Nicht geringe Menge synthetischer Cannabinoide 5F-ADB und AMB-FUBINACA

Der konnte sich zum Grenzwert der nicht geringen Menge für 5F-ADB und AMB-FUBINACA äussern, dabei am Rande nochmals die (gefestigten) Regularien zur Bestimmung nicht geringer Menge Cannabinoide festhalten.

Bestimmung des Grenzwertes der nicht geringen Menge

Der Grenzwert ist stets in Abhängigkeit von dessen konkreter Wirkungsweise und Intensität festzulegen. Maßgeblich ist mit dem BGH zunächst die äußerst gefährliche, gar tödliche Dosis des Wirkstoffs. Fehlen hierzu gesicherte Erkenntnisse, so errechnet sich der Grenzwert als ein Vielfaches der durchschnittlichen Konsumeinheit eines nicht an den Genuss dieser Droge gewöhnten Konsumenten.

Das Vielfache ist nach Maßgabe der Gefährlichkeit des Stoffes, insbesondere seines Abhängigkeiten auslösenden oder sonstigen gesundheitsschädigenden Potenzials zu bemessen. Lassen sich auch zum Konsumverhalten keine ausreichenden Erkenntnisse gewinnen, so entscheidet ein Vergleich mit verwandten Wirkstoffen. Ein schönes Beispiel hierfür ist die letzte Entscheidung zu Opium, wo es gleich mehrere naheliegende Konsumarten gibt.

Wirkung synthetischer Cannabinoide

Der BGH führt, unter Zugrundelegung der Ausführungen des Sachverständigen, zur Wirkung synthetischer Cannabinoide aus:

Nach derzeitigen wissenschaftlichen Erkenntnissen wird die Wirkung der synthetischen Cannabinoide wie bei dem Wirkstoff der Cannabispflanze über das Endocannabinoid-System vermittelt. Dieses ist nicht nur bei Menschen, sondern
auch bei Wirbeltieren und Fischen vorhanden und an verschiedensten, teilweise sehr komplexen Prozessen beteiligt. Die Wirkstoffe binden an die CannabinoidRezeptoren CB1, der in hoher Dichte im zentralen Nervensystem vorhanden ist, und CB2 an, der sich vorwiegend in Zellen des Immunsystems findet.

Aufgrund der lipophilen Eigenschaften der Substanzen können sie die Blut-Hirn-Schranke ungehindert passieren. Durch die Bindung an den Rezeptor wird die Signalübertragung in der zugehörigen Zelle aktiviert. Anhand des Ausmaßes der Aktivierung kann zwischen einem vollen Agonisten und einem partiellen Agonisten unterschieden werden (vgl. auch BGH, Urteil vom 14. Januar 2015 – 1 StR 302/13, BGHSt 60, 134 Rn. 39). Relevant für die psychoaktive Cannabinoidwirkung sind die Bindung und Wirkung der Substanz am CB1-Rezeptor, weshalb bei der Bestimmung der nicht geringen Menge vorwiegend diese in den Blick zu nehmen sind.

Wie auch andere Cannabimimetika wirken 5F-ADB und AMB-FUBINACA am CB1-Rezeptor – anders als THC – als volle Agonisten. Dies führt dazu, dass sie wesentlich stärkere Effekte, auch solche lebensbedrohlicher Art, erzeugen können. Es tritt – anders als bei THC – keine Sättigung ein, vielmehr werden die Wirkungen, also auch die unerwünschten Nebenwirkungen, durch eine höhere Dosis verstärkt. Zur konkreten Vergleichbarkeit der Potenz der verschiedenen Substanzen ist nach den Ausführungen des Sachverständigen sowohl deren Bindungsaffinität an den CB1-Rezeptor als auch die mittlere effektive Stoffmengenkonzentration (EC50-Wert) von Relevanz

BGH, 3 StR 155/21

Somit gelangt man dann im nächsten Schritt zur Bindungsaffinität. Diese „Bindungsaffinität“ eines Wirkstoffs bemisst sich anhand der Bindungskonstante „Ki“. Im hier konkreten Fall geht man dabei von der Annahme aus, dass die Bindungen der Cannabimimetikum-CB-Rezeptor-Komplexe dem Massenwirkungsgesetz gehorchen. Es gilt: Je größer die Affinität der Substanz zu den CB-Rezeptoren, umso mehr Rezeptoren werden bei einer bestimmten Stoffkonzentration besetzt und umso kleiner ist der Ki-Wert. Kleinere Ki-Werte bedeuten also eine Bindung an eine größere Anzahl an Rezeptoren und damit eine höhere Potenz des Wirkstoffs. Diesen Gedanken muss man verstanden haben, um dann den weiteren Gedankenfluss des BGH zu verfolgen:

Da der Ki-Wert nur Aussagen über die Bindungsstärke des Wirkstoffs an die Rezeptoren treffen kann, ist er für sich betrachtet für die psychoaktive Effektivität des Cannabimimetikums nur eingeschränkt aussagekräftig. Um eine Vergleichbarkeit der Potenz verschiedener Betäubungsmittel zu gewährleisten, ist es daher erforderlich, einen weiteren hinsichtlich des objektivierbaren biologischen Effekts aussagekräftigen Parameter heranzuziehen. Insoweit bietet sich der EC50-Wert an, d.h. die mittlere effektive Stoffmengenkonzentration, die erforderlich ist, um bei 50 Prozent der Versuchspopulation eine definierte Wirkung auszulösen. Auch hier gilt: Je kleiner der Wert, desto höher die Wirkung der Substanz.

Nach den Ausführungen des Sachverständigen liegt der innerhalb einer Studie ermittelte Ki-Wert für AMB-FUBINACA bei 0,39 nM (Nanomolar), der EC50-Wert zwischen 0,27 nM und 2,0 nM, für 5F-ADB ist der Ki-Wert nicht bekannt, der EC50-Wert liegt bei 0,59 nM. Zum Vergleich dazu weist THC einen Ki-Wert zwischen 10,2 nM und 40,7 nM sowie einen EC50-Wert zwischen 58 nM und 250 nM auf. Die synthetischen Cannabinoide JWH-073 und JWH-018, für die der Bundesgerichtshof die auf sechs Gramm bzw. zwei Gramm festgelegt hat (vgl. BGH, Urteile vom 14. Januar 2015 – 1 StR 302/13, BGHSt 60, 134), weisen demgegenüber Ki-Werte von 8,9 nM bzw. 1,5 bis 9,5 nM und EC50-Werte von 45,6 nM bzw. 10,1 bis 36,6 nM auf.

Mit Blick auf die stärkere Bindungsaffinität (AMB-FUBINACA) und die geringeren mittleren effektiven Stoffmengenkonzentrationen gegenüber THC, JWH-073, aber auch JWH-018, ist davon auszugehen, dass 5F-ADB und AMBFUBINACA eine höhere Potenz als die Vergleichssubstanzen haben, weshalb die Schwelle zur nicht geringen Menge entsprechend niedriger zu bemessen und auf ein Gramm Wirkstoffmenge festzusetzen ist. Die besondere Gefährlichkeit der Substanzen wird überdies durch die bekannt gewordenen Todesfälle und die in Internetforen beschriebenen niedrigen Mengen einer Konsumeinheit bestätigt.

BGH, 3 StR 155/21

Am Ende stellt der BGH fest: Die nicht geringe Menge der synthetischen Cannabinoide 5F-ADB und AMBFUBINACA beginnt bei einem Gramm Wirkstoffmenge.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften. Dabei bin ich fortgebildet in Krisenkommunikation und Compliance.

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