgenommen. Im Zentrum stand die Frage, ob ein Veranstalter wegen einer Bildunterschrift, die den Auftritt einer externen Person mit einem als NS-Symbol interpretierten Zeichen beschreibt, einen Unterlassungsanspruch geltend machen kann – obwohl er selbst nicht abgebildet ist. Die Entscheidung befasst sich in nuancierter Weise mit der Reichweite des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, den Anforderungen an eine Wiederholungsgefahr und dem Verhältnis von Tatsachenbehauptung und Meinungsäußerung.
Sachverhalt
Der Kläger ist Eigentümer eines Schlosses, auf dem 2018 eine öffentliche Veranstaltung stattfand. Eine Universität hatte 2023 in einem Policy Paper behauptet, eine dort aufgetretene Tänzerin habe auf ihrem Kleid eine „schwarze Sonne“ getragen – ein in der rechtsextremen Szene verwendetes Symbol. Diese Aussage wurde zunächst in einer Bildunterschrift als Fakt dargestellt, später allerdings relativiert („…kann als schwarze Sonne interpretiert werden“). Der Kläger sah sich durch die ursprüngliche Darstellung in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt und verlangte Unterlassung.
Das Landgericht hatte die Klage abgewiesen. Der Kläger legte Berufung ein.
Rechtliche Analyse
1. Wiederholungsgefahr – keine Widerlegung möglich bei fortbestehender Verteidigung der Äußerung
Das OLG stellt klar: Wird eine beanstandete Äußerung zwar abgeändert, aber weiterhin als berechtigt verteidigt, kann die Vermutung der Wiederholungsgefahr nicht widerlegt werden. In der Konsequenz bleibt ein Unterlassungsanspruch grundsätzlich bestehen – sofern die Äußerung rechtswidrig war. Dies ist eine wichtige Klarstellung im Äußerungsrecht: Eine Entfernung der Aussage allein genügt nicht, um zukünftige Wiederholungen auszuschließen, wenn die inhaltliche Position weiter vertreten wird.
2. Unwahre Tatsachenbehauptung – aber keine relevante Persönlichkeitsverletzung
Das Gericht erkennt an, dass die ursprüngliche Aussage eine unwahre Tatsachenbehauptung darstellt: Die Zuschreibung, auf dem Kleid sei eine „schwarze Sonne“ zu erkennen, ist objektiv falsch. Das abgebildete Symbol könne ebenso gut ein slawisches Sonnenrad („Kolovrat“) oder ein Fantasiemotiv sein.
Doch entscheidend ist: Der Kläger war nicht selbst betroffen. Die Aussage bezog sich ausschließlich auf die Tänzerin. Zwar könne es Fälle geben, in denen sich ein Eingriff in das Persönlichkeitsrecht mittelbar auf Dritte überträgt – doch sei im vorliegenden Fall eine solche unmittelbare Beeinträchtigung des Klägers nicht ersichtlich.
3. Keine eigenständige Persönlichkeitsrechtsverletzung
Das Gericht betont, dass das Persönlichkeitsrecht nur verletzt ist, wenn eine Aussage eine nennenswerte Beeinträchtigung der Persönlichkeitsentfaltung darstellt. Ein bloß „wertneutraler Fehler“ – wie hier die falsche Benennung eines Symbols – reiche dafür nicht aus. Maßgeblich sei, dass die beanstandete Aussage keine konkreten Rückschlüsse auf den Kläger selbst zulässt, insbesondere keine Zuweisung zu nationalsozialistischem Gedankengut.
Der Kläger wurde lediglich in einem größeren Kontext erwähnt, in dem es um „völkisches Engagement“ und „rechte Netzwerke“ ging – nicht aber in direktem Zusammenhang mit der Symbolik. Dieser Kontext wurde vom Kläger im Verfahren nicht substantiiert angegriffen.
Bewertung
Die Entscheidung ist in mehrfacher Hinsicht bedeutsam:
- Dogmatisch konsequent ist die strikte Trennung zwischen direkter und bloß reflexartiger Persönlichkeitsrechtsbeeinträchtigung. Wer nicht konkret Gegenstand einer falschen oder ehrverletzenden Aussage ist, kann aus ihr kein Abwehrrecht ableiten – selbst wenn eine Verbindung naheliegt.
- Rechtspolitisch relevant ist die Feststellung, dass Presse- und Wissenschaftsveröffentlichungen nicht durch eine überzogene Ausdehnung des Persönlichkeitsrechts eingeschränkt werden dürfen, wenn keine gravierende Persönlichkeitsgefährdung vorliegt.
- Klarstellend ist die Unterscheidung zwischen Meinungsäußerung und Tatsachenbehauptung. Auch wenn ein Sachverhalt visuell interpretiert werden muss, liegt eine Tatsachenbehauptung vor, wenn eine Aussage als objektiv überprüfbar dargestellt wird – wie hier bei der Zuschreibung des Symbols.
Schlussfolgerung
Die Essenz des Beschlusses: Auch eine unrichtige Tatsachenbehauptung über eine Dritte verletzt nicht automatisch das Persönlichkeitsrecht eines Veranstalters. Nur wer konkret betroffen ist, kann Unterlassung verlangen. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt nicht vor jeder Assoziation, sondern nur vor tatsächlicher Reputationsbeeinträchtigung.
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