In einem komplexen strafrechtlichen Fall hat das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg (Az. 1 ORs 258/23) am 29. Januar 2024 über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sowie über die Revision eines Angeklagten entschieden, der wegen Anstiftung zur Störung der Totenruhe verurteilt worden war. Diese Entscheidung beleuchtet die rechtlichen Probleme rund um die fristgerechte Einlegung von Rechtsmitteln und die materielle Beurteilung der Tatbestände der Störung der Totenruhe.
Sachverhalt
Das Amtsgericht Westerstede hatte den Angeklagten am 25. August 2021 wegen Anstiftung zur Störung der Totenruhe und Beihilfe zur Störung der Totenruhe in drei Fällen zu einer zur Bewährung ausgesetzten Gesamtfreiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt. Auf die Berufungen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft, letztere beschränkt auf das Strafmaß, hatte das Landgericht Oldenburg den Angeklagten unter Freispruch im Übrigen wegen Anstiftung zur Störung der Totenruhe zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen verurteilt.
Gegen dieses Urteil legte der Angeklagte Revision ein, deren Begründung jedoch verspätet eingereicht wurde. Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wurde beantragt, da die Verzögerung auf einem Fehler des Verteidigers beruhte.
Entscheidung des Oberlandesgerichts Oldenburg
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
Das OLG Oldenburg gewährte dem Angeklagten die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, weil das Versäumnis der rechtzeitigen Revisionsbegründung auf einem Fehler des Verteidigers beruhte und dem Angeklagten nicht zugerechnet werden konnte. Diese Entscheidung basiert auf § 44 StPO, der eine Wiedereinsetzung bei unverschuldeter Fristversäumnis ermöglicht.
Revision des Angeklagten
Nach der Wiedereinsetzung wurde die Revision des Angeklagten als unbegründet verworfen. Die Prüfung des Urteils ergab keine Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten. Das Landgericht Oldenburg hatte den Sachverhalt und die Beweiswürdigung korrekt vorgenommen und die rechtlichen Anforderungen an die Störung der Totenruhe und Anstiftung richtig angewendet:
- Tatbestand der Störung der Totenruhe (§ 168 StGB):
Der Angeklagte hatte seine Auszubildende angewiesen, eine leere Schmuckurne zu beisetzen, nachdem sich herausgestellt hatte, dass die Einäscherung des Verstorbenen noch nicht erfolgt war. Diese Handlung wurde als Störung der Totenruhe gewertet, da die Asche eines Verstorbenen aus dem Gewahrsam der Berechtigten entfernt und unrechtmäßig in einer Schmuckurne beigesetzt wurde. - Anstiftung zur Störung der Totenruhe (§§ 168, 26 StGB):
Der Angeklagte war als Geschäftsführer der Bestattungsfirma weisungsbefugt und hatte seine Auszubildende zur Durchführung der Tat bestimmt. Diese Handlungsweise erfüllte den Tatbestand der Anstiftung, da die Auszubildende aufgrund der Anweisungen des Angeklagten handelte und dabei eine strafbare Handlung beging.
Rechtliche Würdigung
Die Entscheidung des OLG Oldenburg zeigt die strengen Anforderungen an die fristgerechte Einlegung und Begründung von Rechtsmitteln. Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist ein wichtiger Rechtsbehelf, der jedoch nur bei unverschuldetem Versäumnis gewährt wird.
Zudem verdeutlicht der Fall die rechtlichen Konsequenzen bei der Störung der Totenruhe und die Bedeutung der sorgfältigen Beweiswürdigung durch die Gerichte.
- Gewahrsam und Störung der Totenruhe:
Der Begriff des Gewahrsams im Sinne von § 168 StGB umfasst die Obhut über die Leiche oder Asche eines Verstorbenen. Die Handlung des Angeklagten, die leere Urne beisetzen zu lassen, wurde als unrechtmäßige Wegnahme der Asche aus dem Gewahrsam der Berechtigten gewertet. Dies zeigt, wie sensibel und strikt der Gesetzgeber den Schutz der Totenruhe gestaltet hat. - Anstiftung und Weisungsbefugnis:
Die Anstiftung zur Störung der Totenruhe durch eine weisungsgebundene Person erfüllt die Tatbestandsvoraussetzungen des § 26 StGB. Die Entscheidung des OLG verdeutlicht die Verantwortung von Vorgesetzten und deren rechtliche Konsequenzen bei Anweisungen, die strafbares Verhalten fördern oder verursachen.
Ausblick
Die Entscheidung des OLG Oldenburg unterstreicht die Bedeutung der rechtzeitigen und korrekten Einlegung von Rechtsmitteln sowie die strengen Anforderungen an die Beweiswürdigung und rechtliche Bewertung bei der Störung der Totenruhe. Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bietet eine Möglichkeit, unverschuldete Versäumnisse zu korrigieren, wird jedoch restriktiv gehandhabt. Diese Entscheidung hat wichtige Implikationen für die Praxis des Strafrechts, insbesondere im Bereich des Bestattungswesens und der Wahrung der Totenruhe.
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